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Laut Wissenschaft habe ich die Hände eines Arschlochs

Eine aktuelle Studie der McGill University hat mich auf folgende schreckliche Tatsache aufmerksam gemacht: Mein Fingerlängenverhältnis zeigt an, dass ich mich gerne mit Frauen streite.

Foto: bereitgestellt vom Autor

Ich halte mich eigentlich schon für einen ziemlich netten Typen und ich kenne sogar den Unterschied zwischen netten Typen und „netten Typen"—also die Leute, für die Freundlichkeit automatisch zu Blowjobs führen muss. Und obwohl ich mich als männlichen Feministen ansehe, liegt Frauenhass bei mir vielleicht trotzdem in den Genen. Das weiß ich jetzt, weil eine aktuelle Studie der McGill University mich auf folgende schreckliche Tatsache aufmerksam gemacht hat: Mein Fingerlängenverhältnis weißt darauf hin, dass ich dazu neige, mich mit Frauen zu streiten.

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Der elegante Titel besagter Studie lautet „Fetale Einwirkung von Androgenen, angezeigt durch das Fingerlängenverhältnis (2D:4D), erhöht die Verträglichkeit von Männern mit Frauen". Der „fetale Einwirkung von Androgenen"-Teil bezieht sich dabei auf eine vorhergegangene Hypothese, die allgemein anerkannt zu sein scheint und Folgendes besagt: Wenn man im Mutterleib vielen Androgenen ausgesetzt ist—also mit männlichen Hormonen (darunter auch Testosteron) bombardiert wird—, dann wirkt sich das auf die Länge deiner Finger aus. Betroffen sind dabei vor allem dein Zeige- (2D) und Ringfinger (4D).

Die aktuelle Studie ist allerdings noch einen Schritt weiter gegangen und zeigt auf, welche Verhaltensweisen so ein Hormonbad nach sich zieht, beziehungsweise welches Chaos das Ausbleiben eines solchen Bads verursacht. Bei der Studie wurden Probanden nicht in einem Labor, sondern im normalen Alltag beobachtet. Dabei kam man zu folgendem Ergebnis:

Männer weisen eine höhere Verträglichkeit mit Frauen als mit Männern auf; dieser Eindruck ist vor allem bei Männern mit kleinerem 2D:4D-Verhältnis entstanden. Männer mit kleinerem 2D:4D-Verhältnis streiten auch weniger mit Frauen als mit Männern.

Da ich diese Formulierung etwas seltsam fand, habe ich mich mit Rachel Sutton unterhalten, eine der Verantwortlichen der Studie. Dabei wollte ich herausfinden, was genau das jetzt für mich und meine frauenhassenden Hände bedeutet. Anscheinend besteht für mich doch noch ein Funken Hoffnung.

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VICE: Wie kam es zu der Fingerstudie?
Rachel Sutton: Wir haben das Längenverhältnis von Zeige- und Ringfinger untersucht. Vorhergegangene Forschungen haben gezeigt, dass das ein Anzeichen dafür ist, wie viel Testosteron der Fötus ausgesetzt war. Dabei wurde auch herausgefunden, dass vor allem bei Männern ein kleineres Fingerlängenverhältnis—der zweite Finger ist als also viel kürzer als der vierte—mit einem höheren Dominanzlevel und größerem Erfolg bei der Fortpflanzung in Verbindung gebracht wird.

Eure Studie hat das aber widerlegt?
Wir haben uns das Fingerlängenverhältnis und die alltäglichen Verhaltensmuster unserer männlichen und weiblichen Probanden angesehen und konnten dabei keine wirkliche Verbindung zwischen dem männlichen Fingerlängenverhältnis und dem Dominanzlevel feststellen. Wir haben jedoch herausgefunden, dass Männer mit einem maskulineren—also kleineren—Fingerlängenverhältnis besser mit Frauen klarkommen und weniger mit ihnen streiten. Dabei handelte es sich um Beziehungspartner, weibliche Kollegen und Freundinnen. Das erklärt vielleicht auch, warum diese Männer mehr Kinder haben und wir hinsichtlich darauf bei den Frauen keine Assoziation feststellten.

