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In der Schweiz setzen sich neu auch christliche Politiker für LGBTIs ein

Wir haben mit einem christlich-konservativen Vertreter des neu gegründeten Queer Politics-Komitees gesprochen.
Titelbild: ep_jhu

Ja, auch wir haben es geschafft. Seit fast zwei Wochen hat auch die Schweiz ein Komitee, das sich für die Rechte von LGBTIs einsetzt. Nur sind diese Leute nicht so, wie sie sich wohl die halbe Schweiz vorstellen würde. Statt „dä huere Linkä"—wie Christoph Blocher das wohl ausdrücken würde—enthält das Queer Politics-Komitee je zwei Mitglieder aus allen Parteien. Von der rechtspopulistischen SVP über die christliche EVP bis zur erwarteten Juso sind alle mit dabei—nur die EDU scheint in der Existenz des Komitees den Beginn einer Homo-Apokalypse zu sehen und möchte kein Teil davon sein.

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Ich habe mich mit dem Co-Präsidenten des LGBTI-Komitees, Renato Pfeffer, getroffen, um zu erfahren, wieso er die EVP trotz ihrer konservativ-christlichen Haltung nie verlassen würde und die Schweiz bezüglich LGBTI-Rechten irgendwo hinter Rumänien herum dümpelt.

VICE: Welche Ziele wollen Sie mit Hilfe des Queer Politics-Komitees erreichen?
Renato Pfeffer: Diesen Verein gibt es eigentlich schon seit bald drei Jahren. Letztes Wochenende entschieden wir uns, das Ganze offiziell zu machen, um mehr Handlungsfreiheit zu haben und institutionalisiert vorgehen zu können. Unser Ziel sind die gleichen Rechte für alle LGBTI-Personen wie sie für Homosexuelle schon existieren. Die zwei Schwerpunkte von Queer Politics sind hierbei die Absprache von gemeinsamen Aktionen und Initiativen. Zum International Day against Homophobia and Transphobia (IDAHOT) haben wir letztes Jahr eine Demo in Bern organisiert. Ähnliche Aktionen wird es dieses Jahr auch wieder geben.

Foto von der Autorin

Und wie setzen Sie diese Schwerpunkte um?
Es gilt, Absprachen auf politischer Ebene zu treffen. Öffentlichkeitsarbeit macht zudem einen sehr grossen Teil unseres Einsatzes aus. Dabei geht es darum, Medienmitteilungen zu verfassen, um die Öffentlichkeit über Initiativen und Gesetze zu informieren. Sehr wichtig ist, dass man sieht, dass sämtliche Parteien von links nach rechts vertreten sind und diese Ansichten teilen. Weiter planen und machen wir einzelne Aktionen wie Demos. Und wir kämpfen gemeinsam gegen Initiativen.

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Welche Initiativen?
Als erstes wäre da die CVP-Familieninitiative, die am 28. Februar zur Abstimmung kommt. Die bekämpfen wir sehr stark. In Zukunft wird es auch eine Initiative der EDU im Kanton Zürich geben, die genau dasselbe möchte. Die gilt es ebenfalls zu verhindern. Zudem wird es in naher Zukunft Initiativen geben, die die Eheöffnung thematisieren. Daneben gibt es andere Sachen, wie zum Beispiel das Verbot von Umpolungstherapien an Minderjährigen, für welches ich mich persönlich stark einsetzen werde. Und natürlich werden wir uns ebenfalls für das Antidiskriminierungsgesetz einsetzen.

Aus welchen Parteien setzt sich denn Ihr Komitee zusammen?
Ausser der EDU sind wirklich alle Parteien vertreten.

Auch die CVP?
Ja, auch die CVP.

Foto: Anthony Easton | Flickr | CC BY 2.0

Ihr Komitee stellt sich gegen die laufende CVP-Initative. Was sagen die CVP-Leute in ihrem Komitee dazu?
Unser Komitee gab es schon vor der CVP-Initiative. Die Bekämpfung dieser Initiative ist nicht unser Hauptanliegen. Wir möchten als Gruppe auch über diese Initiative hinaus zusammenarbeiten. Die CVP-Vertreter in unserem Komitee haben sich aber klar gegen die parteieigene Familieninitiative ausgesprochen. Wenn der Punkt aber kommt, an dem sie das nicht mehr wollen, haben sie auch die Freiheit, sich da raus zu halten.

Wie viele Mitglieder hat denn das Komitee schon?
Es gibt drei verschiedene Arten von Mitgliedern. Eine Möglichkeit ist, dass die ganze Partei Mitglied wird, so wie es zum Beispiel bei der SP der Fall ist. Die andere Möglichkeit ist, dass man als Untergruppe einer Partei Mitglied wird, wie etwa bei der SVP. In diesem Fall ist die GaySVP bei uns dabei.

