Wie Discogs die wichtigste Plattenbörse der Welt wurde

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Discogs. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP US erschienen

Die meisten großen Firmen haben einen guten Gründungsmythos zu bieten. Nike wurde aus dem Kofferraum von Phil Knights Auto gestartet. Apple, Google und Amazon fanden ihre Anfänge alle in einer Garage. Discogs, die Datenbank zur Musikkatalogisierung samt Online-Marktplatz für Tonträger, wurde im Jahr 2000 von Kevin Lewandowski gegründet und hat eine ähnliche, wenn auch etwas beengtere Entstehungsgeschichte. Alles fing in einem Schrank an.

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“Ich lebte zu der Zeit in einem Apartment-Komplex, der kostenlosen T1-Internetzugang hatte, also sprach ich mit der Verwaltung und sie sagten, es wäre in Ordnung”, so Lewandowski, der 42-jährige Gründer und Geschäftsführer von Discogs, während eines Videoanrufs aus der Firmenzentrale in Portland, Oregon, über die Anfänge seiner Firma. “Eines Tages wanderte der Server in den Schrank des Managers. Irgendwann trat er mal aus Versehen das Netzkabel raus. Letztendlich habe ich ihn an einen etwas sichereren Ort gebracht.”

17 Jahre später gleicht das Discogs-Büro eher dem eines typischen Tech-Startups, mit Spielautomaten, Popart an den Wänden und einem voll ausgestatteten DJ-Pult, hinter dem eine hauseigene Plattensammlung steht. Auch wenn sie keine Smartphones, Suchmaschinenergebnisse oder Sneaker verkaufen, in ihrem Bereich sind sie Marktführer. Und in diesem Bereich geht es darum, Tonträger zu kategorisieren, zu archivieren und ihren Verkauf zu vereinfachen – und all das durch eine auf Crowdsourcing basierenden Community aus loyalen Nutzern.

Das DJ-Pult im Discogs-Büro

Dich interessiert, wer für Daft Punks bahnbrechendes Album Discovery den Lackschnitt gemacht hat? Du willst 15.000 Dollar für ein seltenes Prince-Album locker machen, so wie ein Käufer letztes Jahr, der damit den teuersten Kauf des Jahres tätigte? Dann ist Discogs der perfekte Ort für dich. Seit Gründung der Firma haben die Nutzer eine der umfangreichsten und beeindruckendsten Musikdatenbanken in der Geschichte der Menschheit aufgebaut.

Discogs zeigt keinerlei Anzeichen, an Wachstum einzubüßen. Alleine 2016 wuchs ihre Datenbank um 12%, mittlerweile sind über 8 Millionen Einträge darin zu finden. Auch in Sachen Verkäufe wurden Rekorde gebrochen. 6.691.144 Platten wurden im vergangenen Jahr verkauft, damit stieg der Verkauf von Tonträgern im Vergleich zum Vorjahr um 26%. Laut Discogs berufen sich einige Labels sogar auf den jährlichen Bericht der Firma, um zu entscheiden, welche Platten aus ihrem Katalog sie nachpressen lassen.

Es kann zuweilen eine beängstigende Angelegenheit sein, das Angebot von Discogs zu nutzen. Wenn du über die Seite verkaufst oder Daten über einen Tonträger einpflegst – und somit als Submitter giltst – musst du dich an strikte Richtlinien halten, die bestimmen wie du die Qualität deines Tonträgers zu bewerten hast und auf dem Goldmine Grading Standard basieren. Verkäufern wird außerdem eine Gebühr von 8% pro Verkauf berechnet. Als Käufer kannst du dich auf der anderen Seite durch eine überwältigende Anzahl an Musiktiteln arbeiten – was für dein Bankkonto und deinen persönlichen Geisteszustand nicht immer das Beste ist. Nutzer, die gerne etwas länger überlegen, können einen Titel auf ihre Suchliste setzen, um die Preisentwicklung zu beobachten, oder einfach im Warenkorb belassen, bis sie für den Kauf bereit sind – mit dem Risiko, dass in der Zwischenzeit ein anderer Nutzer zuschlägt.

