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Der Typ hinter dem Manifest „Hände weg von meiner Hure“

Wir haben den Herausgeber der Zeitschrift Causeur, die das Manifest der 343 Dreckskerle publiziert hat, angerufen, um uns seine Argumente anzuhören, weshalb Prostitution in Frankreich legal bleiben sollte.

Gil Mihaely, Redakteur vom Causeur-Magazin (Foto von Hannah)

Letzte Woche setzte sich das französische Magazin Causeur für die neuesten Opfer des nationalen Sexhandels ein: die zahlenden Kunden. Die französische Regierung diskutiert, ob die Bezahlung von Sex fortan illegal sein sollte, und ist kurz davor, Prostitution grundsätzlich zu verbieten. Die Zeitschrift Causeur sowie eine lange Liste von Männern, die wahrscheinlich einen Großteil der Abonnenten ausmachen, sind von dieser Idee nicht besonders begeistert.   Weil Männer, die gern für Sex mit gehandelten Frauen bezahlen, wahrscheinlich ziemlich traurig wären, wenn das Gesetz durchgesetzt würde, hat die Zeitschrift eine Kampagne ins Leben gerufen: Sie soll das Recht der Männer verteidigen, zu tun, was sie für richtig halten. Der geschmackvolle Name der Kampagne: Manifest der 343 Dreckskerle: Hände weg von meiner Hure! Der Titel ist jedoch ironisch gemeint. Es handelt sich um eine Anspielung auf Simone de Beauvoirs berühmtes feministisches Manifest der 343, mit dem 1971 343 Frauen das Recht auf Abtreibung und körperliche Selbstbestimmung forderten. Damit suggerieren die Typen vom Causeur, dass ein Verbot von Prostitution auch ein feministisches Problem sei. Feministinnen scheinen dem jedoch auf breiter Front zu widersprechen und stimmen eher der Äußerung der sozialistischen Abgeordneten Anne-Yvonne Le Dain zu, die sagte: „Schande auf diese notgeilen Schwachköpfe [und ihr] erbärmliches Manifest.“ Ich beschloss, den Herausgeber der Zeitschrift, Gil Mihaely, anzurufen, um mir seine Argumente anzuhören.

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Das Titelblatt des Causeur mit dem Manifest der 343.

