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Aufstand der Kindergartenkommunisten

Die 1:12 Initiative ist auch nur ein weiterer Gag in der Marketing-Brühe die man gegenwärtig als Schweizer Politik bezeichnet.

Foto: JUSO Schweiz 

Die Schweiz. Mikrowellenfondue, Selecta—Automaten, Roger Federer. Ein Land mit sonderbaren Neigungen. Ein in sein kantonales Habitat eingezwängtes und sich von dort aus anfeindendes Volk, dem es gelingt, Genfer Konvention, PfP, Ausschaffungsinitiative und Minarettverbot unter einen Hut zu bringen. Eine Masse von Individuen, die es hassen, auf ihr Matterhorn reduziert zu werden, aber es schaffen, aus ihrem miefigen Image Kapital zu schlagen. Rösti, Cervelat—Promis, Anti-WEF—Demos: Schweizer Identitätsbildung, das ist die Wahl, sich zu einem Witz zu bekennen oder sich als Minderheit hinzustellen. Und das Ergebnis — der Individualismus — ist das Bünzlitum der Gegenwart.

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Naja. Da sich von anderen notorisch abheben im Grunde genommen nichts weiter ist, als sich systematisch Fremdbilder zu schaffen, ist es nachvollziehbar, dass Minderheitendiskriminierung wie eine Art Nationalsport behandelt wird. Aargauer, Sozialschmarotzer, Scheinasylanten, Burkas, Deutsche, Wölfe. Praktisch kein Klischee ist zu verbraucht, um in der Realsatire  “Schweizer Politik“ ständig von neuem gevögelt zu werden. Und seien es als Jungfernbilder verkaufte Neutralitätsgelübde.

Da Chauvinismus-PR auf Dauer ein ziemlich kostspieliges Unterfangen ist, sind es zur Abwechslung nicht die üblichen Mörgelis, Freysingers oder Darbellays die den neusten Diffamierungs—Fackelzug anheizen. Seitdem klar ist, wie profitabel sich Schandwörter wie “Boni“, “Abzocker“ oder “Krise“ plakatieren lassen, führt eine Gang aus wannabe-marxistischen Züribergkids — genannt “JuSo“ — einen Kleinkrieg gegen eine bislang unbemerkte Minderheit: Den Geldadel.

Foto: Reblogged by muru roar

Mit dem Schlachtruf  — also der Initiative — “1:12“ hat sich die aufmerksamkeitsdefizitäre Jungpartei ihren Zutritt in den Club verschafft. Die Plumpheit mit der hier eine Verfassungsänderung formuliert wird, zeigt nicht nur, wie infantil das Verständnis der JuSo von Konzepten wie “Buchhaltung“ ist, sondern vor allem auch, wie nahe sich Politik und PR doch eigentlich stehen.

Da es den Studiengang “Innovation“ noch nicht gibt, ist die Aktion aber eher traurig als erstaunlich. Statt sich auf Fragen zu konzentrieren wie etwa; “wie gelingt es, dass niedrige Löhne steigen?“, stürzt sich die Vorlage auf Feindbilder, die etwa so weltfremd sind, wie die Vorstellung des uns infiltrierenden, Minarette bauenden, frauenverachtenden Muslims. Abzocker, das sind die neuen Extremisten. “1:12“: Das Max Havelaar des Mittelstands.

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Wie es bei einer grossangelegten PR—Aktion üblich ist, steht die JuSo bei ihrer Minderheiten—Hetze nicht alleine da. International mobilisierte Flashmobs wie “Occupy“ und Steuer-Stasis treiben Reiche massenweise ins Exil. In dieser grausamen Welt, in der Luxus geächtet und Dekadenz zum Verhängnis wird, sind die Superreichen die neuen Mammuts. Parolen wie “Eat the Rich“ oder “We Are The 99%“ kündigen das Ende einer Ära an, in der Waljagd noch ein Gentlemans-Sport war und man sich seinem 160 Meter Plantschboot noch nicht schämen musste.

Foto: Wikimedia

Stellt sich die Frage, wie der Geldadel das wohl sieht. Wird sich die Sippe dazu herablassen, zukünftig wieder in derart proletenhaften Gebilden wie dem “Schloss“ Versaille zu hausen oder ihr Panda-Tartare durch gewöhnlichen Kaviar zu ersetzen? Immerhin sprechen wir von hier sehr mächtigen Leuten. Leute, die sich aus Langeweile gelegentlich ein Entwicklungsland kaufen, denen es ständig gelingt, Milliarden aus dem Nichts zu erschaffen und die genau wissen, wie man horrende Beträge vor Steuerfahndern wie ein magerer Haufen Kleingeld aussehen lässt.

Bleibt die Frage, warum sich die JuSo überhaupt dermassen bemüht, diese Initiative — von der man weder erwarten darf, dass sie etwas von dem, was sie zu beabsichtigen vorgibt, erreicht, noch, dass sie überhaupt angenommen wird — an die Urne zu bringen? Na, ein richtig dicker Haufen Werbung. Ihr "Bonus". Gänzlich übergeschnappt sind die Kindergartenkommunisten dann doch nicht.

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