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Interviews

Martin Sonneborn liebt Tiere und verkauft Geld

Martin Sonneborn im Interview über das Bewusstsein von Tieren und CDU-Politikern und darüber, was passieren müsste, damit er die Adresse seines Parteikollegen Maxim von K.I.Z rausgibt.
Foto: Imago/Future Image

Ich hatte mir vorgenommen, mit dem Chef der Partei Die PARTEI, Martin Sonneborn, über Tierschutz zu reden. Tierschutz, der dritte Punkt im Namen der Partei für „Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiativen", ist ein Thema, das bisher sträflich vernachlässigt wurde, wie ich finde.

Deswegen arrangierte ich ein Treffen mit dem beliebtesten Brüsselabgeordneten unserer Zeit. Wir trafen uns Freitagnachmittag in einem Lokal zu Kaffee und Kuchen. Um uns herum lasen ältere Herren Zeitungen. Sonneborn bestellte Himbeerkuchen und Milchkaffee. Er wollte, wie es sich für einen echten Politiker gehört, lieber über Geld sprechen als über Tierschutz.

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Foto: Tanja Rethmann

VICE: Sagen Sie mal was.
Ich soll was sagen? Mir fällt nichts ein. Ich hab einen Kater von gestern Abend.

Kater?
Kater. Das passiert, wenn man zuviel Alkohol trinkt.

Warum haben Sie getrunken, haben Sie was gefeiert?
Eh .. nein. Ich hab die Netzneutralität gefeiert. Falls Sie das verfolgt haben, Günther Oettinger hat ja vorgestern die Netzneutralität zu Grabe getragen. Eine interessante Entwicklung von Politik, dass mittlerweile Gesetzestexte so formuliert werden, dass beide Seiten die für ihre Bedürfnisse und Zwecke interpretieren können. Aber natürlich nur eine Seite dabei gewinnt. Und das ist immer die, die den Kapitalismus weiter vorantreibt.

Dafür werden die Roaming-Gebühren abgeschafft.
Das ist Augenwischerei. Ein Zuckerstückchen für Leute, die sich freuen, dass Roaming-Gebühren abgeschafft werden.

Ich wollte mit Ihnen über Tierschutz sprechen. Das passt ganz gut, denn es gibt gerade eine Umfrage auf zeit.de zum Thema Tierschutz, und ich wollte Ihnen ein oder zwei dieser Fragen stellen. Es gibt auch schon vorgefertigte Antworten.
Sehr gut, da muss ich weniger denken.

Also: Welches Tier hat ein Bewusstsein? Auswahl besteht zwischen Regenwurm, Maus, Schwalbe, Schwein, Delfin …
Ich hab keine Ahnung. Ich hatte lediglich fünf Punkte im Bio-Leistungskurs. Es ist auch egal, ob ein Tier Bewusstsein hat oder nicht, sondern es ist so, dass man grundsätzlich nicht mit Tieren umgehen sollte, wie das offensichtlich viele Menschen in diesem Land tun. Wenn sogar schon Steakhauskettenbesitzer sagen, dass wir unseren Umgang mit Fleisch und mit Tieren ändern müssen, dann ist etwas sehr faul in diesem Staat. Die Agrarlobby ist eine der stärksten in Europa. Ich bin also relativ skeptisch, ob sich daran was ändern lässt. Ich finde die Bewusstseinsfrage auch unerheblich, man sollte möglichst wenig Lebewesen unhöflich zu nahe treten, ob die jetzt ein Bewusstsein haben oder nicht, ist da nicht entscheidend.

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Klar.
Ich bin mir übrigens bei einigen Kollegen nicht sicher, ob sie ein Bewusstsein haben. Elmar Brocken von der CDU fällt mir gerade ein. So ein … 155-Kilo-Koloss, der in seinem Leben schon viele Entscheidungen getroffen hat, die Lebewesen mit oder ohne Bewusstsein Schaden zugefügt haben. Man sollte erstmal schauen, welche EU-Parlamentarier ein Bewusstsein haben.

Aber würden die dann nicht auch unter Tierschutz fallen? Also müsste Die PARTEI sie dann nicht schützen?
Ja, Sie haben recht, Typen wie Elmar Brocken fallen ganz klar unter Tierschutz. Aber ein bisschen ärgern darf man ihn trotzdem.

