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Die SVP hat recht: Homosexualität ist keine Rasse ...

... aber sonst hat sie wieder mal gar nichts verstanden.
Milchbüechli-Models Jeremias & Jonin; Foto von Reikon DeVore

Die SVP veröffentlichte gestern eine Presseaussendung mit dem Titel:

„Gilt Homosexualität als Rasse, als Ethnie oder als Religion?"

Im Lauftext verneint sie selbst die Frage, um sich so gegen ein Verbot von LGBT-Diskriminierung zu stellen.

Es ist so naheliegend wie simpel: Wir wissen, dass Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung kaum Folgen für die Diskriminierenden hat. Wenn jemand sagt: „Flo ist eine Drecksschwuchtel", kann ich persönlich klagen. Wenn aber die JSVP Wallis sagt, Homosexualität sei „abnormales Verhalten", das sich „gegen die Familie, den Ort des Fortbestandes des menschlichen Geschlechts und also auch das Überleben einer Nation" richte? Folgenlos.

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Darum ist klar: Wir müssen die Gesetze anpassen. Der SP-Nationalrat Matthias Reynard aus dem Wallis will darum die Anti-Rassismusstrafnorm erweitern durch: „… und sexuelle Orientierung". Das würde schon reichen, um mir ein Rechtsmittel in die Hand zu geben. Mit dieser kleinen Änderung kann ich mich gegen pauschale Beleidigungen und Herabsetzungen wehren.

dMilchbüechli-Models Jeremias & David, Foto von Reikon DeVore

Das passt der SVP natürlich gar nicht. Denn Schwule und Lesben finden sie schwierig. Um ehrlich zu sein: Sie fürchten sich vor schwulen Männern und ihren Sexualpraktiken. Sie haben Bilder im Kopf von Darkrooms, Schwulenclubs, Klappen und Dragqueens. Wenn sie an Schwule denken, dann sehen sie wandelnde Sexmonster. (An Lesben denken sie selten. Lesben sind ja auch Frauen.)

Unbestreitbar: Auch Schwule haben Sex, auf verschiedene Arten. Aber wie bei Heteros ist das nicht das einzige und bestimmende Identitätsmerkmal. Wir haben in erster Linie Beziehungen zu anderen Menschen. Monster sind wir keine.

Die SVP sagt das auch nicht so. Spätestens mit der Empörung um Toni Bortoluzzis, der von verdrehten Hirnlappen bei Homosexuellen gesprochen hat, hat die SVP gemerkt, dass diese Argumente in unserer Gesellschaft nicht mehr mehrheitsfähig sind. In der Schweiz segnen sogar katholische Pfarrer lesbische Pärchen und die Bevölkerung verteidigt das lakonisch gegen die Kirchenoberen: „Wir sind schon konservativ. Aber der Bischof ist halt erzkonservativ."

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Wie schwer es den Nationalkonservativen fällt, zu ihrer Meinung zu stehen, hat der Arena-Auftritt der SVP-Nationalrätin Verena Herzog bewiesen. Das Prinzip „Rumeiern" hat sie in dieser Sendung perfektioniert.

Milchbüechli-Model Nadia, Foto von Reikon DeVore

Da überrascht es kaum, dass die SVP gestern in einer Pressemitteilung Stellung zum Vorstoss von Nationalrat Reynard nahm, ohne sich auch nur mit einem einzigen Wort zum Anliegen selbst zu äussern. Der Titel der Mitteilung ist darum stimmig: „Gilt Homosexualität als Rasse, als Ethnie oder als Religion?" Über die geplante Erweiterung „… und sexuelle Orientierung" verliert man kein Wort.

Mir ist natürlich bewusst, dass der Titel des SVP-Editorials eine rhetorische Frage ist. Die Mitteilung beantwortet sich beinahe verzweifelt selbst: „Der Rückgriff aufs Strafrecht, um Meinungen zu verurteilen oder jene einzuschüchtern, die diese vertreten, ist zutiefst undemokratisch." Mit diesem orwell'schen Dreh wird aus dem Schutz vor Diskriminierung eine Strafnorm, „die selbst die Stereotypen schafft, welche sie ahnden möchte." Gesellschaftstheoretische Meisterdenke ist das.

Nur hat die SVP leider nie verstanden, dass Homophobie genauso wie Rassismus, Sexismus oder Islamophobie keine Meinung, sondern eine Dummheit ist. Und hoffentlich bald auch ein Verbrechen.

Es stimmt: Jemanden zu verklagen, ist ein letztes, vielleicht sogar verzweifeltes Mittel. Denn die Denkweise von moralisch verirrten Menschen verändert sich dadurch nicht. Aber ein Rechtstaat ist nicht dazu da, die Menschen zu besseren Bürgern zu erziehen. Er ist dazu da, die Rechte seiner BürgerInnen zu schützen. Und LGBT*-Menschen als abnormal und minderwertig zu bezeichen, gehört bestraft, weil es unsere Rechte als Menschen missachtet.

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Milchbüechli-Models Wysi & Rinaldo; Foto von Reikon DeVore

Selbst bekämpfe ich die SVP lieber politisch oder provoziere sie mit meiner tuntigen Art, als sie zu verklagen. Aber ich will nicht in einem Rechtsstaat leben, der es okay findet, wenn meine Identität, meine sexuellen Praktiken, meine Freundinnen und Freunde, einfach als abnormal bezeichnet werden dürfen.

Ich wünsche mir vom Parlament, dass es diese Gesetzesänderung annimmt. Es wird das aber nicht tun. Die bürgerlichen Parteien überlassen die Öffentlichkeitsarbeit wie so oft der SVP, aber im Parlament werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach mit der SVP stimmen.

Etwas Gutes zeigt die Mitteilung der SVP aber: Offene Homophobie ist offensichtlich nicht mehr mehrheitsfähig. Jetzt geht es darum, die versteckte Homophobie sichtbar zu machen.

Florian auf Twitter: @flovolution

Reikon auf Tumblr: Hysteriadogma

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