Martin ist nicht der erste vergebene Mann, mit dem ich Sex habe. Es gab noch eine Handvoll anderer Männer in meinem Bett, die in dem Gefüge einer monogamen Beziehung sind oder waren—samt gemeinsamer Wohnung, gemeinsamen Urlauben und auch monogamen Zukunftsplänen. Nur eben nicht mit mir. Wenn ich das meinem Freundeskreis erkläre, schreien die meisten auf. “Wie kannst du nur?” ist die häufigste Frage, die ich gestellt bekomme.
Es gab eine Phase in meinem Leben, da habe ich mich als Liebhaberin sehr schlecht gefühlt. Als es das erste Mal passiert ist, habe ich den Mann in meinem Bett schnell zu meinem Freund gemacht. Ich war noch jung und hatte keine Ahnung, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Das schlechte Gewissen gegenüber seiner Ex-Freundin bin ich die gesamte Beziehung über nicht losgeworden. Was aber viel schlimmer war: Ich habe niemals Vertrauen aufbauen können. Menschen, die einmal betrügen, betrügen auch ein zweites Mal. An diesen Spruch glaube ich—und die Wissenschaft auch.
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Im Endeffekt wurde ich zwar nicht betrogen, aber die Beziehung hatte nie eine gesunde Basis. Vor allem, weil ich nicht verstand, wie er seine Ex-Freundin so hintergehen konnte. So ein Lügner zu sein. So illoyal zu sein. Ich könnte das nicht. Und ich habe Panik vor offenen Beziehungen. Monogamie ist mir wichtig und es ist auch etwas, das ich anstrebe. Obwohl ich nach wie vor mit vergebenen Männern schlafe, verstehe ich sie nicht. Allerdings ist Verständnis sowieso selten ausschlaggebend für eine Affäre.
Ausschlaggebend ist die sexuelle Anziehungskraft. Und die existiert zwischen Martin und mir. Ich glaube nicht, dass sie da ist, weil er vergeben ist. Wir haben auch schon miteinander geschlafen, als er Single war. Der Unterschied zu damals: Seltsame Zeiten, das Verstecken auf der Straße und die Alibi-Geschichten.
Wir treffen uns immer unter der Woche und immer mittags—am Abend wäre es zu auffällig. Meistens bei mir, manchmal in Hotels, manchmal an öffentlichen und weitläufigen Orten. Wir verbringen pro Treffen nie länger als zwei Stunden miteinander. Ich darf nicht beißen, nicht kratzen und keine Knutschflecke machen—er ist da sehr penibel. So penibel waren übrigens alle—außer die, die ihre Beziehung sowieso beenden wollten, sich aber nicht getraut haben, ein offenes Gespräch zu führen. Betrug hat viel mit Feigheit zu tun.
Wahrscheinlich ist ab dem ersten Mal, als ich mit einem vergebenen Mann geschlafen habe, etwas in mir zerbrochen. Es berührt mich nicht mehr, ob er eine Freundin hat oder nicht. Es beschäftigt mich nicht. Ich werde nur dann daran erinnert, wenn er sie erwähnt. Oder wenn ich darauf aufmerksam gemacht werde, mich nicht festzukrallen. Die Geheimnistuerei ist beides: nervig und spannend zugleich.
Zwei elementare Wahrheiten habe ich für mich dabei herausgefunden: Ich bin nicht vergeben, ich habe niemandem ein Versprechen abgegeben. Ich bin keine Beziehung eingegangen. Ich bin niemandem—vor allem nicht ihr—etwas schuldig. Er schon. Natürlich, ich könnte mich zurücknehmen und für sie eine monogame Beziehung bewerkstelligen—aber wenn er nicht mich vögelt, vögelt er eben eine andere. Frauen sind in der Regel empathisch—ich habe mir das im Bereich Sex gut abtrainieren können und betrachte Sex gerne, wie die Männer, mit denen ich schlafe: pragmatisch und egoistisch.
Er hat ja die Mauer der Treue durchbrochen. Wenn ich sage, ich mache “so etwas” nicht, dann nehme ich mir selbst sexuelle Freude, die er früher oder später bei einer anderen Frau suchen wird. Es geht nämlich beim Betrügen oft nicht um den einen Menschen, den man begehrt. Es geht einfach um aufregenden, neuen Sex. Um generelles Begehren, nicht um konkretes.
Ich habe kein Mitleid für die Freundinnen übrig.