Wie steht es mit Zoos? Brauchen wir die?
Ich denke, wirklich brauchen tun wir im Moment sehr wenig. Man sieht es daran, dass es derzeit Massen von Menschen in diesem Land gibt, die nicht Himbeerkuchen und Milchkaffee vor sich auf den Tisch haben. Aber Zoos haben Tradition in diesem Land, sie haben ihre schönen Seiten. Den Eisstand. Und man kann sich zu Wahlkampfzwecken dort mit großen Tieren fotografieren lassen. Aber brauchen tun wir sie sicher nicht.

Martin Sonneborn mit dem Parteikollegen und Kriminalbiologen Mark Benecke, der denkt, dass sich im Zoo besser der Mensch zum Affen machen sollte. Foto: Mark Benecke

Sie sind sehr ernsthaft für einen Satiriker.
Eine Jahre alte Analyse meinerseits hat festgestellt, dass Politik und Gesellschaft immer weniger ernsthaft und immer weniger ernst zu nehmen sind. Der Reflex, oder vielmehr die bedachte Reaktion darauf war, dass wir immer seriöser und ernster geworden sind. Das scheint so weiterzugehen.

Was ist gerade Ihr ernsthaftestes Anliegen?
Der Geldverkauf. Am 9.11. fangen wir an, Geld zu verkaufen. Kennen Sie unsere Aktion vom letzten Jahr? Wir haben Geld verkauft, 100 Euro für 105 Euro. Weil die Gesetze zur Parteienfinanzierung so irre verfasst sind, dass auf diesem Weg die Einnahmen Der PARTEI erhöht werden und man in höherem Maße an der Parteienfinanzierung teilnehmen kann. Wir müssen 2015 wieder Geld erwirtschaften, deswegen verkaufen wir Geld an interessierte Geldbesitzer. Und wir verkaufen es diesmal zu einem attraktiveren Preis. Wir verkaufen diesmal 100-Euro-Scheine für 80.

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Wow. Da mach ich auch mit.
Wir verkaufen allerdings nur 100.000 Euro. Dann ist Schluss. Mehr können wir uns nicht leisten, falls der Schuss nach hinten los geht. Die 80 Euro Verkaufspreis bekommen wir aus der Parteienfinanzierung verdoppelt. Wir machen also 60 Euro Gewinn. Und der Käufer nur 20 Euro, (lacht) das ist sehr ungerecht, merk ich gerade. Gerecht wird es aber dadurch, dass das Geld praktisch direkt von CDU und SPD kommt, die erhalten nämlich deshalb weniger. In der Politik nennen wir das eine Win-Win-Situation. Und ich glaube, dass die Nachfrage nach Geld hierzulande recht groß ist, also relativ viele Leute mitmachen werden.

Na ja. Es wär interessante, wie viele Leute noch mitmachen würden, wenn es andersrum wäre. Wenn sie 120 einzahlen und 100 bekommen.
Nein. Das wäre stumpf. Das wäre die ganz normale Parteienbestechung, das kann jeder. Das machen CDU, SPD und FDP schon zur Genüge. Beim letzten Verkauf, 100 Euro für 105 Euro war es noch Bekundung einer Sympathie für Die PARTEI, diesmal ist es Sympathie plus … gieriger … Geldgier. Ich spreche gerade mit einem alten Freund aus einer Werbeagentur, ob wir es schaffen, dass Adidas … oder irgendein anderer korrupter Sportproduzent … uns für 100.000 Euro zehntausend Fußbälle zur Verfügung stellt. Ich möchte diese zehntausend Fußbälle in Flüchtlingslager schießen. Einfach, damit die da etwas zum Spielen haben. Am Ball kann man Aggressionen abbauen, und er macht kleine Kinder glücklich. Das hat natürlich den perfiden Hintergedanken, dass der kaputte DFB nicht in der Lage ist, in unserem Land für einen ordentlichen linken Verteidiger und einen torgefährlichen Stürmer zu sorgen. Wenn wir den Kindern jetzt Bälle geben, haben wir in zehn Jahren einen Haufen hochtalentierter, bestens ausgebildeter Straßenfußballer.

