Öffentliche Bilder und die öffentliche Meinung sind das multimediale Traumpaar des Internet-Zeitalters, das sich gegenseitig immer wieder zu neuen aufklärerischen Höchstleistungen antreibt. Und wenn Bilder mächtig und kriegsentscheidend sein können, dann kann eine Geste wie ein ausgestreckter Finger die Empörungserregung Deutschlands schneller kippen lassen, als du „Varoufakis” sagen kannst.
Genau deswegen brauchen wir Medienhacker wie Jan Böhmermann, die auf die Manipulation der öffentlichen Meinung (Pleitegriechen!) mit manipulierten Bildern reagieren und genügend wohlige Verwirrung streuen, um den Wutbürger kurz zum Innehalten zu bewegen.
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Medienhacker können die Bigotterie der modernen Medienöffentlichkeit entlarven und unsere immer unkritischere Aufmerksamkeitsökonomie in Frage stellen—ähnlich, wie Max Headroom die Hype-Kultur der 80er Jahre durch den Kakao zog.
Der Finger ist echt, und Böhmermann ist ein verdammtes Genie
Denn ob der Finger echt ist oder nicht, ist, Überraschung: nicht relefant. Was eigentlich zählt, ist die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch das Überspitzen falscher Feindbilder. Wie leicht sich der allgemeine Deutsche Zuschauer auf die Palme bringen lässt, ist letztlich auch ein Indikator für die geistige Reife unserer angeblich so gefestigten Gesellschaft.
Bild: zdf.de
Gerne möchten wir hier die Gelegenheit nutzen, um Jan Böhmermann und seinem Team weiteres Bildmaterial zur manipulativen Umdeutung anzudingen—damit in die festgefahrenen und längst nicht mehr rationalen Diskussionen endlich wieder Bewegung kommt.
- Jürgen Trittin (mit falschem Bart) legt heimlich Autokrallen auf Teilstücken der A3 ohne Geschwindigkeitsbegrenzung aus. Das Material stammt von einer Dashcam. Auf seinen vermeintlichen Umweltterrorismus angesprochen, behauptet er entrüstet, aber vieldeutig bei Maischberger: „So ein Bart wächst mir überhaupt nicht!” Endlich wurde bewiesen, dass die Ökos uns wirklich alles madig machen wollen—auch noch den urdeutschen Sehnsuchtsort Autobahn.
- Al-Baghdadi wird mit einer Handkamera gefilmt, wie er mit sexy Hüftschwung ekstatisch einen Security-Mitarbeiter auf einem Londoner Pet-Shop-Boys-Konzert antanzt und ihm verschwitzt ins Ohr raunt. Das Video geht viral, Baghdadi wird unter Folter zu seinem Coming-Out gezwungen, der IS implodiert führer-, orientierungs- und kopflos wie eine Sami Slimani-Satire. Die besetzten Gebiete werden an den Irak zurückgegeben, die Splittergruppe „Anonyme Kunstfreunde im ehemaligen Islamischen Staat” hilft beim minutiösen Wiederaufbau von Nimrod und Hatra mit und streicht die geflügelten Löwen zu Ehren der Pet Shop Boys rosa.
- Nachtsichtkamera: Ein Flüchtling vom Oranienplatz reißt heimlich Zettel mit Jobinseraten von den Kreuzberger Straßenecken ab. Der endgültige Beweis, dass Flüchtlinge uns die Arbeitsplätze wegnehmen oder doch nur Kevin-Prince Boatengs pöbelnder Samstagnachtspaziergang durch Berlin?
- Obama, beim Unterzeichnen des Vertrags der BRD GmbH (entlarvt durch eine hochkomplexe Analyse eines völlig verpixelten Dokuments durch Günther Jauchs „Netzexperten”). Es entspinnt sich eine hitzige Diskussion auf Youtube und unter Vaterlands-besorgten Anonymous-Aktivisten, die alles über die gedankliche Unabhängigkeit deutscher Bürger beweist: IST OBAMA ALSO DOCH EIN REPTILOID?!?
- 100%ig identifiziert dank Gesichtserkennung: Der Leiter der Amidou-Adriano-Stiftung wird von der Überwachungskamera im örtlichen Lidl gefilmt, wie er mit einem Baseballschläger packungsweise Negerküsse kaputthaut. Und das, nachdem man doch schon in Kinderbüchern nicht mehr Neger sagen durfte! Jetzt ist endgültig klar, wie gewalttätig Traditionen unsere jahrhundertealten deutsche Leitkultur kaputt gemacht werden sollen.
- Ein verhängnisvolles Let’s Play: Anita Sarkeesian, die sich durch #Gamergate ins Licht der Öffentlichkeit drängelte, spielt einen First-Person-Shooter, in dem der männliche Protagonist erschossen wird und macht umgehend ein Geräusch, das vielleicht ein Lachen gewesen sein könnte. Endlich Aufatmen in der unterdrückten Männerrechtsfraktion: Diese brutale Aktion belegt, dass die blöde Schlampe Männer hasst!
Und letztlich wollen wir noch Danke sagen für den großartigen Coup, dem Lutz Bachmann-Double ein Hitlerbärtchen anzukleben. Weiter so, Jan, bald sind wir ihn los!