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Heulsuse der Woche

Diese Woche: Der AfD-Politiker, der sich nicht mit Markus Lanz verträgt gegen den Bürgermeister aus dem Westerwald, den es traurig macht, dass schwule Küsse keine Straftat mehr sind.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertig werden.

Heulsuse #1: Bernd Lucke

Der Vorfall: Markus Lanz provoziert den AfD-Politiker mit Fragen über Mindestlohn und Homo-Ehe.

Die angemessene Reaktion: Er bleibt cool und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Die tatsächliche Reaktion: Er ist streng beleidigt und fühlt sich unfair behandelt.

Am Dienstagabend ist der erfolgreiche Euroskeptiker Bernd Lucke zu Gast bei Markus Lanz. Doch obwohl er schon einmal in der Sendung aufgetreten ist, scheint der AfD-Politiker und Bierverächter mit den Fragen des für seinen knallharten Polit-Talk bekannten Showmasters überfordert zu sein.

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Lanz—dessen Arsch, wie immer, wenn er besonders engagiert einen Gast bearbeitet, nur noch zu einem Bruchteil den Sessel, auf dem er sitzt, berührt—stellt Lucke Fragen zum Thema Mindestlohn und Homo-Ehe. Dabei versucht Lanz dem AfD-Politiker unverschämter Weise zu unterstellen, dass er gegen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare sei, obwohl er doch eigentlich dafür ist—solange das zu adoptierende Kind das leibliche Kind eines der beiden Partner ist. Auch beim Thema Flüchtlingspolitik fühlt sich Lücke zunehmend missverstanden und beschwert sich darüber, dass Lanz ihn unter Druck setzt und einfach nicht ausreden lässt.

Auf Lanz’ letzte Frage, warum er immer so schnell genervt sei, antwortet Lucke: „Warum kann ein Talkmaster nicht fair mit einem Gast umgehen?“ Weder Publikum noch die Presse haben großes Mitleid mit ihm. Lucke hat übrigens schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er mit direkten Fragen vor laufender Kamera nicht sonderlich gut umgehen kann. Immerhin ist er dieses Mal nicht aus dem Studio geflüchtet.

Heulsuse #2: Sven Heibel

DIESER CDU-Politiker will Homosexualität wieder strafbar machen. Noch Fragen? #SvenHeibel pic.twitter.com/J06RTTFGIV

— Timo Lokoschat (@Lokoschat) 12. Juni 2014

Der Vorfall: Der §175, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, wurde vor 20 Jahren abgeschafft.

Die angemessene Reaktion: Freude, oder zumindest Akzeptanz—auch seitens eines CDU-Politikers.

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Die tatsächliche Reaktion: Er beklagt auf Facebook, dass es den Paragraphen nicht mehr gibt.

Man hat es nicht einfach als Christenmensch in Deutschland. Überall Schwule. Politiker outen sich, Fußballer ebenso, und Menschen desselben Geschlechts küssen sich auf offener Straße, sogar wenn Kinder dabei sind. Sven Heibel, überzeugter Christ, Ortsbürgermeister von Herschbach im Westerwald und zusätzlich Beisitzer im Landesvorstand der Jungen Union in Rheinland-Pfalz, wollte diese bedauernswerte moralische Verwahrlosung nicht länger kommentarlos auf sich wirken lassen und schritt zur Tat.

Vor 20 Jahren wurde der §175 aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen, der bis 1994 homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte. Der studierte Jurist Heibel fragte aus diesem Anlass auf seiner Facebook-Seite, ob die Abschaffung des Gesetzes wirklich ein Grund zum Feiern sei und postete ein Foto seiner privaten Ausgabe des StGB, in die er den fehlenden §175 feinsäuberlich eingeklebt hat.

Kurz darauf bricht ein Shitstorm aus, dessen Intensität den ahnungslosen Bürgermeister „etwas überrascht“. Gegen die Anfeindungen wehrt er sich mit Bibelverweisen und versucht, seinen Standpunkt damit zu rechtfertigen, dass Homosexualität in vielen anderen Ländern strafbar sei. Die CDU in Rheinland-Pfalz distanziert sich daraufhin von Heibel, der nun verzweifelt versucht zu retten, was noch zu retten ist. Nur macht der Hinterwäldler aus dem Westerwald damit leider alles noch schlimmer.

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Im Interview mit dem SWR spricht sich Heibel dagegen aus, den Schwulen allein fürs Schwulsein einzusperren, aber auch dafür, den öffentlichen Austausch von Zärtlichkeiten zwischen Männern rigoros einzuschränken, weil er schwule Küsse „einfach nicht schön“ finde. „Ich will niemanden diskriminieren, aber wir haben eine Schutzpflicht für unsere Kinder“, äußert sich der besorgte Bürgermeister. Außerdem stört er sich daran, „dass der Schwule glorifiziert“ werde, und wünscht sich für die Zukunft, dass von den Medien um das Outing eines Prominenten, wie im Fall von Thomas Hitzlsperger „nicht mehr so ein Hype gemacht“ werde.

Seinen Posten bei der Jungen Union ist Heibel inzwischen los. Das Amt als Bürgermeister muss er ebenfalls abtreten, allerdings nicht wegen seiner homophonen Äußerungen, sondern weil er die letzte Wahl verloren hat.

Hier könnt ihr abstimmen:

Wer ist die größere Heulsuse? Letzte Woche: Der eifersüchtige Affe, der dem neuen Affenbaby den Arm abgebissen hat, gegen den Professor, der spielende Kinder mit einer Waffe bedroht haben soll.

Der Gewinner: Der schießwütige Professor!