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Wie in Brasilien.
Genau. Wie in Brasilien. Das bringt uns wieder viele Sympathien in der Welt. Das wiederum lässt uns unsere Exporte erhöhen. Eine Win-Win-Win-Situation. Für die Flüchtlinge, die deutsche Wirtschaft und uns, die wir wieder in Ruhe Fußball schauen können.

Steht dann Die PARTEI auf den Fußbällen?
Nein. Glaub ich nicht. Vielleicht fällt uns was Lustiges ein, was wir draufdrucken können. Vielleicht einfach das Gesicht von Wolfgang Schäuble. Irgendwas, was zum …

Dagegentreten motiviert?
Genau.

Da es bei Tierschutz ja immer auch um Moral geht, habe ich Ihnen drei von Max Frischs Fragen zu Politik und Tierschutz rausgesucht. Los geht's: Wie heißt der Politiker, dessen Tod durch Krankheit, Verkehrsunfall usw. Sie mit Hoffnung erfüllen könnte? Oder halten Sie keinen für unersetzbar?
Ich überlege gerade … Vielleicht Elmar Brocken von der CDU. Ich weiß noch nicht, ob ich dieses Mandat, das ich derzeit ausübe, ob ich das wirklich fünf Jahre lang bekleide. Aber ich habe von Anfang an gesagt, ich möchte Martin Schulz, den Präsidenten des EU-Parlamentes, politisch überleben, und Elmar Brocken biologisch. Das ist mein Ziel, und da könnte natürlich ein Autounfall die Sache abkürzen.

Sehr gut. (Setzt zur nächsten Frage an)
Ich hoffe, dass das „sehr gut" auch veröffentlicht wird.

Natürlich wird das veröffentlicht. Nächste Frage: Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen, gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder Nein.
Selbstverständlich. Demokratie ist doch ein überwiegend unerträgliches Herumgerede. Sieht man bei den Piraten, Demokratie und Transparenz bringen nichts. Heute entscheiden sowieso nur Juristen, was passiert. Oder Diktatoren. Und man sieht es bei Kim Jong-Un und Angela Merkel, dass das funktioniert.

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Ich habe in letzter Zeit oft Leute interviewt, die Morddrohungen bekommen. Aber ich habe welche gegen Sie gesucht und keine einzige gefunden.
Das stimmt nicht. Sie müssen nur „Sonneborn" und „WM-Bestechung" eingeben.

Bild-Leser zählen nicht. Das fällt unter Tierschutz.
Das waren aber neun Stunden lang hochkonzentrierte Beschimpfungen.

Zählt trotzdem nicht. Das waren Bild-Leser, und die wurden beauftragt. Es zählt nur originärer, selbstbestimmter Hass. Ich habe sogar „Ich hasse Sonneborn" gegoogelt. Nichts.
Merkwürdig. Ich hab mal versucht, eine Fatwa auf mich zu ziehen, und habe in Titanic Mohammed-Fotos veröffentlicht, aber nichts. Die Leute, die da damals von Islamisten bedroht wurden, wurden übrigens zu Recht bedroht, weil die Karikaturen so schlecht gezeichnet und unlustig waren. Die hätten wir in Titanic nie gedruckt. Aber selbst das hat nicht geklappt. Als Satiriker wird man nicht ernstgenommen vom Islamisten oder politischen Gegnern …

Das liegt daran, dass Sie für Tierschutz sind. Die Leute werden eher böse, wenn man was gegen Hunde oder Katzen sagt.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Autos, Fußball und Hunde die Themen sind, mit denen man sich Feinde machen kann. Tierschutz … in der Richtung haben wir zuwenig gearbeitet. Ich könnte mir vorstellen, dass ich demnächst eine Gesetzesinitiative im Parlament einbringe, 165-prozentige Erhöhung der Hundesteuer. Mit den Hundehaltern kann man bestimmt was machen.