Mittlerweile kannst du bei Discogs beinahe jede Veröffentlichung der Welt finden – ob es eine japanische Pressung eines Rolling-Stones-Albums ist oder die neueste Veröffentlichung von Rihanna. Angefangen hat die Firma jedoch als Anlaufstelle für Dance-Musik. Genauer gesagt als eine für passionierte Sammler, die auf Dance-Musik stehen – die Art von Leuten, die 80 Dollar für drei Tracks des Detroit-House-Produzenten Andrés zahlen, dessen 2012er EP, New For U, 2013 mit 500 verkauften Exemplaren der Topseller der Seite war.

So überrascht es auch nicht, dass einige der ersten Teammitglieder, wie Nik Kinloch aus Schottland, selbst House- und Techno-Fans sind. Nachdem er bei einem Ghetto-Tech-Label in Detroit gearbeitet hatte, schickte Nik – einer der ersten Nutzer der Seite – Lewandowski 2002 eine Mail, um sein Interesse an einer Mitarbeit zu bekunden. Seither ist er Director of Product und sein Einstieg in die Firma verdeutlicht, welchen Stellenwert die Nutzer für das Unternehmen haben.

Im nachfolgenden Jahrzehnt wurde das Team außerdem um Leute wie Chad Dahlstrom erweitert, einen ehemaligen Angestellten des Indie-Musikvertriebs CD Baby. Er wurde im Jahr 2014 COO (Chief Operating Office) von Discogs. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Seite ihre Türen bereits für jedes existierende Musikgenre geöffnet. Vor zwei Jahren kam außerdem Ron Rich als Head of Marketing dazu. Seine persönlich wertvollste Platte ist eine Erstpressung von Radioheads Kid A – die er natürlich auf Discogs gekauft hat. Jahrelang benötigte die Firma kein Marketing, schließlich basiert Discogs auf der Suche nach Daten: Leute haben eine bestimmte Platte im Kopf und wollen entweder mehr darüber erfahren oder sie kaufen. Das Produkt verkaufte sich im Prinzip von selbst.

Discogs-Gründer und CEO Kevin Lewandowski (links) und Chad Dahlstrom, COO (rechts)

Mittlerweile gibt es eine Discogs-App, mit der Leute in Plattenläden oft den “gängigen” Marktpreis einer Platte abgleichen – oft zum Unmut schlecht gelaunter Plattenladenbesitzer. Wie viele der Neuerungen über die Jahre wurde auch die App von den Nutzern gefordert. Seit Kurzem gibt es außerdem eine regelmäßige Veranstaltungsreihe und Plattenbörsen, bei der die weltbesten DJs zwischen Käufern und Verkäufern auflegen. Und immer wieder faszinieren beeindruckende Verkaufsbeträge die Musikliebhaber. Wir haben in einem ausführlichen Gespräch mit Lewandowski, Dahlstrom, Rich und Kinloch über die einzigartige Entwicklung ihrer Firma von einer einfachen Anlaufstelle für datenbegeisterte Techno-Fans zu einem Industrie-Riesen gesprochen.

