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Campus, Sex und Ravioli

​So überlebst du das erste Semester in Wien als Zugezogener

Du ziehst nach Wien, in die Stadt der Gscherten, der Eitrigen und der weißen Spritzer. Willkommen im Paradies, lieber Studienanfänger!
Foto von der Autorin

Du hast gerade die Matura, den darauf folgenden mehrmonatigen Saufmarathon und/oder deinen Zivildienst hinter dir und bald ist es so weit: Du verlässt dein Heimatkaff, um in die große, weite Welt zu ziehen, die Wien für dich momentan noch verkörpert. Du bist aufgeregt, weil dein erster Studientag ansteht, du jetzt allein für das Fortbestehen deiner noch sehr jungen und unbeholfenen Existenz verantwortlich bist und du eigentlich noch nicht einmal weißt, wie man eine Unterhose wäscht oder einen Arzttermin vereinbart.

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Du ziehst nach Wien, in die Stadt der Gscherten, der Eitrigen und der weißen Spritzer. Willkommen im Paradies, du wirst es hier lieben, denn dein neues Leben wird super—vorausgesetzt du weißt, was dich in der Hauptstadt erwartet. Genau deswegen sehe ich es als zugezogene Studentin (an dieser Stelle ausnahmsweise kein Shoutout an Oberösterreich) als meine Pflicht, mein hart erarbeitetes Wissen von einem Bauern zum nächsten zu geben und dich mental darauf vorzubereiten, was dich bei den Stadtingern erwartet.

Die Uni

Die Uni ist der hauptsächliche Grund, warum du das warme, elterliche Nest verlassen hast. Die Unis in Wien sind genau so, wie du sie dir vorstellst—irgendwo zwischen schön und Volksschul-Turnhallen-Charme—und vor allem in manchen Teilen der Hauptuni fühlt man sich allein aufgrund der Räumlichkeiten schon ein bisschen kaiserlich, wenn man nur ein Buch ausborgt. Dennoch solltest du dich nicht zu früh freuen. Vergiss alles, was du in amerikanischen College-Filmen über das Uni-Leben „gelernt" hast, denn nichts davon ist wahr.

Wohnheime sind nicht geil, sondern der Vorhof der Hölle, Campuspartys sind vor allem im ersten Semester einfach nur gruselig und Professoren auf der Uni sind nicht sexy. Niemals. Die Uni ist das Epizentrum deines neuen Lebens und wird dich das eine oder andere Mal auf die Probe stellen. Zum Beispiel dann, wenn du mit deinem Erzfeind eine Gruppenarbeit schreiben musst oder du deine Wochenenden mit Block-Lehrveranstaltungen verbringst. Brace yourself.

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Die Wohnung

Für dich ist es ganz normal, mit einem Schritt durch die Terrassentür im Garten zu stehen, in deinem riesigen Kinderzimmer zu hausen und dir von deiner Mama die Wäsche bügeln zu lassen. Du bist ein verwöhntes Landkind und dein Albtraum beginnt genau jetzt, denn diese Zeiten sind vorbei. Ab sofort wohnst du in einer kleinen Wohnung ohne übermäßigen Komfort und deine gewohnte Umgebung erfährt das ultimative Downgrade. Du träumst von hellen Altbau-Räumen mit hohen Decken und schönen Fenstern, von Fischgrät-Parkett und großen Flügeltüren. Was du aber letzten Endes bekommst, ist das kleinste Zimmer einer viel zu großen Zweck-WG, in dem sich die Flügeltür nicht mehr schließen lässt und die schönen Fenster undicht sind.

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Du kannst dich noch so oft durch Kleinanzeigen-Portale klicken oder in Studentenforen fragen, ob jemand jemanden kennt, der einen kennt, der irgendwann bald aus seinem Traum-WG-Zimmer auszieht. Niemand kennt diese Person. Und sollte sie doch existieren, wirst du ihr Zimmer ohnehin niemals bekommen. Bei der Wahl deiner ersten Wohnung in Wien kannst du nur bedingt was richtig machen, also finde dich damit ab, dass du die nächsten drei Jahre in einem Durchgangszimmer und über einer arabischen Bar wohnst. Rede dir ein, dass das zum Studentenleben gehört. Dein Loft in der Neubaugasse wird leider noch sehr lange ein Traum bleiben—im schlimmsten Fall für immer.

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Die Partys

Foto: Stefanie Katzinger

Überleg dir gut, auf welche Partys du in deiner ersten Zeit in Wien gehen willst. Mein unwissendes, 17-jähriges Ich zum Beispiel hat den Fehler gemacht, die erste Partynacht als offizielle Studentin im Praterdome zu verbringen—einfach, weil ich keine Ahnung hatte, was mich dort erwartet. Der Abend ist darin geendet, dass wir aus dem Club geschmissen wurden, weil meine Freundin in ein Longdrink-Glas gekotzt hat.

Es gilt also nicht nur auf der Uni: Probieren geht über studieren. Teste dich gern durch alle Lokale, aber sortier nach dem ersten Testlauf gewissenhaft aus. Natürlich solltest du einmal im Loco oder Ride Club gewesen sein, weil man billig saufen und noch billiger abschleppen kann. Geh auf jede Party, die du kriegen kannst, such dir deine Lieblings-Locations aus und feiere, solange du noch so wenige Verpflichtungen wie möglich hast. Nie wieder im Leben wirst du die Chance haben, ohne Konsequenzen so oft so viel zu saufen und jeden einzelnen Kater im Bett auszusitzen und zu zelebrieren. Genieß es.

