FYI.

This story is over 5 years old.

Bis so guet

Hör auf eine Heulsuse zu sein!

Heulen bringt bei Existenzängsten und schlechten Selfies nichts.

Foto: B.J. Falk

Ich will heulen. Nicht weil ich traurig bin, nein, fuck that! Aber weil der ganze Stress, den man in dieser verfluchten Stadt tagein und tagaus hat, einen nicht schlafen, essen oder den minimalsten humanistischen Bedürfnissen nachgehen lässt. Du hockst den ganzen Tag in einer todlangweiligen Vorlesung oder tippst solange rum bis dein Boss oder Dozent meint, du hättest dein maximales Tagespensum an Frustration erreicht und dich entlässt. Dabei vermagst du kaum mehr dein Heim- bzw. Freizeitweh von schierer Todessehnsucht zu unterscheiden. Und während du so rumhockst, denkst du dir die schönsten Beschäftigungen für deinen hedonistischen Geist aus. Allerdings gehst du diesen dann doch nicht nach, weil du nach 8 Stunden sisyphusischen Mühsal aus deinem warmgesessenen Arschkessel kriechst und direkt in dein Bett fällst. Wobei du natürlich nicht direkt einschläfst, sondern deinen verdammten Laptop aufklappst und dir noch ein paar Stunden hirnlose Internetscheisse reinziehst. Bei Imgur, Facebook, Youtube, Vine, Keek und Instagram glotzt du solange in deine Mattscheibe, bist du vergisst, dass dein Leben eigentlich nicht existiert. Schliesslich schaust du ja allen anderen bei ihren wahnsinnig spannenden digitalen Existenzen zu. Dass es sich dabei nur um einen guten Bildausschnitt und Filter handelt, ist dir bewusst. Aber warum deine Illuminationsdemenz so öffentlich zugeben? Schliesslich besteht dein sozialer Alltag hauptsächlich darin, dein Leben so zu gestalten, dass dir in regelmässigen Abständen etwas Social-Mediawürdiges passiert und du es zum Zwecke hipper Selbstprofilierung auf allen Plattformen hochlädst, wo sich jeder Kommentar und Like wie ein aufopfernder Partner anfühlt, der dich weiter anfeuert, während es ihn schon lange zwischen den Beinen juckt.

Anzeige

Foto: Mark Turnauckas

Aber wer soll dir schon Vorwürfe machen, unsere Generation hat die Arschkarte lange vor dir gezogen. Bevor du überhaupt dazu kamst, eigenständige Entscheidungen zu treffen und dich einer Subgruppe zuzuordnen, hat man uns Differenzierungspotential im Stile von “Du bisch einzigartig, du chasch alles werde“ angehängt.

Das ist natürlich gequirlte Scheisse und dein Leiden endet erst wenn du folgendes begreifst: Dein Boss muss dir keinen interessanten Job bieten, deine Freunde keine DJs sein und deine Eltern sind nicht verantwortlich dafür, dass dein kulturelles oder finanzielles Erbe deine Profilierungssucht befriedigt. Egal, was dir deine Eltern oder die gefilterten Instagram Bildchen von Menschen mit denen du dich vergleichst, vorgaukeln. Die Welt hat nicht auf dich (oder die) gewartet. Darum ist es auch vollkommen in Ordnung, einfach in ihr zu überleben. Du hast Existenzängste, weil es nun mal zum Leben gehört. Und das kannst du übrigens auch alleine, egal wer das  “liked“. Plärr' deshalb nicht schon beim zweiten Bier über dein Kindheitstrauma und/oder deine komischen Sexträume. Denn du parlierst, beziehungsweise parierst, so lange mit deinem Gegenüber über charakterschaffende Erfahrungen, bis sie nur noch Trivialgeschichten für die Heulsusen-Leier vom Tag, der Woche, oder des Monats sind. Ob du das online tust oder privat, ist an sich egal. Es wirkt auf dein ebenfalls vollkommen vom Leben verstörtes Umfeld wie eine ansteckende Krankheit.

Anzeige

Foto: Paul Anderson

Das Einzige was du als Heulsuse darfst, ist online im Privatmodus Google dumme Fragen stellen und hübsche Sachen anschauen, weil du dann endlich mal nicht rummotzt, sondern was machst, das dir gefällt. Internet ist nicht nur Grumpy Cat und der ganze andere Mist bei dem irgendein Opinion Leader mit vielen Followern uns zu verstehen gibt, dieses oder jenes sei jetzt cool und gelte es zu hypen. Grumpy Cat ist hässlich, degeneriert und wahrscheinlich unfähig in der Natur zu überleben. Diese Katze verdient dennoch mit ihrem deformierten Gesicht auf verkackten Kaffeetassen mehr Geld, als du und ich uns überhaupt erträumen können.

Foto: Adam Ferris

Aus Armut, Existenzängsten und Rumgeheule macht nur eine Bevölkerungsgruppe etwas sinnvolles: Getriebene Künstler ihre unergründlichen Werke. Das gilt auch fürs Internet. Digital Art wird hoffentlich mal Kunst, die man in unserer Alterskohorte versteht und autonom weiterverwertet. Da gibt es keine vermeintliche Experten, die dir sagen, was du jetzt zu denken hast, um die vom Künstler intendierte Wirkung zu erfahren. Nein, du chillst in deinen Sweatpants und nimmst dir, statt zu schlafen, verdammt viel Zeit um an etwas zu denken, das sich abseits deiner normalen synaptischen Ströme befindet. Vielleicht gibt es doch noch jemanden, der mehr weiss als du. Hör mal endlich zu und sieh hin, statt zu plärren. Um dir so wenigstens eine gute Entschuldigung für das notorische Festhocken vor dem Bildschirm zu bieten, verlosen wir 10 Tickets für den Neverland Space, einem virtuellen Ausstellungsraum. Diese Woche ging Emilio Gomariz Ausstellung online und zeigt zusammen mit Adam Ferris die Möglichkeiten der digitalen Kunst. Um ein Ticket zu gewinnen, schreib uns deine grösste Existenzangst an win@viceland.ch.

Anzeige

Damit du deinen Arsch wenigstens dieses Wochenende von der Mattscheibe wegbewegst, empfehlen wir dir Folgendes:

Am Donnerstag loggen wir uns in den Neverland Space ein und schweben durch virtuelle Welten.

Freitag können wir in Bern unseren Freunden von Trinidad für eine weitere Scheibe auf die Schulter klopfen. Oder in Zürich Ali Baba zu ihrem 14 Jährigen gratulieren. Oder wir gehen ins Longstreet zu NGUZUNGUZU.

Am Samstag gehen wir erst etwas demonstrieren, solange es noch nicht all zu kalt ist. Und danach an die Rakete mit Mobilee Ins Hive.

Und wenn euch Sonntag dann langweilig ist, solltet ihr ein paar Freunde anrufen und mit ihnen versuchen aus dem Escape Room in Zürich zu entkommen.