THUMP: Kevin, ich habe in den New York Times gelesen, dass du die Firma hauptsächlich gegründet hast, um deine eigenen Techno-Platten zu kategorisieren. Welchen Einfluss hatte deine Affinität zum Plattensammeln auf die Entstehung von Discogs?
Kevin Lewandowski: Ich war in meinem letzten beiden College-Jahren, als ich anfing, Platten zu kaufen. Als ich meinen Abschluss machte, kaufte ich mir Turntables und fing mit dem Auflegen an. Das war irgendwann in den späten 90ern – bevor es Internetforen gab. Ich war in ein paar Musik-Mailinglisten, in denen ich Fragen zu Sachen wie Backkatalogen oder Künstlerpseudonymen stellte. All diese Informationen wurden einfach manuell über Email ausgetauscht, ähnlich dem, was in Plattenläden passiert. Es gab unter anderen Nutzern der Mailinglisten Gespräche über eine Online-Datenbank für diese Informationen. Die Leute sprachen darüber, ein Projekt namens Trainspotter ins Leben zu rufen. Es sollte eine großartige Musikdatenbank mit Querverweisen sein. Sie war Teil eines Projekts namens Hyper Real, einer Rave-Archivseite. Du konntest dort zum Diskografie-Bereich navigieren und da gab es dann diese Mikroseiten.

Sie haben etwa drei Jahre lang versucht, Trainspotter aufzubauen. In der Rückschau war es wohl das klassische Problem, dass zu viele Leute am Werk waren, die aber nicht genug getan haben. Aber die Idee begeisterte mich wirklich und ich hatte einen Software-Background und habe seit der Highschool gecoded. Ich war also daran interessiert, etwas zu erschaffen. Ich probierte es und baute etwas sehr Einfaches. Es dauerte etwa sechs Monate und Ende 2000 startete ich dann Discogs.

Gab es neben Trainspotter noch irgendwelche anderen diskografischen Webseiten, von denen du wusstest?
Lewandowski: Es gab eine andere Webseite namens Amazing Discographies. Dort gab es Diskografien von vielen Labels, aber du musstest dem Eigentümer der Webseite schreiben und ihm die Daten schicken, damit er sie hinzufügt. Es gab auch keine detaillierten Tracklists oder so. Ansonsten gab es eine Menge spezialisierter Künstlerdiskografien. Ich weiß, dass es eine große von Moby gab.

“Als wir 2005 den Marktplatz einführten, wurde innerhalb des ersten Jahres recht deutlich, dass er groß wird.” – Kevin Lewandowski

Was waren erste Meilensteine der Firma, die für dich herausstechen?
Lewandowski: Der Traffic war anfangs ziemlich gering, aber um 2001 und 2002 verdoppelte er sich fast jeden Monat. Ich war mit meinem Job bei Intel nicht zufrieden und mir wurde klar, dass ich dort nicht länger bleiben konnte. Also gab ich mir selbst sechs Monate. Kurze Zeit später bot die Firma meinem Team eine Abfindung an, ich bekam also den Lohn von sechs Monaten dafür, dass ich aus der Firma ausschied. Da fiel die Entscheidung leicht. Das war ein großer Wendepunkt; es gab mir viel Zeit, mich auf meine Firma zu konzentrieren.

Discogs durchlebte dann viele Prozesse – zum Beispiel herauszufinden, wie man Geld verdient, die Schwierigkeiten, es von einem Underground-Sammlerding zu einem Unternehmen zu machen. Ich bot einen Premium-Mitgliederservice an, bei dem du für 12 Dollar pro Jahr erweiterte Funktionen bekamst. Ein paar Jahre später habe ich ihn wieder eingestellt, er war nicht sonderlich gefragt. Als Google AdSense eingeführt wurde, brachte mir das sofort etwa 3.000 Dollar pro Monat ein, was ausreichte, um die Rechnungen zu bezahlen und keine Verluste zu machen. Es dauerte ungefähr neun Monate, bis die Firma sich tragen konnte. Als wir 2005 den Marktplatz einführten, wurde innerhalb des ersten Jahres recht deutlich, dass er groß wird und ich mich hinsichtlich der Einkünfte darauf konzentrieren sollte.