Der Sex

Falls du Single bist, beginnt jetzt die Zeit deines Lebens, in der du dich getrost durch ganz Wien und wieder zurück bumsen kannst, denn Studenten sind ein williges Volk. Und ja, das Herumvögeln gehört wahrscheinlich genau so zum Studentenleben wie das ekelhafte Fast Food, deine noch ekelhaftere Wohnung in Meidling und dein Mitbewohner, für den das Wort „ekelhaft" wahrscheinlich erfunden wurde. Wenn du beim Weggehen jemanden abschleppst, nimm ihn oder sie mit zu dir nach Hause und spiel den Gastgeber. Das erspart dir, dass du am nächsten Tag völlig zerstört (und zerfickt) und im schlimmsten Fall mit der U6 den Walk of Shame antreten musst. Außerdem sitzt du einfach am längeren Hebel.

Wien bietet viele Aufriss-Möglichkeiten: Die schmusegeeigneten Indie-Kids findest du im Flex, die Bros und aufgehübschten Tussis tummeln sich im Volksgarten und die abgefuckten Stoner warten auf der Hausparty deines dubiosen Studienkollegen, der später mal irgendwas „Soziales" arbeiten will, nur darauf, dass du sie ansprichst. Kauf dir also eine Großpackung Kondome und leg los.

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Die Stadt

Foto: Stefanie Katzinger

Tu dir selbst einen Gefallen und erkunde dein Grätzel. Du wirst zwar wie bereits gesagt überwältigt von all deinen neuen Möglichkeiten sein, die dir die Einkaufsstraßen und Touristen-Hotspots bieten, jeden Tag stolz einen Caramel Latte von Starbucks durch die Welt tragen und dir furchtbar kosmopolitisch dabei vorkommen, aber auf lange Sicht wird dich diese Beziehung genau so wenig glücklich machen wie dein letztes Loco-Gspusi.

Manche Ecken von Wien werdet ihr zwar wahrscheinlich nie sehen, außer es ist wie in meinem Fall euer Job, einen Tag in der 6er Bim zu verbringen, aber ihr könnt es zumindest versuchen. Es gibt abseits von der Mahü, dem MQ und dem Gürtel so viele super Orte, an denen man seine Freizeit verbringen kann. Fahrt ans Mühlwasser baden, macht Sonntagsausflüge zum Böhmischen Prater oder schaut euch die Otto Wagner Kirche an—einfach nur so, weil ihr könnt. Und weil das alles genauso wie der nächste McDonalds nur eine Busfahrt entfernt ist.

DAS GELD

In deinem ersten Studienjahr wirst du mehr Geld ausgeben als in deinem bisherigen Leben zusammen. Plötzlich ist alles, wofür früher eine kleine Reise notwendig war, in unmittelbarer Reichweite. Du kannst wie Carrie Bradshaw Nudeln aus der Box essen, so viel und wann immer du willst, du kannst dir innerhalb kürzester Zeit Pizza liefern lassen und wenn du zum H&M willst, kannst du verdammt nochmal auch zum H&M gehen, ohne 1 Stunde Zugfahren zu müssen, in der man sich den Kaufrausch noch mal gut überlegen kann.

Der grenzenlose Konsum ist jeweils nur eine kurze Busfahrt entfernt und das ist anfangs zugegebenermaßen auch ziemlich schön und befriedigend. Aber spätestens dann, wenn der Sushi-Verkäufer auf einem der meist frequentierten Plätze Wiens schon weiß, was du bestellen willst, bevor du auch nur ein Wort gesagt hast, hast du ein Problem. Ja, Wien ist ein Shopping- und Genussparadies aber ab sofort musst du lernen, mit deinem Geld zu haushalten.

Die Bürokratie

Dass die österreichische Bürokratie kein Spaziergang ist und MA2412 erschreckend nah an der Realität liegt, dürfte mittlerweile für niemanden mehr ein Geheimnis sein—außer für dich verblendeten und unverdorbenen Neu-Wiener. Wenn du nach Wien ziehst, musst du dich im Dinge kümmern, von denen du nicht einmal wusstest, dass sie existieren.

Du stehst in Schlangen, füllst Formulare aus und schickst deine Studienbestätigung an gefühlt jede Stelle der Welt. Du schlägst dich auf der Uni mit hirnrissigen Dingen herum und gibst Anträge bei Personen ab, die dich alleine schon für deine Existenz hassen. Du musst Dinge wie das Semesterticket bedenken, das du jedes Semester wieder ein paar Tage zu spät kaufen wirst, weil du in deinem wunderschönen Alltag aus Serien-Marathons uns Schachtelwirt-Besuchen nicht gemerkt hast, dass schon ein neuer Monat begonnen hat. Aber weil dir das Glück hold ist, wurdest du noch nie dabei erwischt, wie du jedes halbe Jahr ein paar Tage aus Versehen schwarz fährst. Denn Wien liebt dich und du wirst es auch lieben.

Verena auf Twitter: @verenabgnr