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Wie es ist, sich als 14-Jährige für Schwarze Löcher zu begeistern

Ein Mädchen sitzt auf einem Stapel Bücher und schaut auf ein Schwarzes Loch im Weltraum.

Ich bin 14 Jahre alt und finde Schwarze Löcher toll. Leider versteht das fast niemand. Nicht einmal meine Physiklehrerin. Das wird mir am letzten Dienstag vor den Sommerferien klar. Für mich ist es die letzte Woche in der achten Klasse. Und für alle Schülerinnen und Schüler meiner Berliner Schule heißt das: Es ist Putztag. Die eine Hälfte der Klasse putzt den Klassenraum, die andere die Physikräume. Wir kratzen also Kaugummis ab und wischen Fensterbretter. Ich schrubbe die Tafel und wische mit einem Lappen über das Lehrerpult im Physikraum. Eigentlich sind wir schon 40 Minuten vor Stundenende fertig, trotzdem kann unsere Physiklehrerin uns nicht entlassen. Deshalb spielen wir mit unseren Handys oder unterhalten uns. Meine Freunde machen den anderen Raum sauber. Also unterhalte ich mich mit der Physiklehrerin. Und zwar: über Physik. Sie fragt mich, was mich an dem Fach interessiert. So kommen wir auf Planeten, Sterne und schließlich auf Schwarze Löcher zu sprechen.

Meine Lehrerin merkt schnell, dass mich Schwarze Löcher sehr interessieren. Sie ist verwundert. Aus dem Fernsehen kennt man ja vor allem ältere Menschen, die auf Konferenzen über Astrophysik referieren. Meine Lehrerin und ich sprechen darüber, dass einige Menschen Angst vor Schwarzen Löchern haben. Sie glauben, Schwarze Löcher würden einfach auftauchen und alles verschlingen. Dabei ist das äußerst unwahrscheinlich.

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Ich erkläre meiner Lehrerin, wie Schwarze Löcher entstehen, funktionieren und aufgebaut sind. Als ich über Singularitäten in Schwarzen Löchern spreche, nickt sie. Nach meinem Monolog, fragt sie, was eine Singularität eigentlich sei. Also erkläre ich, dass eine Singularität das Massezentrum des Schwarzen Loches ist. Man kann sich das so vorstellen: Die Singularität nimmt alles in ihrer Umgebung auf, hält es fest und lässt es nie wieder los. Wie Pacman frisst die Singularität Asteroiden, Planeten und Licht ein und wird so immer größer. Während ich so mit meiner Lehrerin spreche, merke ich, wie schön es ist, dass mir jemand endlich richtig zuhört. Aber ich glaube, sie ist ganz schön verdutzt über meine Begeisterung. Als die Stunde zu Ende ist, sagt meine Lehrerin, sie gehe jetzt nach Hause und lege sich schlafen. Ich verstehe das; es ist ein langes Schuljahr gewesen.

Andere haben Animefiguren und Fische gezeichnet. Ich sitze vor meinem Schwarzen Loch.

Ähnlich verblüfft reagiert eine Kunstlehrerin, die eine Vertretungsstunde in meiner Klasse hält. Nach einer halben Stunde können wir zeichnen, was wir wollen. Ich zeichne den Aufbau eines Schwarzen Lochs. Diese Darstellungen von Strudeln mit pinken Sternen sind übrigens Quatsch. Was ich gezeichnet habe, muss man sich etwa so vorstellen: Ein Schwarzes Loch hat die Form einer Kugel. Diese Kugel hat einen Schlund, den sogenannten Ereignishorizont. Um das Schwarze Loch kreist Masse, also Planeten, Monde, Sterne, alles was eben so im Universum ist. Je näher sie dem Schwarzen Loch kommen, desto schneller und heißer werden sie. Wenn zum Beispiel ein Stern an den Ereignishorizont trifft, presst das Schwarze Loch den Stern unter immensen Druck in die Singularität hinein.

Als meine Kunstlehrerin mein Bild sieht, weiß sie direkt, was sie vor sich hat. Das erstaunt mich. Und sie ist auch erstaunt. Andere haben Animefiguren und Fische gezeichnet. Ich sitze vor meinem Schwarzen Loch. Die Kunstlehrerin sagt, es sei gut, dass ich mich für sowas interessiere.

Meine Freundinnen haben hingegen weniger Verständnis für meine Faszination. An den schlimmsten Pandemiewochenenden haben wir manchmal zwölf Stunden an einem Tag miteinander telefoniert. Eigentlich hasse ich es zu telefonieren und treffe Menschen lieber persönlich. Aber was will man schon machen in einer globalen Pandemie?

Über WhatsApp haben wir uns zu dritt zu einem Videocall zusammengeschaltet und schauen dabei Filme. Meine Freundinnen haben Netflix angemacht. Ich schaue auf YouTube das Erklärformat Dinge Erklärt – Kurzgesagt. In den Videos geht es um Schwarze Löcher und ob man Erde und Mond von ihren Bahnen abbringen könnte. Ich vergesse aus Versehen mein Mikrofon stumm zu schalten. Darum hören meine Freundinnen meine Kommentare zu den Videos. Aber ich merke das nicht. Erst als Werbung läuft, nehme ich mein Handy wieder in die Hand – und sehe, wie eine meiner Freundinnen lacht. Beide fanden meine Kommentare wohl sehr lustig, obwohl sie keine Ahnung hatten, wovon ich rede und was ich mir überhaupt ansehe. Später fragen sie mich, was bei mir lief. So erkläre ich meinen zwei besten Freundinnen an einem Samstag um 22 Uhr, was Schwarze Löcher sind und wie sie entstehen.