Wie kam es zur Einführung des Marktplatzes?
Lewandowski: Die Nutzer haben darum gebeten. Es gab bereits das “Sammlung”- und “Suchliste”-Feature und viele Nutzer fragten nach einer “Verkaufe”-Liste. Einfach um eine Liste der Sachen zu haben, die sie verkaufen. Mir fiel auch auf, dass es eine Menge Käufe und Verkäufe durch private Nachrichten und Emails hinter den Kulissen gab. Einige Leute legten sich sogar Accounts mit so interessanten Namen zu wie “alles in dieser Sammlung steht zum Verkauf” und hackten das Bewertungssystem, um auf Preise hinzuweisen. Wenn eine Platte also fünf von fünf Sternen hatte, kostete sie 10 Dollar, bei vier von fünf 8 Dollar. Die Leute wollten einen Weg, um Platten kaufen und verkaufen zu können. Amazon und Ebay gab es zwar, aber sie waren nicht wirklich das, was sie heute sind.

Neulich bereits auf THUMP: Der legendäre DJ Danny Krivit zeigt uns seine Plattensammlung

Wie sind die Leute damals auf die Firma aufmerksam geworden?
Nik Kinloch: Die Community war ausschließlich eine Online-Sache – alle haben sich irgendwie bei Discogs getroffen und alle waren sehr, sehr engagiert. Ich denke, unsere Nutzer sind immer noch sehr passioniert hinsichtlich des Gedankens von Discogs. All diese Musik zu katalogisieren, die alle lieben, und sie zu teilen. Viel von dem Traffic stammte von Leuten, die nach Dingen suchten und diese fanden.

Chad Dahlstrom: Die Suche nach Daten.

Lewandowski: Es war total organischer Traffic. Wir hatten nie Marketing, bis Ron hier vor ein paar Jahren dazu kam. Dieser ganze Content ist so einzigartig und es gibt nicht viele andere Orte, an denen du ihn finden kannst.

Kinloch: Ich denke, es war wichtig, dass wir irgendwann nicht mehr nur elektronische Sachen, sondern auch alle anderen Musikstile gelistet haben. Es hat ein paar Jahre gedauert, wirklich alle Musikgenres hinzuzufügen. Ich glaube, mit dem Start des Marktplatzes hatten wir endlich alles.

Lewandowski: Ich habe diese Beschränkung auf elektronische Sachen anfangs eingeführt, weil es mich sonst erschlagen hätte. Technisch gesehen ist es auch viel schwieriger, Jazz und Klassik zu katalogisieren. Die Struktur der Informationen ist in der elektronischen Musik viel einfacher. Ich denke, das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum Discogs es geschafft hat und Trainspotter nicht. Sie hatten auf ein größeres Projekt abgezielt und wir hatten einen viel engeren Fokus.

Die amerikanische Discogs Firmenzentrale in Portland, Oregon

Habt ihr bemerkt, dass andere Leute die Seite nutzen, nachdem ihr sie für mehr Genres geöffnet habt?
Kinloch: Es war keine so große Veränderung von Electro zu Rock. Ich denke, die Leute mögen Musik über Genres hinaus. Discogs hat diese Cliquenbildung irgendwie hinter sich gelassen, was ich ehrlich gesagt für eine gute Sache halte. Zu sagen: “Ja, ich steh nur auf schwedischen Techno und höre nichts anderes”, das wird mit der Zeit ein wenig langweilig.

Lewandowski: Elektronische Musik war zwei Jahre lang unser Kern. Das erschuf eine Basis an Nutzern, die interessant waren und die Datenbank auf Grundlage ihrer Geschmäcker ausgeweitet haben. Leute, die gerne Electro hören, mögen zum Beispiel vielleicht auch Industrial, was sich mit Rock überschneidet. Rock hat letztes Jahr übernommen; Fleetwood Macs Rumors war unser Topseller und danach Pink Floyds Dark Side of the Moon. Ein paar Jahre davor war es Lazaretto von Jack White. Also ja, es gab eine Art Verschiebung, als Rock die Basis unserer Verkäufe von Electro eingenommen hat.