VICE: Was hat dich dazu veranlasst, das Manifest zu schreiben?  
Gil Mihaely: Die französische Regierung zieht ein neues Gesetz in Betracht, das die Kunden von Prostituierten bestrafen soll. Zu einer Prostituierten zu gehen wäre dann also illegal. Dieses Gesetz ist ein Teil eines größeren, auf Prohibition abzielenden Projekts. Der ideologische Kern der Debatte ist die Annahme, eine Frau könne nicht frei entscheiden, ob sie Prostituierte wird. Dass eine Prostituierte eine Frau ist, die beschließt, eine Sklavin zu werden. Aber in dem Manifest wird doch das Recht des Mannes verteidigt, eine Prostituierte zu besuchen, und nicht das Recht der Frau, eine zu werden.
Das Manifest kann nicht außerhalb des französischen Kontexts gelesen werden, und dieser französische Kontext hat zwei Dimensionen: Erstens ist es eine Parodie eines Manifests von Simone de Beauvoir aus dem Jahr 1971. Es forderte die Legalisierung von Abtreibungen, weil Frauen die absolute Verfügungsgewalt über ihren Körper zukommt. Wir sehen das genauso. Weil wir finden, dass Frauen die Einzigen sein sollten, die bestimmen, was sie mit ihrem Körper machen, sagen wir, dass freie Frauen, die eine Entscheidung über eine Abtreibung treffen können, auch entscheiden können, ob sie Prostituierte werden wollen. Das ist der Grund, warum wir den Untertitel „Touche pas à ma pute“ („Hände weg von meiner Hure“) gewählt haben. Es ist eine weitere Parodie. Es gab einen Slogan gegen Rassismus, der „Hände weg von meinem Freund“ lautet. „Freund“ ist im Französischen „pote“, und „Prostituierte“ „pute“, es handelt sich also auch um eine Art Solidarität. Wir sprechen hier über Erwachsene, die sich im gegenseitigen Einverständnis befinden. Der Staat sollte sich da heraushalten. OK. Aber das Manifest wird ja von Männern unterschrieben, die Prostituierte besuchen, und nicht von den Prostituierten selbst. Denkst du nicht, dass ihr euch dadurch auf die falsche Gruppe konzentriert?
Nein, das dachten wir eigentlich nicht, aber vielleicht hast du recht. Die Idee war, eine Diskussion in Gang zu setzen. Über das Gesetz wird schon seit fast einem Jahr gesprochen, aber es kam noch zu keiner wirklichen Debatte. Wir haben beschlossen, etwas zu machen, das uns provokant und witzig vorkam. Einige finden es nicht witzig. Wir denken, dass Frauen die volle Gewalt über ihren Körper haben und selbst entscheiden sollten, was sie mit ihrem Körper machen wollen, ob es uns nun gefällt, oder nicht. Denn Freiheit bedeutet nicht, nur das zu tolerieren, was uns gefällt. Freiheit ist, das zu tolerieren, was uns nicht gefällt. Glaubst du, dass diese Botschaft auch von Leuten verstanden wird, die Frauen tatsächlich als Huren bezeichnen?  
Ich hoffe wirklich, dass die Leute den Humor dieser Initiative verstehen. Ich glaube durchaus, dass man ein Wort wie „Hure“ verwenden kann und die Leute verstehen, dass man, wenn man abends nach Hause kommt, seine Frau nicht mit „Guten Abend, du Hure“ begrüßt. Im Kontext ist es witziger. Es ist eine Art Wortspiel. Gut. In deinem Manifest heißt es: „Unter dem Deckmantel des Schutzes der Frauen findet ein Krieg gegen Männer statt.“ Ist diese Behauptung nicht ein bisschen fehlgeleitet?
In Frankreich gibt es eine intrinsische Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit. Die Gleichheit von Frauen und Männern ist etwas, das von wirklich jedem akzeptiert wird. Für ein paar Leute, besonders für die derzeitigen Machthaber, scheint es ein echtes Problem zu sein zu akzeptieren, dass es Gleichheit und Unterschiede gibt. Es ist ein ideologisches Projekt im Gange, aus Männern Frauen mit Penissen zu machen. Sie akzeptieren nicht, dass du gleichgestellt und unterschiedlich zugleich sein kannst. Worin besteht der Unterschied in diesem Fall?  
Man sagt, dass Prostitution ein Skandal sei, weil auch Frauen eine Libido haben und keine Prostituierten aufsuchen. Deshalb sollten die Männer sich zusammenreißen. Ich sage es so, wie es ist, und es stimmt wahrscheinlich, dass die meisten Prostituierten weiblich und die meisten Kunden männlich sind. Es stimmt aber auch, dass das schon seit ziemlich langer Zeit und in vielen Gesellschaften so ist. Wir sind sehr skeptisch gegenüber Leuten, die versuchen, einen neuen Mann, einen besseren Mann zu erschaffen. Männer sind Männer. Sie sind Menschen—Menschen sind nicht perfekt. Viele Frauen werden dann deiner Meinung nach Prostituierte, weil sie seit ihrer Kindheit davon träumen?  
Das ist eine sehr gute Frage. Erstens haben wir im Laufe der Diskussion erfahren, dass wir gar nicht genau wissen, wie viele Prostituierte in Frankreich arbeiten und wie viele von ihnen es freiwillig tun. Was von allen wahrgenommen wird, ist der Straßenstrich—die schlimmste Art der Prostitution. Aber wir wissen nicht, wie viele andere Arten der Prostitution existieren und wie viele andere Frauen diesen Beruf ausüben. Der zweite Teil der Antwort ist, dass es sehr schwer ist, den Bereich des Einverständnisses einzugrenzen. Nur sehr wenige Menschen tun als Erwachsene tatsächlich das, wovon sie geträumt haben, als sie jung waren. Wenn Freiheit bedeutet, dass man sich aussuchen kann, ob man Ministerpräsident, Astronaut, Kampfpilot oder Hirnchirurg wird, dann gibt es nur sehr wenige Menschen in der Welt, die diese Freiheit genießen. Man sollte sich davor hüten zu behaupten, dass man nicht freiwillig Prostituierte sein kann. Das erinnert mich an das, was die Bolschewiki sagten: Dass du, wenn du in einer Fabrik arbeitest und nicht verstehst, dass die Kommunisten die einzige Partei sind, die deine Interessen vertritt, der Propaganda zum Opfer gefallen bist. Das ist der Kern der Freiheit. Wer würde es wagen zu sagen, dass du, weil du nicht „richtig“ wählst, gar nicht wählen darfst? Gleichermaßen sagen Feministinnen zu Prostituierten: „Versteht ihr nicht, dass ihr euren Körper und eure Seele zerstört?“ Doch die sagen nach wie vor: „Doch, und ich werde es trotzdem tun.“ Was willst du dagegen machen? Aber du weißt schon, dass viele Prostituierte aufgrund von Dingen wie Sexhandel und Drogenabhängigkeit im Geschäft sind, oder? Und du verstehst den Unterschied zwischen Frauen, die ein Recht auf Abtreibung fordern, und Männern, die das Recht haben wollen, eine Prostituierte zu besuchen?
Ich glaube, man muss sich schon sehr gegen ein Verständnis der Sache wehren, um die Dinge so zu sehen. Was unsere Kritiker am meisten stört, ist meiner Ansicht nach die Tatsache, dass die meisten Leute, die diese Petition unterschrieben haben, in Frankreich als rechts oder reaktionär betrachtet werden. Anstatt mit einigen Unterzeichnern zu diskutieren—denn, wie gesagt, diese Debatte spaltet die Linke und die Feministinnen—, kann die Regierung sagen: „Seht, die Faschisten sind gegen uns—lasst uns zusammenhalten, denn männliche Chauvinistenschweine versuchen, sich in die Angelegenheit einzumischen.“ Ich denke, das ist der Grund, warum sie die Dinge so darstellen, wie sie es gerade tun. OK, aber ich verstehe nicht ganz, was du damit sagen willst. Glaubst du, dass Prostitution Frankreich zu einem besseren Land macht?
Ich glaube, dass Prostitution ein Teil unserer Gesellschaft ist. Ich glaube, dass es unrealistisch ist, einen abolitionistischen oder prohibitionistischen Standpunkt durchzusetzen. Ich glaube, dass das nicht funktioniert, sondern die Situation verschlimmern wird. Hast du schonmal eine Prostituierte besucht?  
Nein, aber natürlich kenne ich Leute, die es gemacht haben. Als Teenager bin ich mal mit ein paar Freunden in eine größere Stadt gefahren, um Prostituierte zu sehen. Vor Ort waren wir so eingeschüchtert, dass sie uns ausgelacht haben und wir wieder gegangen sind. Dadurch, dass wir die Straße hoch und runter gelaufen sind, wussten sie, dass wir Angst hatten, und am Ende sind wir beschämt nach Hause gefahren. Das Interview wurde zugunsten der Präzision und Klarheit redigiert.

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