Richtig cool fand ich es, als mein Geschichtslehrer einmal fragte, ob wir mal etwas von einem Teilchenbeschleuniger gehört haben.

Weil ihr euch jetzt bestimmt auch fragt, wie sie entstehen, kommt hier eine der gängigsten Annahmen: Wenn ein massereicher Stern stirbt, löst das eine riesige Explosion im Weltall aus. Das nennt man Supernova. Der Kern des Sterns fällt in sich zusammen. Dabei entsteht viel Druck. Die Masse des Sterns wird so sehr zusammengepresst, dass sich Raum und Zeit verbiegen. So entsteht innerhalb weniger Minuten ein schwarzes Loch mit einem extrem dichten Massenzentrum, das alles anzieht.

Dass ich die Einzige in meinem Freundeskreis bin, die sich für das Weltall und Schwarze Löcher interessiert, finde ich nicht schlimm. Klar, ich habe niemanden an meiner Schule mit dem ich mich austauschen kann. Aber das ist in Ordnung. Immerhin habe ich einen Freund in Bayern, mit dem ich über Schwarze Löcher sprechen kann. Er findet sie auch superspannend. Leider sehe ich ihn nicht so oft.

Naturwissenschaften und das Weltall fand ich schon immer aufregend. YouTube-Videos dazu habe ich erst vor einigen Jahren entdeckt. Ich glaube es kam, weil ich mich verklickt habe. So habe ich eine Dokumentation von Schwarzen Löchern und unserem Sonnensystem gesehen. Das fand ich super interessant und habe danach auf YouTube nach weiteren Videos dazu gesucht.

Richtig cool fand ich es, als mein Geschichtslehrer einmal fragte, ob wir mal etwas von einem Teilchenbeschleuniger gehört haben. Das hatte ich natürlich. In der Schweiz betreibt die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) den modernsten und größten Teilchenbeschleuniger der Welt. Dort werden geladene Teilchen durch elektrische Felder beschleunigt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben es geschafft, ein Teilchen so sehr zu beschleunigen, dass es fast so schnell war wie das Licht.

Ein Klassenkamerad fragt unseren Geschichtslehrer, ob in so einem Beschleuniger nicht aus Versehen ein Schwarzes Loch entstehen könne. Der Geschichtslehrer sagt, dass wir uns darüber keine Sorgen machen müssen. Theoretisch könnten Forscherinnen und Forscher zwar Schwarze Löcher mit Teilchenbeschleunigern erzeugen. Diese sind aber winzig und wären innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wieder verschwunden. Sie würden keinen Schaden anrichten.

In den letzten Herbstferien ist dann etwas Tolles passiert. In meiner Familie ist es üblich, dass wir uns in den Ferien gegenseitig besuchen. Im Herbst kommt meine Oma aus dem Saarland angeflogen. Deshalb sitzen meine Mutter und ich eine Dreiviertelstunde in der S-Bahn um sie vom Berliner Flughafen abzuholen. Allerdings sind wir viel zu früh da. Als wir zum Terminal laufen, kommen wir am Buch- und Zeitungsladen vorbei und entscheiden, dort etwas Zeit totzuschlagen. Mir springt direkt ein Buch ins Auge. Es steht im mittleren Regal: Ein weißes Buch mit einem schwarzen Kreis in der Mitte. Geschrieben hat es Stephen Hawking, einer der berühmtesten Astrophysiker der Welt. Der Titel seines Buches lautet Brief answers to big questions. Ich kenne Hawking, weil ich ihn in YouTube-Videos gesehen habe. Meine Mutter kauft mir das Buch und ein Sudoku-Rätsel-Heft für sich selbst. Noch immer bleibt eine halbe Stunde, bis Oma ankommt. Also setzen wir uns und fangen an zu lesen und zu rätseln.


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Ich bin so in das Buch vertieft, dass ich nicht merke, dass meine Oma da ist und wir nach Hause fahren können. Auf der ganzen Fahrt nach Hause erzähle ich den beiden von meinem neuen Buch. Meine Oma versteht kaum etwas, glaube ich. Meine Mutter nickt nur noch, wenn ich über Schwarze Löcher spreche. Aber für mich ist das in Ordnung. Denn wenn sie von ihren Interessen erzählt, finde ich das oft auch nicht so spannend.

Manchmal frage ich mich schon, warum Erwachsene mein Interesse für Schwarze Löcher so ungewöhnlich finden. Ich glaube, es liegt daran, dass die meisten ein klares Bild von meiner Generation haben. Diese sei faul, höre lauten Rap, sei respektlos und hänge nur am Handy auf TikTok ab. Das trifft vielleicht auch auf einige zu, aber nicht auf alle. Ich verbringe im Schnitt eine Stunde pro Tag auf TikTok und höre Rihanna, Katy Perry oder Sia nur mit Kopfhören. So störe ich niemanden mit meiner Musik. Schon der griechische Philosoph Sokrates sagte übrigens vor mehr als 2.000 Jahren, dass die Jugend schlechte Manieren habe und Autoritäten verachte. Scheint also, als habe sich nicht viel verändert in der Wahrnehmung der Leute.

Viele Vorurteile über Jugendliche stimmen einfach nicht. Ich kenne Klassenclowns, die viel Quatsch machen und trotzdem gute Noten schreiben. Bestimmt lernen sie heimlich und beteiligen sich nur deswegen nicht am Unterricht, weil sie cool wirken wollen. Würden Erwachsene meiner Generation mehr zutrauen, fänden sie es sicher nicht so verwunderlich, dass ich mich mit 14 Jahren für Schwarze Löcher interessiere.

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