Dahlstrom: Es gibt sicherlich neue Herausforderungen – du bekommst Grindcore [lacht], du bekommst Sachen, die dir nicht aus dem Kopf gehen. Wir haben den Standpunkt, dass wir nicht erlauben, wenn etwas Beleidigendes verkauft wird. Zum Beispiel rassistisches Zeug, von diesen Sachen wollen wir nicht wirklich profitieren. Es ist ein Archiv, es ist schon passiert; wir machen eine Datenbank, also ist alles, was es gibt, da drin.

Welche Rolle hat Discogs bei der Evolution von Vinyl gespielt?
Lewandowski: Discogs ist jedes Jahr gewachsen, also sind wir parallel zum gestiegenen Interesse an Vinyl auch weiter gewachsen. Ich denke, wir passen nicht so zur Mainstream-Musik, eher zum Sammler-Ethos. Wenn Leute tiefer gehen wollen und mehr über die obskuren Produzenten auf diesen Platten erfahren wollen, dann suchen sie bei Google danach, entdecken Discogs und fangen an, rarere Sachen zu kaufen.

Dahlstrom: Das ist der Grund, warum es hier mittlerweile 50 Leute gibt und nicht mehr 16. Die Leute haben uns gefragt, was unser Platz im Vinyl-Markt ist. Wir produzieren es nicht – es ist der Markt, der beschlossen hat, dass er es will. Aber ich würde sagen, wir waren dabei eine Art beständiger Teil, es am Leben zu halten.

“Aus der Perspektive eines Labels sind wir eine Art Eckpfeiler des Vinyl-Marktes.” – Chad Dahlstrom

Denkt ihr, dass dieser Massentrend von Majorlabels, die Platten pressen, eine Blase ist?
Dahlstrom: Wir denken viel darüber nach. Nachpressungen sind sicherlich ein Teil davon, aber wenn du dir die Indies ansiehst und siehst, wie viele Leute Presswerke nutzen und wie viel die zu tun haben. Ich kann es bislang nur prognostizieren, aber die Dinge scheinen trotzdem noch in die richtige Richtung zu gehen. Wir waren gerade in den Niederlanden, wo die Leute CD-Presswerke in Plattenpresswerke umwandeln. Insgesamt hat die Vinyl-Industrie gut zu tun.

Welche Art von Beziehung habt ihr zu Labels?
Dahlstrom: Wir sprechen viel mit den Labels. Ich habe mal in San Francisco auf einer Tech-Konferenz mit einem Typen von Warner/Atlantic gesprochen und er sagte, dass sie Discogs verwenden, um sich ihren Backkatalog anzusehen, anstatt ihren eigenen internationalen Katalog. Wir haben gerade einen Kerl namens Jeffrey Smith eingestellt, der seit 15 Jahren Musikpromoter ist, um dieses Beziehungen mehr aufzubauen. Wir wollen, dass die Labels beteiligt sind. Wir wollen, dass unsere Daten fehlerfrei sind. Und wenn sie über uns verkaufen wollen, ist das auch toll.

Lewandowski: Ja, die Labels nutzen alle Discogs. Aber wir haben den Standpunkt, dass wir keine Massenimporte von Katalogen machen.

Dahlstrom: Aus der Perspektive eines Labels sind wir eine Art Eckpfeiler des Vinyl-Marktes. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich eher eine LP verkaufen, als sie zu streamen. Denn natürlich verdienen sie dadurch mehr Geld pro Stück.

Ron Rich: Die Daten liegen direkt vor. Viele Labels können reinschauen und sehen, was das am meisten gesammelte Release eines Künstler ist, die gefragteste Veröffentlichung. Also kommen die Labels und schauen sich diese Daten an, um zu beschließen, welche Platten sie nachpressen wollen.

