Das neue Semester hat soeben begonnen. Das ist für dich umso schlimmer, wenn du dein Studium erst gerade hinter dich gebracht und keinen Plan hast, was du mit deinem Leben anfangen sollst. Wenn du endlich dein Studium hinter dir hast, gibt es eine Frage, die du dir sicher schon gestellt hast: Und jetzt? Wie geht es weiter? Diese einfachen Fragen können dann auch schon eine mittelschwere Krise auslösen, denn um an deinem jetzigen Punkt anzukommen, hast du dir schon dein halbes Leben den Arsch aufgerissen.
Seit der Primarschule musstest du dich der Kritik deiner Eltern aussetzen, die es lieber sahen, dass du deine Freizeit in der Nachhilfestunde verbrachtest, anstatt mit deinen Freunden tote Mäuse aus der Mülltonne zu fischen, auf dem Fussballplatz deine Ehre zu verteidigen oder mit deiner besten Freundin einen Plan auszuhecken, wie du den Nachbarsjungen endlich auf dich aufmerksam machst. Die wirklich wichtigen Dinge im Leben wurden vom Druck, irgendwann mal Medizin oder Wirtschaft zu studieren, immer stärker limitiert.
Videos by VICE
Das Erwachsenenleben begann also spätestens dann, deine Kindheit aufzufressen, als du es ins Gymnasium geschafft hast und dir deine Lehrer jeden Tag aufs Neue erklärten: “Du lernst hier nicht für uns, sondern für dich.” My ass. Ich lernte für meine Eltern, die meinten, mir sollten “alle Optionen offen stehen”. Ich lernte, um meiner Primarschullehrerin zu beweisen, dass aus mir doch noch etwas werden würde. Und ich lernte, damit ich mich selbst nicht als Versagerin fühlte, denn soweit hatte ich die gesellschaftliche Erwartungshaltung bereits durchleuchtet.
Das Studium war insofern eine Erleichterung, weil du hier weisst, dass der Weg nicht mehr so weit ist, wie er durch die Kinderaugen einst gewirkt hat. Und weil du hier erstmals eine Fachrichtung gewählt hast, die dich hoffentlich wirklich interessiert. Je nach Lernbegabung und Druckresistenz hast du also dein Studium mit mehr oder weniger Tränenvergiessen hinter dich gebracht. Und dann liegt ein Brief in deinem Briefkasten, der dir dein jahrelanges Durchhalten schwarz auf weiss bestätigt: Du hast deinen Abschluss. Und statt selig beim Lieferanten einen Burger zu bestellen, eine Flasche Champagner aufzumachen und dich selbst zu feiern, fällst du in ein Loch.
Diese Leere nennt der Populärpsychologe Quarterlife-Crisis und es ist gut, dass es dafür einen Ausdruck gibt. Denn eine Krise zu bewältigen, ist immer einfacher, wenn man sie benennen kann. Dein Leben zu planen, scheint dir eine unbezwingbare Herausforderung zu sein. Der Berufseinstieg macht dir Angst. Neue Fragen tauchen auf: Was will ich mit meinem Leben wirklich anfangen? Bin ich genug qualifiziert? Nimmt mich überhaupt einer? Nur um diesen Fragen zu entgehen, solltest du dich nicht für den nächsten Studiengang anmelden.
Um den Einstieg in das Berufsleben etwas einfacher zu machen, bieten die meisten Unis und Fachhochschulen Beratungen an oder stellen ihren Studierenden Informationen bereit. Die Universität Zürich listet auf der Website ihres Career Services neun Frusttipps auf, die einem helfen sollen, wenn es bereits Absagen hagelt. Doch um Absagen zu bekommen, muss man sich erst einmal bewerben. Und um sich zu bewerben, sollte man wissen, was man eigentlich will.
Mir zumindest geht es so, dass ich die besten Ideen habe, wenn ich diese nicht forciere. Mit leerem Kopf lässt sich der Prozess der Selbstfindung viel leichter angehen. Und sowieso: Nur die wenigsten Menschen haben nach ihrem Studium einen exakten Plan von ihrem Leben. Diejenigen, die einen strikten Plan haben, werden an der Unvorhersehbarkeit des Lebens ihr blaues Wunder erleben. Sich deshalb eine Auszeit zuzugestehen, ist nicht verkehrt. Natürlich solltest du es dabei vermeiden, deine Auszeit so zu gestalten, dass du danach wieder eine Auszeit von der Auszeit brauchst.
Damit meine ich, dass du deine Partyexzesse in einem erträglichen Mass halten solltest. Mit ständig verkatertem Kopf ist es schwer, herauszufinden, was du willst. Daneben könntest und solltest du die durchzechten Nächte nutzen, um Kontakte zu knüpfen. Wer weiss, vielleicht hat sich der irre lustige Typ, der gerade zwei Mexikaner ausgegeben hat, gerade selbstständig gemacht und sucht noch einen kreativen Kopf für sein Start-up?
Was du als Studienabgänger vielleicht nicht weisst, ist, dass dir Geld und Betreuung vom Arbeitsamt zusteht. Dafür musst du dich aber beim RAV melden und dort nachweisen, dass du dich um eine Stelle bemühst. Das bedeutet ein bisschen Bürokratiestress und Selbstverantwortung. Da du aber ohnehin dein Leben in die Hand nehmen willst, ist das eine gute Möglichkeit, damit anzufangen. Deine WG kannst du dir so zumindest ein paar Monate weiter leisten, auch wenn dir deine Eltern den Geldhahn abdrehen und meinen, dir damit einen Dienst zu tun und den nötigen Arschtritt ins Berufsleben zu verpassen.
Schränke dich auf deiner Suche nach dem passenden Job nicht zu sehr ein. Muss es wirklich gleich der Traumjob sein? Es ist doch eher so, dass du irgendwann auf dein Leben zurückblicken wirst und dein CV mehr als einen Eintrag haben wird. Gib dir also selbst die Freiheit, herauszufinden, was ein Traumjob wirklich haben muss und gib dich vorerst mit einem Erfahrungsjob zufrieden. Einem Einstiegsjob. Das kann auch einfach ein Praktikum sein, das dir einen Einblick in eine Branche gibt, mit der du liebäugelst. Denn sobald du einmal einen vollen Lohn verdient hast, wirst du dich nie mehr an den Prakti-Lohn gewöhnen können. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Die Zeit des Aufbruchs ins wirkliche Erwachsenenleben hat begonnen, es ist ein Abschied, aber gleichzeitig auch ein Neuanfang. Das macht Angst. Aber die Zeit birgt auch die Möglichkeit, nun endlich das zu beginnen, was deiner Person wirklich entspricht. Etwas zu tun, was du nicht für deine Eltern oder sonst wen tust. Das Taumeln zwischen tausend Möglichkeiten, kann erst dann ein Ende haben, wenn man den Mut aufbringt, eine erste Möglichkeit auszuprobieren. Dafür musst du dich allerdings von den Erwartungshaltungen anderer frei machen und erste Gehversuche in deinem neuen Leben wagen. Stolpern gehört einfach dazu.
Nadja auf Twitter.
VICE auf Facebook und Twitter.