Letzten Monat habe ich mich mit Stephen Bentley unterhalten—einem der verdeckten Ermittler, die am größten LSD-Fund Großbritanniens beteiligt gewesen waren. Ich wollte alle Einzelheiten über die Aktion erfahren und wissen, was für psychische Auswirkungen die Arbeit Undercover auf einen hat. In Anbetracht des Rufs, den der ziel- und wahllose Krieg gegen Drogen momentan genießt, hatte ich zwar erwartet, dass er ein wenig verbale Prügel abbekommen würde, ich war dann aber doch überrascht, wie viel Hass ihm aus den Kommentaren entgegenkam.
Ein Leser bezeichnete Bentley als “Sauerstoffverschwendung”, ein anderer als “verrücktes Arschloch”. Um ehrlich zu sein, hielt ich Bentley—auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass LSD illegal sein sollte—für einen aufrichtigen Typen, der einfach nur seinen Job macht. Als Polizist kannst du halt nicht einfach je nach Tageslaune aussuchen, welche Gesetze du durchsetzen willst und welche nicht.
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Bentley hatte in dem Artikel gesagt, dass er von schweren Schuldgefühlen geplagt wird und sich fragt, ob ihm diejenigen, die er ins Gefängnis gebracht hat, das übel nehmen würden. Auch nicht zuletzt wegen der ganzen Kommentare war ich ebenfalls neugierig darauf geworden. Waren die Hippies, die wegen seiner Ermittlungen langjährige Haftstrafen absitzen mussten, so sauer auf ihn wie die Kommentatoren des Artikels? Oder waren sie ihrem ‘Love and Peace’-Ethos treugeblieben und hatten ihm vergeben?
Deswegen habe ich Leaf Fielding kontaktiert, um mehr darüber zu erfahren. Fielding gehörte damals zu den Schlüsselfiguren und auch ein Buch über seine Rolle im Drogenring geschrieben. Ich habe ihn bei Gelegenheit dann auch direkt zu seiner Rolle im LSD-Netzwerk gefragt, schließlich wollte ich mir keine Information über Großbritanniens größte LSD-Gang entgehen lassen.
VICE: Hi Leaf, kannst du mir erzählen, wie du damals in dem Netzwerk gelandet bist?
Leaf Fielding: Ich war 18, als ich zum ersten Mal LSD genommen habe. Ich hatte davor noch keinerlei Drogenerfahrungen und keine Ahnung, was ich eigentlich mache. Wenige Stunden später war ich davon überzeugt, das Elixier des Lebens gefunden zu haben—die Substanz, die den Kalten Krieg schmelzen und Friede und Harmonie über die ganze Menschheit bringen würde. LSD hat mein Leben für immer verändert, meine Welt war plötzlich von Schwarz-Weiß auf Farbe umgestellt worden. Ich sah, dass alles auf dieser Welt ein schimmernder Tanz aus Energie ist—und auf der höchsten Ebene sind wir alles eins.
Das klingt nach einem ordentlichen Trip. Was ist danach geschehen?
Ich habe mein Studium abgebrochen und bin Hippie geworden. Dann tauchte eine Ladung flüssiges LSD in Reading auf und ich war einer von zwei Dealern, die es verkauften. Als unsere Vorräte erschöpft waren, entschied ich mich dazu, mich inspiriert von Kerouac auf eine Reise zu machen. Ich nahm die Fähre nach Calais und zog zu Fuß und per Anhalter weiter zum Mittelmeer. Danach verbrachte ich ein paar Jahre mit Reisen—größtenteils in Asien. Mir wurde dann ein Job als “Tabletter” bei dem Londoner Arm des LSD-Netzwerks angeboten, nachdem ich einen erfolgreichen Trip nach Thailand absolviert hatte, bei dem ich mehrere Kilo des stärksten Gras überhaupt nach Großbritannien geschickt hatte.
Was macht ein “Tabletter”?
Das lief so: Ich bekam zehn Gramm reine LSD-Kristalle vom LSD-Labor. Mein Job war es dann, daraus 50.000 gleich starke Microdots zu machen. Ich löste die Kristalle in einer bestimmten Menge Wasser auf, gab ein wirkungsloses Pulver und etwas Lebensmittelfarbe hinzu und rührte das Ganze durch, bis daraus eine feste Paste geworden war. Mit Handschuhen rieb ich die Paste dann über 50 Plastikbretter, in die jeweils 1.000 Löcher gebohrt waren. Danach kamen die Bretter auf ein Gestell zum Trocknen.