Preistreiberei ist ein Thema, das häufig aufkommt, wenn es um Discogs und den Vinyl-Markt geht. Habt ihr gelernt, damit umzugehen, wenn das überhaupt möglich ist?
Lewandowski: Ich habe Theorien gehört, dass Discogs die Preise hochtreiben will oder so, aber wir halten uns bei den Preisen zu hundert Prozent raus. Die Händler können die Preise verlangen, die sie wollen, und Käufer können entscheiden, was sie bezahlen.

Kinloch: Purer Kapitalismus.

Lewandowski: Es ist ein offener Markt.

Dahlstrom: Ich werde keine Namen nennen, aber einige andere Marktplätze sehen ein Produkt, das sich gut verkauft und produzieren es dann selbst und ändern den Preis. Vielleicht versenden sie es auch umsonst. So etwas machen wir nicht. Wir nehmen keine Daten und beeinflussen irgendwie den Markt. Außerdem schauen Plattenläden online und nehmen ihre Preise direkt von Discogs. Ist mal jemand mit der Discogs-App in einen Plattenladen gegangen und hat gesagt: “Ich kann das auf Discogs für so viel bekommen, was mache ich hier also?” Und sind Plattenläden deswegen manchmal angepisst? Sicher. Wir haben eine Plattform. Aber haben wir irgendeinen Einfluss darauf? Nein. Es ist einfach das, was der Markt macht.

Lewandowski: Die meisten Beschwerden, die ich über die Preise bei Discogs gesehen habe, kommen oft von Verkäufern oder Käufern, die etwas billig kaufen und dann für viel Geld weiterverkaufen wollen. Oder Verkäufer, die nicht die Geschäfte machen können, die sie vorher gemacht haben, weil die Preise jetzt öffentlich sind.

Wie oft seht ihr unerfahrene Nutzer bei Discogs und wie oft dagegen ernsthaftere Plattensammler?
Lewandowski: Der Großteil unseres Traffics stammt einfach von Leuten, die herumstöbern. Jeden Monat besuchen zehn Millionen Menschen die Seite und wir haben drei Millionen Nutzer.

Rich: Du kannst dich komplett darin verlieren. Vielleicht kommt jemand vorbei, um zu schauen, was es mit Dark Side of the Moon so auf sich hat, und schaut sich als nächstes alle Sachen an, bei denen David Gilmore seine Finger im Spiel hatte. Was dieses Zugangsbarriere angeht, läuft es nach dem Motto: “Du bist selbst für dich verantwortlich”. Es gibt keinen, der dir über die Schulter schaut und dich herumkommandiert, aber es gibt auch niemanden, der deine Hand hält.

Kinloch: Du brauchst ein wenig Wissen, um etwas einzutragen oder selbst um die Seite zu verstehen und wir haben unzählige Hilfsdokumente darüber, wie man Daten einträgt. Es ist echte Liebhaberarbeit der Leute, die das machen. Aber was Discogs großartig macht, ist, dass Leute so eine Leidenschaft für diese Daten haben, dass sie sich tatsächlich hinsetzen und ihre Zeit in den Aufbau der Seite stecken. Wir haben über 8 Millionen Veröffentlichungen dort drin; ich denke, wir haben mittlerweile mehr Seiten als Wikipedia.

Lewandowski: Es gibt sowohl Leute, die Mentoren sein wollen, als auch miesepetrige Leute, die sich aufregen, wenn du die Informationen falsch einträgst. Der Haupteinreicher arbeitet tatsächlich für uns und Teil seines Jobs ist es, Leute zu coachen und zu versuchen, Leute von der “Ich habe etwas falsch eingereicht und will Discogs nie wieder anfassen”-Mentalität zu befreien.

Wer ist der Haupteinreicher?
Lewandowski: Seine Name ist Brent. Sein Unsername ist Diogenes the Fox. Ich vergesse, wie viele Einträge er schon gemacht hat. Vielleicht 30.000? Ich habe mich vor einer Weile mit jemandem über unsere merkwürdigsten und obskursten Platten unterhalten. Ich denke, meine war Sounds of Steam; das sind einfach Aufnahmen von Lokomotiven aus den 50ern. Sieh nach, sie wurde sicherlich von Brent eingetragen.

