Die Fans des 1. FC Köln und ihr Verein haben eine sehr spezielle Verbindung zueinander. Ein Verhältnis, das man als Nicht-Rheinländer nur schwer nachvollziehen kann. Vielleicht nur noch, wenn man das Privileg hat, selber Fan einer Fahrstuhl-Mannschaft zu sein und gefühlte Nahtod-Erfahrungen zum Ende der Saison nachempfinden kann. Bei den Kölner schlagen die Amplituden noch mal eine Ecke härter aus, aber was sollen sie machen, der Effzeh ist nun mal ein Karnevalsverein und seine Anhänger sind stolz darauf.
Umso bemerkenswerter ist es, dass der neue Präsident Werner Spinner und der österreichische Trainer Peter Stöger eine Ruhe ins Umfeld gebracht haben, für die wohl alle FC-Fans dankbar sind. Außer vielleicht die Ultra-Gruppe Boyz, die sich zuletzt in Mönchengladbach als Malermeister versuchte und gleich mal vom Verein ausgeschlossen wurde. Ja, die Kölner sind anscheinend nicht nur Frohnaturen. Das hat auch AfD-Chef Bernd Lucke am Samstag erfahren. Im ICE von Berlin nach Köln haben ihn FC-Fans als Nazi bezeichnet und ihn aufgefordert, den Zug zu verlassen. Kann man definitiv so machen.
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Wir haben uns gefragt, wie Köln-Fans so ticken und haben sie vor dem Auswärtsspiel in Berlin aufgespürt.
Woher kennt ihr euch?
Jens: Wir haben uns beim Auswärtsspiel in Hoffenheim getroffen und haben uns jetzt das erste Mal wieder getroffen.
Was war denn das beste Auswärtsspiel, bei dem ihr dabei wart?
Na, Hoffenheim. Wir haben 4:3 gewonnen.
Pitter: Wobei ich auch sagen muss, dass Schalke richtig geil war. Zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder dort zu gewinnen. Um einen herum nur aufgebrachte Schalker, die dachten, dass es ein Spaziergang gegen den FC wird. Und dann haben sie es gegen uns verkackt. Das war schon schön.
Was macht einen Köln-Fan aus?
Ganz klar: Dat Jefühl. Ein Köln-Fan muss leidensfähig sein. Ich sage als Jux zu einer Frau immer, dass er perfekt geeignet ist für eine lange Ehe.
In Köln wird ja auch gerne über die Europa League gesprochen, wenn man 4:3 in Hoffenheim gewinnt. Meint ihr das dann ernst?
Wenn wir heute in Berlin gewinnen, dann ist die Europa League immer noch drin. Nein, Spaß. Wir wissen schon, dass wir einen Dötsch haben. Aber damit kokettieren wir auch.
Jens: Die Leute machen sich auch selber darüber lustig.
Obwohl Köln diese Saison souverän im Mittelfeld steht, wirken alle relativ unaufgeregt.
Pitter: Das ist der Vorstand, der eine super Kultur reingebracht hat. Die FC-Fans wissen diese Nüchternheit wirklich zu schätzen.
Jens: Diese Wiener Schmäh von Stöger passt auch super zu Köln. Als er zu dem Slalom-Tor von Hector im letzten Spiel gefragt wurde, meinte er: „Der Schuss war schon abgefälscht, ne?”
Seid wann seid ihr Köln-Fans?
Dennis: Seit der Geburt. Wir sind aus Köln, da gibt es keine Alternative.
Als Köln-Fan hat man es aber nicht immer leicht, oder?
Das stimmt. Vor allem, wenn man so alt ist wie wir, dann hat man eher die Abstiege miterlebt.
Diese Saison läuft es ja ziemlich gut. Trotzdem scheint die Stimmung in Köln ziemlich sachlich zu sein. Früher hatte man immer das Gefühl, dass man in Köln bei zwei Siegen in Folge direkt auf die Europa League geschielt hat.
Katharina: Der Kölner an sich ist sehr emotional—bei allem. Es ist bei uns normal, dass die Höhen und Tiefen sehr emotional erlebt werden.
Wie erklärt ihr euch denn, dass die Mannschaft so souverän im Mittelfeld steht?
