Die spanische Finanzkrise hat Valencia am härtesten getroffen. 2012 hat die Ratingagentur Standard and Poor’s Valencias Stadtanleihen als Junk-Bonds eingestuft und bei Reuters konnte man Schlagzeilen wie „Valencia, ein schlimmes Spiegelbild von Spaniens wirtschaftlicher Misere” lesen. Die autonome Valencianische Gemeinschaft hatte sich finanziell mit zahlreichen Bauprojekten—darunter Museen, Filmstudios, das größte Aquarium Europas sowie ein 150 Millionen Euro teurer Flughafen, der seit seiner Eröffnung im Frühjahr 2011 genau einmal genutzt wurde—gehörig übernommen. Die Projekte wurden ihrerseits von korrupten Politikern dazu genutzt, Freunden im Baugeschäft Geld zuzuschieben. Als die Weltwirtschaft in den späten 80ern aus den Fugen geriet, waren plötzlich auch die niedrigen Zinssätze,die es Valencia überhaupt erst erlaubt hatten, das nötige Geld für all die Bauvorhaben zu borgen, Geschichte, weswegen die Stadt und die umliegenden Gemeinden nach und nach den Bach runtergingen. Immer mehr korrupte Beamte landeten vor Gericht. Und da Bauarbeiten vielerorts gestoppt wurden, war die Landschaft schon bald mit halbfertigen Gebäuden übersät. Zudem stiegen Steuern und Hochschulgebühren rasant an, während Massenentlastungen den Staatsdienst heimsuchten.
Fast schon logisch folgte der FC Valencia der Stadt an den Rande des Abgrunds. 2007 wurde der erste Spatenstich für das Nou Mestalla gesetzt, das das 1923 erbaute Mestalla-Stadion ersetzten sollte. Doch Anfang 2009 wurde das Bauprojekt aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf Eis gelegt. Das machte den Verein zum stolzen Besitzer von anderthalb Stadien, weswegen man mit allen Mitteln versuchte, das alte Stadion gewinnbringend zu verkaufen, um an frisches Geld für den Weiterbau des neuen Stadions zu kommen. Doch angesichts des spanischen Immobilienmarkts war das ein hoffnungsloses Unterfangen (und ist es noch immer). Das Stadiondebakel hat dazu geführt, dass der Verein, der eh schon finanziell nicht ganz so gut aufgestellt gewesen war, Unmengen an Geld verlor. Genaue Angaben liegen zwar nicht vor, doch Berichten zufolge beliefen sich seine Verbindlichkeiten im Juli 2013 auf irgendetwas zwischen 350 und 500 Mio. Euro.
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In der Praxis bedeutete das, dass die Mannschaft in den vergangenen Jahren all ihre Stars abgeben musste. Viele der besten spanischen Fußballer haben einen Teil ihrer Karriere bei den Los Che verbracht: Dazu zählen so illustre Namen wie David Silva, Jordi Alba, Isco und Raúl Albiol, die die vereinseigene Jugendakademie durchlaufen haben. Zudem haben David Villa, Roberto Soldado, Jérémy Mathieu und Juan Mata im Mestalla eine äußerst erfolgreiche Zeit gehabt. All diese Spieler musste man aber früher oder später gehen lassen, damit der Verein überleben konnte. Trotzdem hat es der FC Valencia Jahr um Jahr geschafft, hinter den beiden Riesen im spanischen Fußball auf dem dritten Platz zu landen und sich so wichtige Einnahmen aus der Teilnahme an der Champions League zu sichern. Während der Saison 2012-2013 mussten sie dann doch dem jahrelangen Exodus an Talenten Tribut zollen und standen am letzten Spieltag nur noch auf Platz fünf. Letztes Jahr reichte es sogar nur noch für den achten Platz. Ohne das Geld aus der Königsklasse sah es nicht gut aus für Valencia.Hier bekommt die Geschichte eine komplett unerwartete Wendung. Die Art von Wendung, die eintritt, wenn ein Milliardär aus Fernost auf die Bildfläche tritt.