Die zweite Wahrheit ist: Ich kann kein Mitleid empfinden. In allen Fällen hat die Freundin von Anfang an Vertrauensprobleme gehabt—die Männer, die mit mir betrogen haben, haben alle ihren Freundinnen von ihren ehemaligen Ausrutschern in anderen Beziehungen erzählt. Sie wurden von Anfang an verdächtigt, überwacht und des Fremdgehens bezichtigt. Wenn du mit so jemandem zusammenkommst, dann handelst du gegen deine Intuition. Wie ich damals. Außerdem schaffst du einen Nährboden für Betrug. Weil: Wie viel mehr Stress hat er in Wirklichkeit, wenn er jetzt tatsächlich anfängt, hinter deinem Rücken andere Frauen zu vögeln?
Es sind keine lieben, netten Typen, die ich böse Frau verführe. Ein Mann, der mich abserviert, weil er eine Freundin hat, wird von mir nie wieder angesprochen. Ich respektiere das. Die Männer mit denen ich schlafe, kämpfen gegen Kontroll-Anrufe, gegen versteckte Fragen und müssen erklären, warum sie um 15:07 Uhr auf Facebook online waren, aber auf WhatsApp nicht. Komplett zu Recht, meiner Meinung nach. Manchmal zeigt er so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Ich bestärke ihn darin und sage, dass wir nichts machen müssen. Spätestens da fängt er an, mich auszuziehen.
Wenn man sich gegen dieses Gefühl entscheidet—nur aus Angst vor Einsamkeit, oder aus Bindungsliebe, oder aus blinder Naivität—, kann ich das nicht nachvollziehen. Ich überlege mir dreimal, mit wem ich eine feste Beziehung eingehe und habe deshalb schon lange keine.
Ich weiß genau, wie es ist, in einer Langzeitbeziehung zu leben. Ich weiß, dass das Heimkommen ab einem Zeitpunkt nicht mehr prickelnd ist, dass die sexuelle Freude ausgeraucht ist, dass man oft wie geschlechtslose Wesen nebeneinander einschläft. Das anfängliche Abenteuer weicht dem Alltag. Und der Alltag ist schön—er gibt Rückhalt und Sicherheit. Er ist wichtig und auch unausweichlich. Für mich zumindest.
Für Martin ist der Alltag offenbar zu langweilig. Martin ist konservativ und Akademiker. Er würde keine lange Beziehung aufgeben, nur weil sie nicht mehr prickelnd ist. Oder besser gesagt: Die Wohnung, die Schwiegereltern und den nächsten Urlaub im Juli. Er wäre auch niemals ehrlich zu ihr—aus Angst. Martin ist definitiv ein Arschloch. Und er wird weiter betrügen—weil er weiß, wie einfach es geht. Eifersüchtig werden bei ihm sowieso alle Frauen sein—von Anfang an. Aber die Rechnung geht für ihn auf: Nicht mehr Stress als sowieso schon, trotzdem eine monogame Beziehung und tollen, bestätigenden Sex. Nur kommt nicht alles von der selben Frau. Aber er ist nun mal kein Erbsenzähler.
Für keinen der Männer war ich die erste Affäre ihres Lebens. Und ganz ehrlich: Für mich ist es wundervoll, eine Affäre zu sein. Der Sex ist spannend, aufregend und leidenschaftlich. Es ist eine intensive Zeit, die man zusammen verbringt—und man fühlt sich als Frau nun mal begehrt, wenn im Hinterkopf das Wissen da ist, dass es eine zweite Frau gibt. Das muss ich zugeben.
Ich würde auch mit Martin schlafen, wenn er alleinstehend wäre. Nur: Bei einem Single-Mann denke ich oft darüber nach, warum er sich nicht meldet. Ich werde unsicher, mich plagen plötzlich Gefühle, die am Anfang nicht da waren und die ich gar nicht haben will. Zum Beispiel, warum er nicht mehr von mir möchte. Obwohl wir eine ausgesprochene Sexbeziehung haben. Bei einem vergebenen Mann stellt sich die Frage nicht, wo er ist und warum er sich gerade nicht meldet. Es ist für mich die reinste Form der Sexbeziehung—es geht tatsächlich nur um Sex. Ich weiß Bescheid, was bei ihnen vorgeht. Ich erwarte mir niemals mehr, weil es Arschlöcher sind. Ich würde nicht mit ihnen zusammen sein wollen.
Vielleicht bin ich egoistisch, oder auch bösartig—beides habe ich mir bereits vorwerfen lassen. Aber ich sehe mich als guten Menschen und als einen noch besseren Partner. Eifersüchtige Freundinnen scheren mich nicht—sollten sie dahinter kommen und auf mich sauer sein, dann würde ich nur müde lächeln. Wenn sie ihr Unglück auf mich projizieren, ist das nicht meine Schuld. Er ist das Arschloch, nicht ich.
Header: Akio Takemoto | Flickr | CC BY-SA 2.0