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Campus, Sex und Ravioli

Studieren in Mindestzeit ist Luxus

Nicht nur faule Säue brauchen länger für ihr Studium. In Wahrheit ist es das einzig Richtige, den Studienabschluss hinauszuzögern.

Ich habe alles, was mit Bildung zu tun hat, in meinem bisherigen Leben ziemlich schnell absolviert. Nach nur 3 Jahren in der Volksschule war ich 8 Jahre im Gymnasium, um dann sofort mit dem Publizistik-Studium zu beginnen. Nach den vorgesehenen sechs Semestern hatte ich den Bachelor in der Tasche. Danach habe ich mich sofort für den Master inskribiert. Während meines Bachelor-Studiums war ich der festen Überzeugung, dass es das höchste Ziel eines jeden Studiosus sein sollte, sich in der vorgegebenen Mindestzeit einen Titel zu holen und die Toleranzsemester nicht einmal annähernd anzukratzen, weil ich dachte, Schnelligkeit wäre ein Maßstab für Erfolg. Mittlerweile hat sich das geändert und es könnte mir nicht egaler sein, ob ich mich heute oder in einem Jahr mit meinem Mastertitel schmücken darf. Dass Uni und Gesellschaft mit der These „Je schneller, desto besser, klüger und wertvoller" absoluten Bullshit von uns fordern, den man nur mit viel Glück, Biss und guter Lebenssituation erfüllen kann, sofern man denn will, erwähnt dabei niemand. Man braucht nämlich nicht nur dann länger für sein Studium, wenn man das fleischgewordene Klischee des faulen Studenten verkörpert, sondern es spielen eine ganze Menge anderer Faktoren mit. Hier die wichtigsten, damit ihr euch alle mal ein bisschen entspannt (oder wegen den richtigen Sachen unentspannt seid).

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Es gibt mehr Studenten als Seminarplätze

Nimmt man sich vor, sein Studium irgendwie in Mindestzeit zu schaffen, bedeutet das in weiterer Folge, dass man nach dem Studienplan vorgehen muss, Übung für Übung systematisch abarbeitet und in jedes Semester so viele Vorlesungen und Seminare wie möglich packt. Was die liebe Uni hier jedoch gern unter den Tisch fallen lässt, ist die Tatsache, dass man nicht in jedem Seminar, für das man sich anmeldet, auch einen Platz bekommt. Die Seminare sind überfüllt und das Angebot an Lehrveranstaltungen ist zeitlich und thematisch gesehen unausgeglichen, was vor allem für Arbeitstätige zusätzlich erschwerend ist.

Aber nicht nur die Knappheit des Lehrveranstaltungs-Angebots macht den strebsamen Studenten das Leben schwer, sondern auch das beschissene Punktesystem, das mich regelmäßig an den Rand des Wahnsinns treibt, ist das Letzte.

Das Punktesystem ist eine eigene Wissenschaft

Als ich im ersten Semester mit dem absurden Punkte-System des Univis-Universums konfrontiert war, wusste ich nicht, wie mir geschah. Ich habe meine 1.000 Punkte wahllos in Hunderter-Schritten verteilt und gehofft, dass sich einer der Tutoren erbarmt und mich in seine Übung aufnimmt. Mit der Zeit habe ich zum Glück gelernt, wie man seine 1.000 Punkte ideal verteilt, um in alle oder zumindest die meisten Wunsch-Seminare zu kommen.

Regel Nummer 1: Niemals gerade oder glatte Zahlen setzen. Setzt zum Beispiel 331 Punkte und ihr seid eurem Widersacher, der noch immer keine Ahnung von diesem perversen Spiel hat, um wahrscheinlich 31 Punkte voraus.

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Regel Nummer 2: Beobachtet über die ganze Anmeldephase hinweg die Zahl der Vormerkungen. So könnt ihr eine Stunde vor Anmeldeschluss die Punkte, von dem Seminar, in dem es ohnehin keinen Teilnehmer-Überschuss gibt, auf das eine beschissene Seminar verschieben, das ihr so dringend braucht. Ihr werdet euch zwar fühlen wie ein heruntergekommener Online Poker-Spieler, aber ihr werdet zumindest nie mehr auf der Warteliste stehen.

Man muss unendlich viele Prüfungen gleichzeitig machen

Wer das absurde Vorhaben namens Mindeststudienzeit trotz all dieser Widrigkeiten noch immer hat, muss sich damit abfinden, pro Prüfungstermin fünf Prüfungen an zwei Tagen zu schreiben und gleichzeitig noch an mindestens einer Seminararbeit zu sitzen.

Das erfordert nicht nur gutes Zeitmanagement und ziemlich viel Interesse am eigenen Studienfach, sondern auch die temporäre Aufgabe des restlichen Lebens. Während die Freunde, die auf ein Semester mehr oder weniger scheißen, Bilder vom Badetag an der Alten Donau auf Instagram posten, ist man damit beschäftigt, im großen Lesesaal der Bib nicht zu schmelzen oder den Fingernagel-Abkauer neben sich im Hitzewahn nicht mit einem Skript zu erschlagen.

Man muss genug Geld haben, um nicht arbeiten zu müssen

Wer sich während seiner Studienzeit wirklich nur aufs Studium (und die wunderschönen Randerscheinungen, nämlich Alkohol, unendlich viel Freizeit und Binge Watching-Marathons) konzentrieren kann, der hat ein schönes Leben. Studieren ist aber in Wirklichkeit nur selten so romantisch wie in eurer Vorstellungund nicht alle Eltern der Welt können es sich leisten, ein Kind so lange durchzufüttern, bis es gnädigerweise seine universitäre Ausbildung beendet hat.

Es gibt genug Studenten, die sich zumindest einen Teil ihres Lebensunterhalts selbst verdienen müssen und da sind zwei kostenfreie Toleranzsemester ohnehin noch sehr knapp kalkuliert. Ein weiterer Faktor, der noch dazu kommt und das Leben der arbeitstätigen Studenten erschwert, ist die Tatsache, dass sogar im Masterstudium die meisten Lehrveranstaltungen am späten Vormittag oder frühen Nachmittag stattfinden. Also zu Zeiten, zu denen die Studenten, die ohnehin schon unter Doppelbelastung stehen, gerade mit Geldverdienen beschäftigt sind.

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Man darf keinen Wert auf Berufserfahrung legen

Berufserfahrung ist beim Studium in Mindestzeit definitiv nicht drin. Wenn man sein Studium schnell abschließen will, bleibt keine Zeit für ein Vollzeit-Praktikum für 300 Euro im Monat. Das Problem daran ist nur, dass man in bestimmten Berufsfeldern—in meinem Fall in der Medienbranche—kaum Chancen auf einen Job jeglicher Art hat, wenn man vorher nicht schon das eine oder andere Praktikum absolviert und zumindest drei selbst geschriebene Zeilen veröffentlicht hat.

Egal, wie ihr es macht—es ist an der Zeit, Prioritäten zu setzen. Ihr müsst entscheiden, ob es euch wichtiger ist, jemandem rein drücken zu können, dass ihr in Mindestzeit studiert habt und ziemlich stolz darauf seid, dass ihr euer Leben so gut im Griff habt, oder ob ihr unterm Strich zwar weniger schnell fertig wart, aber mit Berufserfahrung und einer realistischen Perspektive dasteht. Falls ihr beides ohne Kokain-Abhängigkeit unter einen Hut bekommt, habt ihr meinen tiefsten Respekt.

Verena auf Twitter: @verenabgnr


Titelbild von: via photopin (license)