Mein Ringfinger ist ein klein wenig kürzer als mein Zeigefinger. Was heißt das jetzt für mich?
Nun, wie viel kürzer denn?

Minimal kürzer.
Das ist dann das weniger typisch männliche Längenverhältnis. Im Allgemeinen weisen Männer mit einem solchen Fingerlängenverhältnis weniger Verträglichkeit und ein höheres Konfliktpotenzial mit Frauen auf als Männer mit einem maskulineren Verhältnis. Natürlich ist jetzt auch nicht jeder Mann mit kleinerem Längenverhältnis freundlicher zu Frauen, da spielen auch noch andere Faktoren mit rein.

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Wie aussagekräftig ist das Ganze?
Ich würde einen Menschen jetzt nicht allein wegen dem Fingerlängenverhältnis in eine Schublade stecken. Es ist jedoch ein interessantes Anzeichen dafür, welchen Hormonen man im Mutterleib ausgesetzt war. Dazu ist es noch interessant zu wissen, dass Männer, basierend auf dem Fingerlängenverhältnis, besser oder schlechter mit Frauen umgehen können. Natürlich gibt es da auch Ausnahmen, deshalb kann man das Ganze nicht als alleinigen Indikator ansehen.

Also hat das alles damit zu tun, dass der Fötus bestimmten Hormonen ausgesetzt ist. Wie ging es für mich weiter, nachdem ich im Mutterleib diese eher nicht so maskulinen Hormone abgekriegt hatte?
Wir nehmen an, dass Hormone im Mutterleib die Gehirnentwicklung beeinflussen können. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass die Gehirn-Scans von Frauen mit einem weiblicheren Fingerlängenverhältnis femininer aussehen. Durch die Wirkung von Hormonen auf die Gehirnentwicklung werden so später auch die Verhaltensweisen der Leute beeinflusst.

Gibt es noch andere Erkenntnisse in diese Richtung?
Am meisten sind die Dominanz und der Erfolg bei der Fortpflanzung betroffen, aber es hat auch Auswirkungen auf das räumliche Vorstellungsvermögen.

Mein räumliches Vorstellungsvermögen ist wirklich nicht so gut.
Ja, es gibt einige Anzeichen dafür, dass Menschen mit maskulinerem Längenverhältnis ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen besitzen als die Leute mit weiblicherem Längenverhältnis.

Ihr habt das verträgliche Verhalten gemessen, indem ihr Komplimente und Lächeln gezählt und ausgewertet habt. Das scheinen mir aber ziemlich oberflächliche Parameter zu sein.
Wir haben Dominanz und Verträglichkeit mit verschiedenen Parametern gemessen. Komplimente und Lächeln sind im Grunde Parameter, die bei anderen Forschungen als Anzeichen für verträgliches oder freundlicheres Verhalten hergenommen wurden. Dominanz würde zum Beispiel durch das Ausdrücken der eigenen Meinung oder den Einfluss auf das Verhalten anderer Leute gemessen werden. Wir haben uns aber vor allem auf verträgliches Verhalten konzentriert und uns für diese Parameter entschieden, weil damit in vorhergegangen Studien der Freundlichkeits- und Verträglichkeitsgrad der Interaktionen mit anderen Menschen gemessen wurde.

OK. Aber woher weiß man, dass sie direkt mit Verträglichkeit zusammenhängen?
Als Maß haben wir das sogenannte Social Behavior Inventory genommen—ein häufig eingesetztes Werkzeug bei dieser Art von Studie, wenn die Probanden über ihre täglichen Interaktionen berichten. Die Gültigkeit wurde in einer Vielzahl anderer Studien bestätigt, bei denen dominantes Verhalten untersucht wurde.

Nun, das ist jetzt ja ziemlich scheiße für mich. Was sagen meine Finger sonst noch so über mich aus?
Ich weiß nur, dass sie etwas über die Androgen-Einwirkung im Mutterleib aussagen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es noch andere genetische Auswirkungen gibt. Ich muss jedoch nochmals betonen, dass das Fingerlängenverhältnis im Durchschnitt mit der Androgen-Einwirkung im Mutterleib zusammenhängt. Das bedeutet jetzt nicht, dass es ein immer zutreffender Hinweis ist.