Dennis: Seit die neuen Führungskräfte da sind mit dem Präsidenten Werner Spinner und dem Trainer Stöger, ist alles ein wenig rationaler geworden. Die haben viel Ruhe reingebracht, was auch auf die Mannschaft abgefärbt ist. Das war sehr wichtig.
Dafür rasten aber einige der Ultras aus.
Ja, ein leidiges Thema. Aber das Problem haben ja nicht nur wir. Es ist zwar immer eine relativ kleine Gruppe, die auf der anderen Seite die Choreos organisieren, den Capo stellen und für die Stimmung sorgen.
Könnt ihr verstehen, dass der Verein die „Boyz” ausgeschlossen hat?
Ja, auf jeden Fall. Beim Freundschaftsspiel gegen Schalke gab es in der Innenstadt auch eine Messerstecherei. Das hat mit Fußball nichts zu tun. Wenn sie meinen, dass sie einen Hass gegen Gladbach haben müssen—ja ok. Aber Leute zu verletzten oder Pyros in den Block zu werfen, geht nicht. Die wissen auch, dass der Verein bei jedem neuen Vorfall dick Strafen zahlen muss.
Katharina: Ich weiß nicht, ob sie das verstehen, aber die schaden dem Verein damit wirklich.
Dennis: Ich habe auch eine Karte für den Block, der gesperrt wurde. Also—absolut kein Verständnis.
Warum bist du Köln-Fan?
Anja: Ich bin so halber Köln-Fan. Eigentlich bin ich Schalke-Fan.
Wie bist du dann Schalkerin geworden?
Der beste Freund von meinem Vater ist Schalker. Und vor vielen vielen Jahren gab es mal Mike Hanke bei Schalke und ich war ein riesiger Mike-Hanke-Fan. Als Schalke mal ein Freundschaftsspiel in meiner Heimatstadt Weimar gemacht hat, habe ich ein Foto mit Mike Hanke bekommen. Seitdem bin ich Schalke-Fan.
Aber was heißt, du bist ein halber Köln-Fan?
Mein Vater ist Köln-Fan. Deswegen sympathisiere ich auch mit ihnen. Ich war letztes Jahr auch beim Aufstiegsspiel in Köln dabei.
Kennst du dich denn gut mit dem 1 FC. aus?
Ja, schon. Der FC ist ja ein Traditionsverein und einer der Gründungsvereine der Bundesliga, sie waren sogar der erste Meister in der Bundesliga.
Dein Vater hat dir wohl viel beigebracht.
Ja, er fährt auch immer öfter zu den Spielen nach Köln. Bei jedem Auf- und Abstieg gibt es auch immer viele Freuden- und Trauertränen.
Kommst du aus Köln?
Evagelos: Ich bin in Bonn geboren, aber wohne jetzt in Wesseling bei Köln.
Hast du diese Saison viele Auswärstfahrten mitgemacht?
Das ist jetzt meine vierte diese Saison. Ich versuche immer, weiter weg zu fahren. Ich war auch schon in Hamburg und München. Und noch Gladbach.
Wie hast du die Szenen der Ultras am Ende des Spiels gesehen?
Das war natürlich nicht schön. Es war auch klar, dass es eine Strafe geben würde. Das war auch verdient, weil es schon viele Ausschreitungen gab.
Findest du es in Ordnung, dass gegen Hoffenheim ein Block leer stehen musste?
Joa, ich finde es schon ok. Wir haben es eigentlich mal verdient.
Viele sagen, dass es unfair ist, dass wegen ein paar Chaoten der ganze Verein und andere Fans leiden müssen.
Es war einfach ein paar Mal zu oft. Ich unterstütze zwar harte Strafen nicht, aber irgendwie kann ich es nachvollziehen.
Kommst du aus Köln?
Sebastian: Mmh, joa, Köln, NRW.
Was denn nun?
Wir kommen aus der Ecke Duisburg.
Gibt es da nicht viele andere Alternativen in der Umgebung? MSV, Gladbach oder Düsseldorf zum Beispiel?
Viele sind Gladbach- oder Duisburg-Fans. Wir dachten, wir brauchen was eigenes, und dann sind wir Köln-Fans geworden. Wir haben mit Hennes das einzige lebende Maskottchen in ganz Deutschland.