Peter Lim ist ein 61-jähriger Unternehmer aus Singapur, der einen Großteil seines auf zwei Milliarden Dollar geschätzten Vermögens mit Wilmar International, einer Firma, die mit Palmöl begonnen hat und mittlerweile ein echter Agrarriese ist, verdient hat. 2010 hatte er schon erfolglos versucht, für rund 450 Mio. Euro den FC Liverpool zu kaufen. Auf der Suche nach einem Kaufobjekt fiel seine Wahl schließlich auf den FC Valencia. Für 100 Mio. Euro erhielt Lim im letzten Sommer 70 Prozent der Anteile am Verein. Die Übernahme zog sich jedoch länger hin als erwartet, weil Lim erst mal mit dem spanischen Geldinstitut Bankia, bei der Valencia—Stand Oktober 2014—Verbindlichkeiten in Höhe von 230 Mio. Euro hatte, in Verhandlungen über eine Neuaushandlung seiner Schulden treten wollte.
Lim wird in Valencia mittlerweile als Heiliger gefeiert, doch wie sollte es bei Milliardären anders sein: Sein Geschäftsgebaren wirkt nicht immer hundertprozentig tugendhaft. Im Januar 2014 hat sich seine Holdinggesellschaft Meriton die Rechte an zwei Spielern von Benfica Lissabon, Rodrigo und André Gomes, gesichert und dafür 30 Mio. bzw. 15 Mio. Euro auf den Tisch gelegt (zu dem Zeitpunkt wird sich Lim schon ziemlich sicher gewesen sein, dass er Valencia kaufen würde, auch wenn er noch kein offizielles Angebot vorgelegt hatte). Die Spieler wurden dann im letzten Sommer—wer hätte es gedacht—an den FC Valencia ausgeliehen mit dem Ziel, sie in der kommenden Transferperiode ganz zu verpflichten. Gleichzeitig hat der Verein im Januar den schon 29-jährigen Enzo Pérez für 25 Mio. Euro gekauft—ein Preis, den Experten für viel zu hoch halten. Pérez kam übrigens von … Benfica. Doch nicht nur die verdächtig enge Beziehung zwischen Valencia und Benfica sorgt für Stirnrunzeln. Auch die Tatsache, dass Lim eng mit dem berüchtigten Super-Spieleragenten Jorge Mendes befreundet ist, wirft einen Schatten auf den Geschäftsmann aus Singapur.
Doch lässt man mal die wirtschaftlichen Aspekte außer Acht, ist es auf alle Fälle erfreulich, dass ein großer spanischer Verein wieder zurück auf dem Damm ist. Die neuen Spieler scheinen überwiegend echte Verstärkungen zu sein (dazu zählt auch Weltmeister Shkodran Mustafi) und endlich ist man auch nicht mehr gezwungen, seine besten Eigengewächse abzugeben. So kann Valencia auch wieder seinen attraktiven Offensivfußball zeigen, stets angetrieben vom äußerst energisch auftretenden portugiesischen Trainer Nuno.
Vor allem dem Mittelstürmer Paco Alcácer wird eine große Karriere vorausgesagt. Eine seiner größten Stärken ist es, stets die richtigen Räume zu finden. Mit seinem schnellen Antritt kann er jeden Verteidiger überlaufen und eröffnet außerdem eine Menge Freiräume für seine Mitspieler. Alcácer, der gerade einmal 21 ist, hat erst vor Kurzem seinen Vertrag verlängert. Seine neue Ausstiegsklausel beträgt schlanke 80 Mio. Euro. Er muss zwar noch einiges dazulernen und ist noch nicht Valencias bester Spieler, trotzdem steht er exemplarisch für eine hoffentlich stabilere Zukunft des FC Valencia. Das Mestalla bzw. das Nou Mestalla (schließlich wird man wohl noch träumen dürfen) kann sich darauf freuen, ihm noch viele Jahre bei seiner Entwicklung zuzuschauen.
In und um Valencia herrscht wieder große Fußballbegeisterung. Und die ist völlig berechtigt, denn die Stadt hat wieder ein tolles Team, das nicht nur mit Herz und Leidenschaft von Erfolg zu Erfolg eilt, sondern mit Lim auch einen finanzstarken Investor im Rücken hat. Schon jetzt ist der Kader wohl der stärkste, seit Spieler wie David Silva oder David Villa in Schwarz und Weiß die Zuschauer im Mestalla zum Kochen brachten. Valencia ist vom Abgrund zurückgetreten. Und das keinen Moment zu früh: Die Fußballwelt hatte sie vermisst.