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Die dritte Möglichkeit ist, sich als Einzelperson aus einer Partei an diesem Vorhaben zu beteiligen. Wenn beispielsweise weder die Partei noch eine Untergruppe Interesse an diesem Bereich zeigen. Pro Partei—egal auf welcher Ebene—dürfen aber nur zwei Vertreter ins Komitee gesandt werden. Daher ist die Mitgliederzahl relativ beschränkt. Mitarbeit ist aber auch ohne direkte Mitgliedschaft durch die einzelnen Parteigruppen möglich.

Gibt es unterschiedliche Gründe, wieso die Mitglieder im Komitee mitmachen?
Es setzen sich alle für die Anliegen von LGBTI-Personen ein. Es ist natürlich so, dass jeder seine eigene Meinung einbringen und vertreten möchte. Ich finde es aber sehr wichtig, dass wir an so einem Punkt auch eine möglichst breite Masse repräsentieren können. Wenn unser Verein eine Medienmitteilung rausgibt, unterschreiben nur die, die damit einverstanden sind. Wenn einige Vertreter mit unserem Beschluss nicht einverstanden sind, können Sie sich dieser Mitteilung auch enthalten.

Foto: Guillaume Paumier | Flickr | CC BY 2.0

Sie sind Mitglied einer Partei, die allgemein eher christlich-konservative Ansichten vertritt. Sehen Sie da nicht einen Widerspruch in den Positionen?
Ich sehe es mehr als eine Chance. Die EVP legt viel Wert auf Menschenwürde und gerade durch das Komitee vertrete ich die Menschenwürde der LGBTI-Personen. Es ist natürlich so, dass innerhalb meiner Partei grosse Spannungen entstehen, die ich persönlich auch manchmal zu spüren bekomme.

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Haben Sie nie darüber nachgedacht, die Partei zu wechseln?
Überhaupt nicht. Für mich ist die EVP trotz dieser Thematik nach wie vor die Partei, die am meisten mit meinen Überzeugungen übereinstimmt. Ich politisiere schliesslich nicht nur auf LBGTI-Ebene.

Trotzdem setzt sich die EVP laut Smartvote explizit gegen die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wie lässt sich das vereinbaren?
Die EVP setzt sich nicht gegen die eingetragene Partnerschaft ein. Sie ist gegen die Eheöffnung und gegen die Volladoption von gleichgeschlechtlichen Paaren. Ich spreche viel auf persönlicher Ebene mit den einzelnen Parteikollegen. Ich sehe meine Aufgabe eher darin.

Screenshot von smartvote.ch

Zeigt das Wirkung?
Ja, sehr. An der letzten Delegiertenversammlung, an der es um die Änderung des Parteiprogramms im Bezug auf das Adoptionsrecht ging, stimmten unsere Nationalrätinnen nicht dafür. Eine hat dagegen gestimmt und die Andere hat sich enthalten. Also immerhin ein Anfang.

Wie reagieren denn Ihre Parteikameraden auf Ihre neue Position als Co-Präsident in einem Gleichstellungskomitee für LGBTIs?
Ich habe kein Parteimandat inne. Bis jetzt habe ich aber wenige Feedbacks bekommen. Von einigen Mitgliedern weiss ich, dass sie die Arbeit auf diesem Gebiet unterstützen, andere wiederum nicht.

Im Komitee sitzen Vertreter verschiedenster Parteien von links bis rechts. Wie finden Sie da überhaupt zu einer gemeinsamen Entscheidung?
Wir haben ein gemeinsames Anliegen und auf dieser Basis können wir gut Entscheidungen treffen. Klar ist es ein schwieriger Prozess bis eine Medienmitteilung so formuliert wurde, dass alle sie unterschreiben können. Wir haben nun mal ein breites Meinungsspektrum in unserer Gruppe.
Das Ziel unseres Komitees ist es aber, den grössten gemeinsamen Nenner zu finden, um auf dieser Basis vorwärts zu kommen. Und da wir uns lediglich auf das LGBTI-Thema beschränken und nicht etwa über Ausländerpolitik diskutieren, ist das auch möglich.

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Möchten Sie zum Schluss noch etwas anfügen?
Es liegt mir sehr am Herzen, dass klar wird, wie wichtig die Bekämpfung der CVP-Initiative ist. Die Annahme dieser Initiative würde uns im Bereich der Menschenrechte um Jahrzehnte zurückwerfen. Im Ranking des internationalen Lesben, Schwulen, Transsexuellen und Intersexuellen Vereins (ILGA) belegt die Schweiz Platz 32 von 49 europäischen Ländern. Wir befinden uns sogar hinter Rumänien. Nur schon dieses Faktum sprich nicht gerade für uns.

Sascha auf Twitter: @saschulius

Vice Schweiz auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild: ep_jhu | Flickr | CC BY 2.0