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William Minke: Eine Fotostrecke über das Mysterium des Vergnügens auf Kreuzfahrten

„End of Crisis“ ist William Minkes neustes Projekt, das ab heute in der Gruppenausstellung „POST“ im Bethanien zu sehen ist und für das er endlose Tage auf Kreuzfahrtschiffen im Mittelmeer und auf der Ostsee verbrachte.

„End of Crisis“ ist William Minkes neustes Projekt, das ab heute in der Gruppenausstellung „POST“ im Bethanien zu sehen ist und für das er im Mai insgesamt 11 Tage auf Kreuzfahrtschiffen im Mittelmeer und auf der Ostsee verbrachte. William ist heimgekehrt mit einem Panoptikum aus psychedelischen Teppichmustern, Forced Fun, David-Lynch-esquen Casinocroupiers und Leo-Interieurs, die der ein oder anderen Puffmutter einen vor Neid ergrünten Schimmer ins Gesicht zaubern würden. Das mit Abstand beeindruckendste Erlebnis scheint aber die Einsamkeit zu sein, die man inmitten von 3999 anderen Menschen empfindet, wenn man sich entschließt, sich ohne Begleitung für mehrere Tage im Rumpf eines Stahlkolosses aufzuhalten. VICE: Hi William, dein letztes Projekt, über das wir uns unterhalten haben, hieß „Love is a battlefield“, weil du dort auf wunderbare Weise die Porno- und Waffenindustrie verbunden hast. Kannst du mir erklären, was hinter dem Titel von „End of Crisis“ steckt?
William Minke: Das ist eigentlich ganz banal. In dem Casino [auf dem Schiff] gab es einen Spielautomaten, der hieß „End of Crisis“, und ich finde, einen Spielautomaten so zu nennen, ist schon ziemlich genial. So hat sich das dann irgendwie eingeprägt. Warst du nur auf einem Schiff unterwegs?
Auf zwei Schiffen. Einmal die „Musica“ und einmal die „Orchestra“. Die haben sich aber eigentlich nur in den Farbtönen und im Muster der Metalle unterschieden.

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Du meinst z.B. die psychedelischen Teppiche?
Diese Teppichmuster auf den verschieden Decks und in den Casinos … Es ist schon ziemlich hart. Also dieses ganze Interieur an Bord …Ich war im Mai vier Tage im Mittelmeer unterwegs und dann noch mal sieben Tage Ostsee im Juni. Und ich bin immer alleine gereist. Also, mit 3000 Passagieren und 1000 Leuten Personal. Das war schon heftig. Aber schließlich hatte ich mir das ja auch so ausgesucht.

Hast du von diesen 4000 Menschen auch mal jemanden näher kennengelernt?
Zwangsläufig. Man sitzt ja jeden Abend mit denselben Leuten am selben Tisch zum Dinner.

Ist das festgelegt?
Ja, man weiß, wo man sitzt. Der Tisch wird einem zugewiesen. Und dann unterhält man sich über das Theaterprogramm vom Vorabend und welche Städte man schon gesehen hat. Diese Zeit nutzt man, um vielleicht auch ein bisschen mit der Bordcrew in Kontakt zu kommen, was nicht immer so einfach ist, weil die natürlich die ganze Zeit am Arbeiten sind. Generell fiel es mir schwer mit der Bordcrew oder den Passagieren einen engeren Kontakt oder irgendeine Gemeinschaft zu finden. Es schien mir ziemlich unmöglich da ranzukommen. Worüber haben die Anderen an deinem Tisch so gesprochen?
Ich fand es auffällig, dass bei beiden Reisen fast alle Unterhaltungen beim abendlichen Dinner irgendwann immer wieder auf das Thema einer tödlichen Katastrophe hinausliefen. Mit großer Begeisterung wurde über zum Teil tödliche Lebensmittelerkrankungen berichtet, die vor kurzer Zeit auf anderen Schiffen ausbrachen. Und natürlich wurde auch über einen möglichen Untergang des Schiffes gesprochen. Mit funkelnden Augen und einem wissenden Lächeln waren sich alle einig, dass niemand so eine Katastrophe auf hoher See überleben würde. Woher kamen die meisten Passagiere?
Es waren hauptsächlich Italiener, würde ich sagen, es ist ja auch eine italienische Flotte, aber danach würde ich sagen, kommen gleich Deutsche, aber auch Franzosen. Also ziemlich gemischt europäisch. Sind dir an den Kreuzfahrttouristen irgendwelche Gemeinsamkeiten oder besondere Charakterzüge aufgefallen, die du häufiger beobachten konntest?
Schwer zu sagen. So ein bisschen ähneln sie sich schon zum Teil von der Kleidung, also dieses Typische … wie man es sich vorstellt, so ein bisschen dieses Weltenbummler-Ding, Poloshirt, sommerlich und immer der Versuch weltmännisch zu wirken. Ich hab die Leute gefragt, was sie vorhaben und warum gerade eine Kreuzfahrt, und viele meinten, dass sie eine stressige Zeit hatten und es sich jetzt gut gehen lassen wollen, und für mich war das ganze Stress … Aber ich glaube, da bin ich der Einzige gewesen, der das so empfunden hat. Für mich ist es auch eine Horrorvorstellung, auf einem Boot gefangen zu sein mit 3999 anderen Menschen …
Es war eine ziemlich krasse Zeit. Und dann kann ich es auch nicht nachvollziehen, dass das irgendwie Spannung oder Vergnügen bereiten kann und wenn du merkst, dass du der Einzige bist, bei dem es nicht so ist, und allen Anderen geht es gut und alle haben Spaß, da fragt man sich auch, was bei einem irgendwie falsch läuft, dass ich das nicht als Vergnügen empfinden kann, so eine Reise zu machen. Ich kenne schon noch einige Andere, die das auch nicht als Vergnügen empfinden würden. Wenn du aber mit 3000 Menschen dasitzt und für alle wird dieses Glücksversprechen eingelöst und für einen selber nicht, denkt man irgendwie auch, da fehlt einem was. Hast du nicht irgendwann mal überlegt, über deinen Schatten zu springen und einfach bei einer Polonäse mitzumachen, um der Einsamkeit zu entfliehen?
Ich bin eigentlich nicht so der Fan von riesigen Menschenmassen, also, ich bin jetzt auch nicht der Festivalgänger, und gerade wenn es um so gruppendynamische Sachen geht wie Polonaise, das ist irgendwie nicht meins. Kannst du uns zum Abschluss trotzdem einen Tipp geben, wie man aus so einer Kreuzfahrt das Beste machen kann? Eine Überlebenshilfe für Leute, die nix von Polonäse und Miss-Kreuzfahrt-Wahlen halten?
Also, diese Muster, diese Farben und dann dieser Geruch von Reinigungsmittel und Parfum machen einen irgendwann fertig. Die einzige Chance, sich nicht von Deck 7 auf die Teppichmuster von Deck 6 zu stürzen, war, das Servicelächeln ernst zu nehmen. Auch wenn es vielleicht aufgesetzt war, fand es ja tatsächlich statt. Die haben das ja wirklich in diesem Moment exklusiv für mich gemacht. Ausstellung der Absolventen der Postgraduiertenklasse
Eröffnung 02. Oktober 2013 19.00 – 23.00 Uhr
Öffnungszeiten 03. – 07.10.2013 12.00 – 20.00 Uhr
Ort Kunstquartier Bethanien, Projektraum Mariannenplatz 2 10997 Berlin-Kreuzberg
www.post-exhibition.com