Dahlstrom: Er hat diese Art von altruistischer Mentalität. Er sagt sich: “Wenn es ein Album nicht in dieser Datenbank auftaucht, gibt es das dann überhaupt?” Er überprüft es dann und kauft sich zum Beispiel Sammlungen an Aerobic-Platten aus den späten 70ern.

Das Discogs-Profil von Diogenes the Fox

Welche Dinge stehen bei Discogs an?
Lewandowski: Ich habe mich auch auf das konzentriert, was wir unsere Meta-Projekte nennen. Wie das Discogs-Konzept auf andere Dinge zu übertragen. Wir haben eine Datenbank für Musikequipment namens Gearogs gestartet, weil Equipment so eng mit Platten zusammenhängt. Im April wird es da einen Marktplatz geben.

Dahlstrom: Wir haben wieder die Community gefragt, die gesagt hat: “Wir mögen die Art, mit der Discogs Dinge katalogisiert; wir wollen auch diese Dinge katalogisieren.” Wir haben auch das Crate-Diggers-Projekt gekauft, also versuchen wir, mehr Plattenveranstaltungen zu machen – rauszugehen und mit Leuten zu sprechen. Wir wollen das am Leben erhalten und gleichzeitig unsere eigene Version davon erschaffen. Wir waren alle schon bei Plattenbörsen im Gemeindezentrum und daran ist nichts falsch, aber wir versuchen einfach, dieses Konzept des Kaufens und Verkaufens im echten Leben zu zelebrieren und in Genres und Bereiche auf der Welt vorzudringen, aus denen wir nicht viel Musik haben. Wie vollständig ist unserer J-Pop-Bereich? Wie vollständig ist unser Bereich mit kubanischem Jazz? Wir haben die Seite in mehreren Sprachen und die Übersetzungen sind ebenfalls Open Source.

Kinloch: Ein weiteres Puzzlestück ist die Datenseite des Ganzen und wie wir Leuten Daten auf verschiedene Arten zeigen können. Wir haben all diese Veröffentlichungen mit den Tracklists als einfachem Text. Sie machen nichts. Wir versuchen also, diese erstklassigen Daten voranzubringen, damit wir Tracks verbinden können, uns aus musikwissenschaftlicher Ebene ansehen können, woher sie kommen, wer sie geschrieben hat und welche andere Versionen es von den Tracks gibt. Wie sie sich über die Jahre verändert haben, wie sie neu gemastert wurden – all diese Arten von Metadaten. Wir haben es noch nicht vollständig herausgefunden, aber es wird wohl über hundert Millionen Tracks in unserer Datenbank geben. Diese Informationen herauszuziehen und sie alle zusammenzubringen ist also eine große Sache. Es wird für Leute, die daran interessiert sind, sicher spaßig.

Was war der seltsamste Eintrag, den ihr auf der Seite gesehen habt?
Lewandowski: Ich weiß nicht, ob ich das in diesem Artikel haben will.

Kinloch: Aphex Twins Sandpapier-Veröffentlichung? Ich weiß nicht, ob wir die zugelassen haben oder nicht. Es gibt alle möglichen seltsamen Dinge. Ich glaube, jemand hat letztes Jahr etwas auf einem Wachszylinder veröffentlicht. Wir mussten auch eine Grenze dazwischen ziehen, was eine wirkliche Veröffentlichung ist und was ein Gimmick. Was eher Richtung Kunst geht. Wo jemand eine Kassette nimmt, etwas darauf aufnimmt, sie dann mit einem Hammer in Stücke haut, in eine Plastiktüte steckt und verkauft. Ich denke, wir ziehen die Grenze. Du musst dir die Sache wirklich anhören können.

Dahlstrom: Jemand hat mal einen Baum “abgespielt”.

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