Wie der Fanverein AFC Wimbledon seinen Ursprungsklub nach 14 Jahren demütigt

Letzte Saison hatte man in England mit Leicester City ein kleines Fußballmärchen. Nur während der Verein aus den Midlands in diesem Jahr mit den zu erwartenden Problemen zu kämpfen, wächst in den unteren Ligen seit längerem ein neues Wunder: Der AFC Wimbledon. Die stehen zurzeit auf dem siebten Tabellenplatz in der drittklassigen Football League One. An und für sich nichts Besonderes, sollte man meinen. Der Platz im grauen Tabellenmittelfeld bekommt aber besondere Bedeutung, wenn der Blick auf den 19. Platz herunter wandert. Dort steht mit MK Dons die Ursache, warum der Verein überhaupt existiert. Um dies zu verstehen muss man 14 Jahre zurückschauen.

Unsere amerikanischen Kollegen, haben einen Sponsor des AFC—einen YouTuber—besucht, um den Verein zu verstehen.

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2002. Unter den Fans des Wimbledon FC herrscht pure Wut und Entgeisterung. Man hatte vor, ihnen ihr Baby aus dem Arm zu reißen. Die Vereinsbosse versprachen sich größere Erfolge, wenn sie in das 100 Kilometer nördlich liegende Milton Keynes umziehen würden. Für die Fans ein Schlag ins Gesicht. Wenn Hin- und Rückfahrt doppelt so lange dauern, wie das eigentliche Spiel, kann kaum noch von einem Heimspiel die Rede sein. Eine Gruppe von Fans hatte dabei vielleicht die beste Schnapsidee aller Zeiten. Bei einem Treffen im „The Fox and Grapes” Pub in Wimbledon Common entschieden sie den Verein mit anderem Namen neu zu gründen. Der AFC Wimbledon war entstanden. Aus dem Protest wurde schnell eine Herzensangelegenheit. Nachdem man aus über zweihundert potenziellen Spielern einen Kader formen konnte, fing die Mannschaft ganz unten in der Combined Counties League an. Der Verein war davon besessen, sich zurückzuholen, was man ihnen genommen hatte: Einen lokalen Verein, auf den man stolz sein konnte.

„The Real and only Dons” (Foto: Imago)

Während es beim Retortenclub MK Dons tendenziell immer eher nach unten ging, folgte in dem Ort, wo Boris Becker zur Tennis-Legende wurde, ein kometenhafter Aufstieg. Von Beginn an wurden sämtliche Ligen dominiert. Mit dem Support von tausenden Fans im Rücken konnte die Mannschaft zwischen 2003 und 2004 in 78 Spielen nicht geschlagen werden, was bis heute ein Rekord ist. Sechs Aufstiege und vierzehn Jahre später hatte man es endlich geschafft. Man war auf einem Level mit dem verhassten Ex-Verein, der ironischerweise wieder in seiner Gründungsliga angekommen war. Zwar verzichtete man in der Football League One auf den mittlerweile 34-jährigen Kultspieler Adebayo „Beast Mode” Akinfenwa—auf seine 180 Zentimeter Körpergröße kommen 102 Kilogramm Muskelmasse—aber dennoch setzte sich der Erfolg fort.

Die komplette Geschichte fand am 9. Oktober ihren vorläufigen Höhepunkt: Nachdem der AFC mit einem ungefährdeten Sieg gegen Oxford vorlegte, musste MK Dons am späteren Nachmittag eine 0:1-Niederlage hinnehmen. 14 Jahre nach der Gründung hatte der AFC Wimbledon den Verein, der wegen einer besseren sportlichen Perspektive weggezogen war, vorübergehend überholt. Die Genugtuung der AFC-Fans muss derzeit riesig sein—und der Schaden bei Milton Keynes könnte kaum größer sein. Denn jeder Erfolg von Wimbledon wird mit ihnen ins Verhältnis gesetzt werden und der Fanverein wirkt noch lange nicht satt. Denn mittlerweile gehört der AFC zu der Spitzengruppe der Liga—während man sich in Milton Keynes mit dem Thema Abstieg beschäftigen muss.

Foto: Imago

Bei dem Aufeinandertreffen am Samstag ist der Fan-Verein daher der Favorit im ersten direkten Liga-Duell der beiden Rivalen. Obwohl man dem Ursprungsverein mittlerweile sportlich enteilt ist, sitzt der Frust bei den Fans weiterhin tief. Daher wollen die AFC-Anhänger beim Spiel in Milton Keynes die Gastronomie des Stadions boykottieren—stattdessen wollen sie sich lieber beim lokalen IKEA mit Hotdogs versorgen.

Während MK Dons gegen eine weitere Blamage spielen wird, kann der AFC ein weiteres Mal zeigen, welche Konsequenzen es haben kann, wenn man Fans den Verein klaut. Für organisierte Fans, Ultras und andere Fanvereine wie dem FC United of Manchester oder Austria Salzburg sind solche Geschichten natürlich ein Anlass auf einen kleinen Hoffnungsschimmer. Das Fußballmärchen gibt es übrigens bald auch im Kino zu sehen: Ein langjähriger Fan und Sponsor des Vereins produziert derzeit die Verfilmung der Vereinsgeschichte.