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Bekommt wirklich jedes PARTEI-Mitglied eine Woche Brüsselurlaub?
Nein, wir haben ungefähr 20.000 Mitglieder, das wäre zuviel. Die 60 bis 80 Leute von der Europaliste Der PARTEI kommen für je vier Wochen nach Brüssel. Aber ich weiß nicht, wie lange wir das Mandat noch haben, das Lustige ist, dass die EU gerade beginnt, sich zu wehren. CDU und SPD arbeiten derzeit daran, das europäische Wahlrecht zu ändern. Da gibt es viele kleine Änderungen, aber der Paragraph, um den es wirklich geht, ist der, dass Deutschland und Spanien eine 3- bis 5-Prozent-Hürde erhalten sollen. Und zwar damit so etwas nicht mehr passiert. Damit Typen wie Udo Vogt (NPD) und ich nicht wieder mit einem Prozent ins EU-Parlament einziehen. CDU und SPD sind sich da relativ einig, dass sie sieben Sitze verloren haben, die jetzt an kleinen Parteien wie Freie Wähler, Tierschützer, Rechtsradikale Schwachköpfe, Piraten und die Familen-Partei gegangen sind. Das bedeutet, dass sie sieben Leute ausschließen müssen von den Geldtöpfen in Brüssel. Und nur noch über eine 54 prozentige Mehrheit verfügen im EU-Parlament. Die reicht zwar, denn es gibt keine konzentrierte Aktionen gegen diese große Koalition. Wir haben ja auch im EU-Parlament eine unheilige große Koalition aus Konservativen und noch Konservativeren, genau wie in Deutschland. Aber wenn sie die Wahlrechtsänderung schaffen, werden wir 3 Prozent erzielen müssen bei der nächsten Wahl: Unser Slogan muss dann lauten: "Wir sind die 3 %!"

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Und, wie stehen die Chancen?
(schweigt)

Ich denke, wenn Sie das mit dem Geldverkaufen durchziehen, können Sie auch mehr als 3 Prozent kriegen. Ich denke, jeder will, dass eine Partei an die Macht kommt, der man 80 Euro schickt und 100 zurückbekommt.
Ja. Gut, dann werden wir das ausbauen. Ein weiteres Wahlversprechen. Das beste Wahlversprechen hat mir ein Italiener geschildert, der mal einen italienischen Mafioso in einer Kleinstadt bei einer Bürgermeisterwahl beobachtet hat, wie er seinen Wählern linke Schuhe schenkte. Den rechten dazu sollte es nach der gewonnenen Wahl geben. Eine brillante Taktik, Vertrauen ist gut, Schuh ist besser!

Eine ganz andere Frage. Eine Freundin hat gefragt, ob Sie die Adresse Ihres Parteigenossen Maxim von K.I.Z herausgeben können.
Nee, das kann ich nicht. Es gibt sehr viele Anfragen in der Richtung. Ich behalte mir das vor, wenn es bei einer Wahl mal wirklich knapp wird. Ich sag dann kurz vor der Wahl: Wenn ich Kanzler werde, werde ich Maxims Adresse veröffentlichen.

Ich verstehe. Gibt es sonst noch etwas, das Sie zum Thema Tierschutz sagen möchten? Welche Tiere wollen Sie denn genau retten?
Ehrlich gesagt, Tierschutz steht da nur, weil uns für T nichts Originelleres eingefallen ist.

Es gibt doch eine Menge Sachen mit T.
Sagen Sie mal was Sinnvolles für T.

Tee. Theater.
Partei für Theater? Das klingt nicht gut. Es gibt nicht soviel Wörter mit T. Ehm, apropos Tiere. Ich fand Tapire immer sehr sympathisch. Sie sind zurückhaltend, höflich …

Und fangen mit T an. Warum ändern Sie es dann nicht zur Partei für Tapire? Ist zielgerichteter.
Nein. Ich glaube, dass das Leute vor den Kopf stößt, die sich eher mit Ameisenbären beschäftigen. Man darf nicht zu speziell werden.

Sonst noch etwas, das Ihnen am Herzen liegt?
Wenn jemand Elmar Brocken sieht, von der CDU, so ein knapp 160 kg schweres kleines Männchen, ich hab ihn kürzlich auf einer Bühne fotografiert, als er eingeschlafen war, während einer Podiumsdiskussion. Wenn man Elmar Brocken irgendwo schlafend auf einer Bühne oder in der Öffentlichkeit sieht, bitte ich um Fotos. An mail@die-partei.de. Das wäre nett.

Der Auftrag wird sicher entgegengenommen werden. Vielen Dank.