Die Pillen schrumpften beim Trocknen ein bisschen, wodurch es dann leichter wurde, die Microdots mit dem 51. Brett—das nicht Löcher sondern Stacheln hatte—aus den Brettern in kleine Plastiksäcke zu drücken. Eine Ladung von 50.000 dauerte in der Regel ein paar Stunden. Nachdem ich bei dieser Arbeit versehentlich mal eine massive Überdosis erlitten hatte, tauschte ich mit einem Freund. Er machte daraufhin die Tabletten und ich kümmerte mich um den Vertrieb.
Hattest irgendeinen Verdacht, dass ihr infiltriert worden wart?
Nicht bis kurz vorm Ende. Tatsächlich war ich einer der Letzten, die als Mitglied des Rings identifiziert worden waren. Ich war ihnen nur ins Netz gegangen, weil sie die Telefone angezapft hatten. Obwohl vor allem die Waliser Teile des Netzwerks im Zentrum der Polizeiermittlungen standen, war es die Londoner Gruppe, die einen Großteil des Acids produzierte.
Bist du noch sauer auf Bentley und seine Kollegen, weil sie dich hochgenommen haben?
Bentley war einer von denen, die mich vernommen haben, und ich kann mich nicht über ihn beschweren. Sein Hauptproblem war, dass er mit seinem Eintritt in den Polizeidienst die Verantwortung für sein Leben abgetreten hatte. Bei der Polizei und beim Militär musst du tun, was dir befohlen wird—und du musst dann mit den Konsequenzen leben.
Was heißt es für dich, dass er im Zuge der Ermittlungen selber Drogen genommen hat? Einige Menschen scheinen ziemlich sauer darüber zu sein.
Das wundert mich nicht. Ich würde sagen, dass es extrem scheinheilig ist, wenn man andere Leute für etwas hochnimmt, was man selbst tut. Mir ist schon klar, dass die Menschen, die Operation Julie geleitet haben, das als notwendig sahen, aber damit haben sie jeden moralischen Vorsprung verspielt, den sie vielleicht zu haben geglaubt hatten. Wir müssen alle mit den Konsequenzen unserer Taten leben. Ich persönlich könnte nicht gutheißen, mich so zu verhalten, wie sie das getan haben.
Die Menschen sind auch sauer auf ihn, weil in den Medien viel darüber berichtet wurde, wie diese Ermittlungen den Krieg gegen Drogen ins Rollen brachten. Wie siehst du das?
Der Krieg gegen Drogen hatte da bereits begonnen. Die Ermittlungen haben ihm vielleicht Aufmerksamkeit beschert, ihn aber nicht entfacht.
Du bist am Ende für fünf Jahre im Gefängnis gelandet. Wie war das?
Es war natürlich grauenvoll, aber wurde etwas dadurch abgelindert, dass wir eine große Gruppe waren, die allesamt ziemlich dick im Geschäft gewesen waren. Das hat uns einen gewissen Status gegeben und keiner der anderen Insassen hat uns Probleme gemacht. Aber allein die Tatsache, dass wir für Jahre weggesperrt waren, hat uns ziemlich zugesetzt.
Was hast du nach deiner Freilassung gemacht?
Über meine Haftzeit bin ich hinweggekommen, indem ich ein Jahr durch Indien gereist bin. Das hat mir dabei geholfen, mein System von den emotionalen Giften zu reinigen. Ich habe außerdem eine Ausbildung zum Sprachlehrer gemacht und bin nach Spanien gezogen, wo ich mehrere Jahre eine Sprachschule geleitet habe.
Nachdem ich 8.000 Britische Pfund in der Lotterie gewonnen hatte, bin ich mit einem Freund nach Malawi gereist und im neuen Jahrtausend wieder dorthin zurückgekehrt. Angesichts des sichtbaren Verfalls und der Verheerungen durch Aids bin ich dann mit dem festen Entschluss nach Europa zurückgekehrt, ein Waisenheim für ein paar der obdachlosen Waisen zu bauen. Wir haben 10.000 Britische Pfund gesammelt und mit dem Geld das Warm Heart Hostel für obdachlose Mädchen gebaut. 2003 wurde es eröffnet. Das ist zwar wie ein Tropfen im Ozean, aber immerhin haben wir das Gefühl, etwas getan zu haben.
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Nimmst du immer noch psychedelische Drogen oder hat dir deine Haft die Lust darauf genommen?
Ich habe seit meiner Freilassung ein paar mal Pilze gegessen. Ich schätze, dass ich jetzt zum Ende meiner langen und fruchtbaren Reise mit psychedelischen Drogen gekommen bin, aber so sicher weiß man das nie.
Danke, Leaf.
Mehr über Leafs Tätigkeit im LSD-Ring kannst du in seinem Buch To Live Outside the Law lesen. Bald erscheint auch ein zweites Buch von ihm mit dem Namen Leaf by Leaf: Adventures on Four Continents.