Wir haben gestern sehr viele dumme Aktionen und Reaktionen zum Weltfrauentag gesammelt. Sehr viele. Die FPÖ-Frauen haben dann noch nachgelegt, indem sie zum „genderfreien Jahr” aufgerufen haben, aber das wäre wieder ein eigener Artikel gewesen. Viele fanden zum Beispiel auch das schlecht gephotoshoppte Bild der Polizei schlimm, ich fand es ganz nett.
Ja, viele Rosen und warum ein Ballkleid, aber können wir einem Beamten vorwerfen, dass er am Standrechner nur Paint und offensichtlich sehr schlechten Geschmack hat? Ich finde nicht. Es war gut gemeint. Wir wissen, was das meistens bedeutet. Was nicht gut gemeint war und mich viel zu sehr zur Weißglut treibt, sind zwei Artikel, die anlässlich des Weltfrauentages von Frauen geschrieben wurden. Ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des Biber und einer auf News.at. Sie sind beide rückschrittlich und machen meine Mascara vor Heulen beim Lesen kaputt. Aber zum Glück kann ich mich nachschminken. Danke Gesellschaft.
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Der News-Artikel „Warum es fabelhaft ist, eine Frau zu sein” widmet sich den positiven Seiten des Frauendaseins. Weil es aber nicht nur positive Seiten gibt, zählt die Autorin am Anfang schnell auf, warum es auch scheiße sein kann, eine Frau zu sein: „Gewalt, weniger Geld, karrieretechnische Barrieren. Ganz schön deprimierend!” Aber das macht alles nichts, schließlich führt sie dann 11 Punkte an, die zeigen sollen, dass ein Frauenleben eigentlich doch sehr super ist.
„1. Wir können Schönheitsmakel wegschminken.
… Diese Schummelei ist gesellschaftlich voll akzeptiert. Da haben’s die Männer nicht so gut: Die müssen mit ihren Wimmerln, Augenschatten und großen Nasen einfach leben.”
Ich fände es wunderbar, könnten Frauen einfach zu ihren „Fehlern” stehen. Zu Imperfektion, zu Unreinheiten und großen Nasen (überhaupt: was???). Sich zu schminken ist kein Privileg, das Frauen genießen dürfen und Männer nicht.
„2. Wir bekommen die besten Parkplätze in der Garage.”
Frauenparkplätze gibt es nicht, weil Frauen mit ihren Highheels und vielen Einkäufen nicht so weit zu ihrem Auto gehen können. Frauenparkplätze sind oft näher am Ausgang, heller beleuchtet und Videoüberwacht, damit sich Frauen, hauptsächlich abends und nachts, sicherer fühlen. Sicherer vor dem Punkt, der in der Einleitung schnell abgehandelt wurde: Gewalt.
Die weiteren Punkte sind unter anderem: „Wir haben ganz viel Auswahl beim Shoppen”, „Wir können in der Öffentlichkeit weinen, ohne peinlich zu sein”, „Wir werden hofiert” und „Wir haben einen monatlichen Freibrief zum Zickig-Sein”.
Der Artikel haut mit den Geschlechter-Klischees nur so um sich. Männer stehen auf geile Autos und sind peinlich, wenn sie in der Öffentlichkeit heulen („Doch stellen Sie sich mal vor, die schluchzende Heulsuse wäre der Typ im Sessel nebenan. Und seine Freundin müsste ihn dann an ihre Schulter nehmen—nein, nein, das geht gar nicht!”). Die Frauenwelt besteht hingegen aus Elles aus Natürlich Blond und Chers aus Clueless! Frauen schminken sich gerne, Shoppen gerne und aus therapeutischen Zwecken („Frauen können sich beim Einkaufen trösten, belohnen, Spaß haben. Männer? Können zwischen blauen und weißen Hemden wählen. Gähn.”). Frauen nutzen ihre Tage als Ausrede, um zickig sein zu können. Laut der Autorin müssen wir Frauen uns beim Autofahren außerdem nicht stressen, sondern können Staus viel besser nutzen, um uns nachzuschminken oder zu telefonieren. Es gab in den 1970ern einmal eine Werbung, die genau solche Klischees verwendet hat. Heute lachen wir über die Werbung.
Der Biber-Arikel arbeitet mit sehr ähnlichen Klischees und Verallgemeinerungen. Frauen brauchen einen harten Kerl: „Im Kindergarten nur Kindergärtnerinnen, in der Schule nur Lehrerinnen und zu Hause—oft auch nur Mama … Unsere Nachwuchsmänner in Deutschland und Österreich werden seit geraumer Zeit also nicht nur verweichlicht, sondern verweiblicht.” Die Autorin freut sich darüber, dass es in Österreich noch die Wehrpflicht gibt, denn wenigstens das Militär fühle sich berufen, den Mann zu stählen.
Dann fragt die Autorin in der Redaktion, was sich Frauen von Männern erwarten. „Die jüngste biber-Redakteurin kichert: ,Ehrlich gesagt, wenn sich ein Mann für mich schlägt, fände ich das sexy.’ Da haben wir es.” Was haben wir da? Dass sich fünf Frauen einig sind, es toll zu finden, wenn sich ein Mann für sie prügelt? Kann die Frage auch einmal jemand in der Redaktion vom Standard oder der Presse stellen? Und News? Oder in einer Sparfiliale, einer Uni, in einer Bank oder auf Twitter? Dann sagt die Autorin noch, dass wir (also wir Frauen alle) insgeheim gar nicht so stark sein wollen, wie wir tun. „Wir wollen uns sicher fühlen. Harte Schale, weicher Kern. Das sind wir Frauen heute.”
Natürlich gibt es Frauen, die sich gerne schminken, es gibt Frauen, die gerne in Highheels herumlaufen, es gibt Frauen, die gerne Pink tragen, es gibt Frauen, die shoppen gehen, damit es ihnen besser geht und Frauen, die sich einen starken Beschützer wünschen. Aber es gibt auch Frauen, die keinen starken Beschützer brauchen, sondern vielleicht generell auf Zivilcourage in der Gesellschaft hoffen. Es gibt Frauen, die lieber flache Schuhe tragen, Frauen, die keine Lust darauf haben, sich zu schminken und Frauen, die ihre Regel nicht dazu nutzen, um eine Ausrede dafür zu finden, zickig zu sein. Zickig ist generell ein Wort, das verboten gehört, weil es nur für Frauen verwendet wird.
Ich bin gerade zickig und hey, ich hab nicht meine Regel. Das Schöne am 21. Jahrhundert und Weiterentwicklung ist, dass wir Frauen ganz offen keine homogene Masse ausmachen müssen. Wir können Pink tragen und sind deswegen kein Rückschritt für den Feminismus. Für alle Frauen aber zu verallgemeinern, dass sie sich während eines Staus lieber schminken, ist sehr wohl ein Rückschritt für den Feminismus.
Hanna auf Twitter: @HHumorlos.