Für die Spieler und Fans von Borussia Dortmund könnte die Ausgangssituation vor dem Europa-League-Spiel gegen den aserbaidschanischen Klub FK Qäbälä kurioser nicht sein. Wenn der BVB am Donnerstag in Aserbaidschan zum dritten Gruppenspiel antritt, fehlt jeweils ein Leistungsträger auf beiden Seiten.
Dem BVB muss ohne Henrikh Mkhitaryan antreten. Der Dortmunder Offensivstar trat die Reise ins fast 4.000 Kilometer weit entfernte Baku wegen Sicherheitsbedenken, wie der Verein mitteilte, erst gar nicht an. Hintergrund sind die politischen Spannungen zwischen Aserbaidschan und Mkhitaryans Heimatland Armenien. Beide Länder streiten immer noch um die Region Bergkarabach, um die sie sich schon zwischen 1992 und 1994 bekriegten.
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Ein bisschen Stress wurde den Edelkickern der Borussia wenigstens erspart. Das Spiel findet nicht in dem 13.000-Einwohner-Dorf Qäbälä, sondern im 220 Kilometer entfernten Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, statt. Dem FK Qäbälä fehlt zudem ihr Kapitän und Star-Spieler Javid Hüseynov. Er sitzt wegen einer angeblichen Beteiligung an einem Mord im Gefängnis.
Der aserbaidschanische Fußball-Star Javid Hüseynov feierte Anfang August den 1:0-Gewinn in der Europa League-Qualifikation von Qäbälä über Apollon Limassol mit einer Flagge der Türkei. Limassol gehört auf der geteilten Insel Zypern zur südlichen Republik Zypern, im Norden liegt ein von der Türkei kontrolliertes und nur von ihnen anerkanntes Gebiet. „Die Türken sind meine Freunde”, sagte Hüseynov den Journalisten nach dem Spiel und machte eine unhöfliche Geste. Eine weitreichende Provokation.
Der aserbaidschanische Journalist Rasim Aliyev, der für die News-Website ann.az arbeitete, kritisierte den Vorfall daraufhin auf seiner Facebook-Seite: „Ich will nicht, dass wir in Europa durch einen solch unmoralischen und unfreundlichen Spieler, der sich nicht kontrollieren kann, repräsentiert werden.”
Danach veröffentlichte er noch, dass sich der in Aserbaidschan beliebte Stürmer-Star bei ihm gemeldet habe. „Hüseynov erzählte mir, dass seine Gesten nicht beleidigend waren, sondern vielmehr die Freundschaft zwischen der Türkei und Aserbaidschan zum Ausdruck brachten.” Dann wurde Aliyev von einem Mann, angeblich einem Verwandten von Hüseynov, angerufen, der sich mit ihm treffen wollte, um die Kritik zu besprechen.
Sie sprachen jedoch nicht, sondern Aliyev wurde von sechs oder sieben Personen zusammengeschlagen und mit mehreren Rippenbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert. „Als ich ihm meine Hand anbot, um ihn zu begrüßen, griffen sie mich von hinten an und verprügelten mich. Es waren sechs oder sieben von ihnen, aber ich habe nicht ihre Gesichter sehen können. Sie schlugen mich überall am ganzen Körper”, erklärte er noch am Abend einem Nachrichtensender. Am Sonntagmorgen starb er an seinen inneren Blutungen.
Daraufhin wurden mehrere Verdächtige festgenommen. Unter Ihnen auch Hüseynovs 21-Jähriger Cousin Elshan Ismailov. Der Stürmer-Star selbst wurde von seinem Verein suspendiert, „obwohl er ein sehr wichtiger Spieler in unserem Team ist”. Anschließend kam er in Untersuchungshaft, weil er scheinbar von dem Mord gewusst haben soll. Der FK Qäbälä teilte mit, dass der Verein sehr betrübt sei, dass Hüseynovs Namen in Zusammenhang mit diesem Vorfall erwähnt wird. „Niemand hat das Recht andere Menschen zu bedrohen und zu verletzten”, erklärten sie in einer Stellungnahme.
Hüseynov äußerte sich ebenfalls auf Facebook zum Tod des Journalisten. „Ich bin sehr traurig über Rasim Aliyevs Tod”, schrieb er. „Die Leute sagen, dass meine Freunde ihn umgebracht haben, aber das ist nicht der Fall. Ich würde es niemals zulassen, dass wegen mir jemand getötet wird.”
Selbst Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew, sagte zu dem Vorfall, dass er „sehr besorgt” sei und es eine „Bedrohung für die Meinungsfreiheit” gibt. Angesichts der strikten Verfolgung von kritischen Journalisten und der Tatsache, dass das autoritäre Regime Aserbaidschan auf Platz 162 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt, sind diese Aussagen grotesk und lächerlich.
Hüseynov, der aufgrund seine Popularität eigentlich vom Regime als unantastbar gilt, wird während des Spiel gegen den Favoriten aus Dortmund im Gefängnis sitzen. Seine Schuld oder Unschuld ist noch nicht bewiesen. „Wir hoffen, dass die Angelegenheit bald geklärt ist und er in Freiheit kommt”, sagte Qäbäläs Sportdirektor Tony Adams dem Kicker. Bis dahin ist Hüseynov noch „suspendiert” und der BVB bestimmt froh, wenn sie den Aserbaidschan-Trip hinter sich gebracht haben.
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