Tierschützer haben sich ja drüber aufgeregt, dass Anthony Ujah den Hennes ziemlich rangenommen hat.
Ja, das habe ich gelesen. Aber wie die Verantwortlichen bei Köln und der Betreuer von Hennes auch gesagt haben, macht das dem Hennes nichts aus. Der hat einen starken Nacken, das macht dem gar nichts.
Seid ihr Kölner?
Fabian: Hürth-Efferen bei Köln.
Im Umkreis von Köln gibt es ja einige Optionen. Warum wird man ausgerechnet Köln-Fan?
Man sucht sich das ja nicht aus. Zu der Zeit, als ich Köln-Fan geworden bin, sah die Welt auch noch rosiger aus.
Wann war das? In den Sechzigern? Kleiner Scherz.
Ne, das war Ende der 80er. 1991 standen sie hier mit Christoph Daum im DFB-Pokalfinale. Das waren noch schöne Zeiten.
Aber diese Saison kann man sich als Kölner auch nicht beschweren.
Ja, zumindest haben wir dieses Karnevals-Image im negativen Sinne los.
Wie hat der Verein das deiner Meinung nach geschafft?
Richtige Personalentscheidungen, keine Selbstdarsteller mehr an der Spitze und ein ruhiges Umfeld.
Man hat das Gefühl, dass die Kölner entweder so ein Kampf-0:0 spielen oder ab und zu mal ein 4:3 in Hoffenheim einstreuen. Wie erklärst du dir diese Ausreißer?
Die Saison ist davon geprägt, dass der FC immer dann die Spiele gewinnt, wenn sie in Rückstand liegen und mit dem Rücken zu Wand stehen. Anscheinend sind sie nur erfolgreich, wenn sie Druck haben.
Dafür sind sie aber bisher sehr solide durchgegangen.
Ja, Platz 15 war das Ziel. Jetzt stehen sie auf Platz 11. Das ist sowieso eine Kölsche Zahl, insofern beschwert sich da keiner.
Wohnst du in Köln?
Johannes: Ne, ich komme aus Köln, aber ich wohne in Hamburg.
Bist du häufig auf Auswärtsspielen?
Immer wenn ich es schaffe. Du kennst ja bestimmt die Zeilen aus unserer Vereinshymne. „Üvverall jitt et Fans vom FC Kölle”.
Hattest du nie die Versuchung, den Verein zu wechseln?
Ne, es gibt nur einen Verein. Das ist der 1. FC Köln. Da wirst du mit geboren oder kommst als Kind dazu und das bleibt ein Leben lang.
Wie viele Nerven hast du schon verloren?
Wie oft sind wir abgestiegen? Fünf Mal? Ich sag mal so, wenn man auf den Schal guckt, dann sind die letzten Titel auch eine Weile her.
Ich bin Arminia-Bielefeld-Fan. Ich kann das nachempfinden. Außer die Sache mit den Titeln.
Ach, ihr kommt schon wieder hoch. Die Frage ist nur, wie lange ihr da bleibt. Die Gefahr ist, dass die Traditionsvereine verschwinden und die Kommerzvereine wie Ingolstadt, Hoffenheim oder Wolfsburg sich oben festsetzen. Es kann passieren, dass bald in der zweiten Liga nur noch Vereine wie Frankfurt, Köln, Hamburg, Stuttgart oder Bielefeld stehen.
Glaubst du, dass die Traditionsvereine wirklich so verdrängt werden? Am Ende braucht es ja auch die Unterstützung der Fans.
Das ist richtig, viel hängt auch vom Marketing ab. Die Wolfsburg-Fans sagen, dass es irgendwann mal auch eine Vereinsgründung gab, aber im Grunde ist er auch ein Retortenverein, der hochgezogen wurde. Die haben mittlerweile sehr viele Fans in Südamerika, weil sie da sehr viele Spieler geholt haben und viel Marketing machen. Wenn du so erfolgreich werden willst wie Real oder Barcelona, dann musst du weltweites Marketing betreiben. Das macht der FC jetzt auch in Japan. Es darf nur nicht zu kommerziell werden, du musst eine gesunde Basis haben.