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Mode

Wie in Mailand Promoter Models mit Sekt und Vodka angeln

Ein Model erzählt uns, wie man in Mailand an Gratis-Schnaps, -Partys und -Drogen kommt, wenn man sich mit den richtigen/falschen Leuten abgibt.

Ich bin jung, unnatürlich groß und habe Hüftknochen, an denen man sich schneiden kann. Deshalb mache ich den einzigen Job, der mir in dieser Situation vernünftig erscheint: Ich arbeite als Model. Nach ersten peinlichen Modelversuchen in Deutschland jette ich mittlerweile um die Welt und habe mit Kunden wie Tod’s, Escada und Elle gearbeitet. Ich durfte mit der Schiffer und der Padberg zu Mittag essen, mit Rita Ora feiern und mit Bastian Schweinsteiger auf Hotelbetten herumhopsen. Für eine große Kampagne habe ich mich ausgezogen, für Donatella die Haare gefärbt und mir auf unzähligen Castings die Füße blutig gelaufen. Fünf Jahre bin ich nun in den Modeszenen von Paris, Mailand, London, Istanbul, Berlin, Tokio und New York unterwegs—und habe euch viele verstörende Geschichten mitgebracht.

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Marco Mazzini (Name geändert) ist klein, hat keine Haare mehr und einen grell orangefarbenen Hautton. Er trägt ein weit ausgeschnittenes Muskelshirt und acht silberfarbene Totenkopf-Ringe an seinen dicken Fingern. Er nennt Frauen figa, die italienische Bezeichnung für Fotze. Und er geht Wochenende für Wochenende mit 20 bis 30 Models Partys feiern und kassiert dafür auch noch einen Haufen Kohle.

Marco Mazzini ist Promoter. Zusammen mit seinem Bruder Lorenzo (Name geändert) und einigen anderen Typen bildet er eine Promotergruppe, welche zahlreiche Partys in Mailand und anderen Fashion-Metropolen veranstaltet. Der Sinn des Promoterberufs ist es, möglichst viele, umwerfend gut aussende Frauen in Clubs zu schleppen, sie dort mit Alkohol abzufüllen und dafür zu sorgen, dass sie all ihre Hemmungen verlieren. Die Clubbetreiber zahlen den Promotern pro Model, das sie dort hinbringen, Provision. Warum? Damit sich die Menschen, die in den Clubs feiern, an dem beeindruckenden Publikum erfreuen und noch eine um 500 Euro zu teure Flasche Wodka kaufen. Die Models bekommen als Ausgleich für ihre dekorativen Dienste freien Alkohol. Weil das aber für die Mädels kein schlagendes Argument ist, da sie ohnehin in den meisten Clubs umsonst an Alkohol kommen, müssen sich die Promoter ganz schön ins Zeug legen.

Foto: Angelo Amboldi / [Flickr](http:// https://flic.kr/p/8gTceo) / Lizenz: CC BY-ND 2.0

Die 21-jährige Susana, ein spanisches Model, geht drei- bis viermal mal pro Woche mit Marco und Lorenzo feiern. Sie erzählt mir warum: „Wenn wir ausgehen, holt Marco die anderen Mädchen und mich gegen 22 Uhr mit dem Auto ab. Zuerst fahren wir in ein edles Restaurant, meistens gehen wir entweder Sushi essen oder in ein italienisches Restaurant. Dort gibt es ein Vier-Gänge-Menü und mehrere Flaschen Wein, alles für uns Models kostenlos. Gegen 1 Uhr brechen wir in den Club auf. Die Promoter lotsen uns an der langen Schlange vorbei, wir bezahlen keinen Eintritt und gehen direkt zu unserem Tisch im Club, auf dem uns eine 6-Liter-Flasche Vodka, Beigetränke und frische Erdbeer-Spießchen Willkommen heißen. Und dann wird gefeiert!“ Oft sind auch Promis, Bandmitglieder oder erfolgreiche Sportler mit dabei. „Letztens hat dieser französische Fußballspieler mit mir auf der Bar getanzt. Als er mir von seinem 4-Millionen-Euro-Jahresgehalt erzählt hat, musste ich mich allerdings erst mal setzen.“ Wenn die Mädchen keine Lust mehr auf Party haben, sagen sie den Promotern Bescheid und werden dann mit dem Auto zurück ins Modelapartment gebracht.

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Doch das Geschäftsmodell ist nicht auf den Abend beschränkt, auch tagsüber laden die Promoter zu kostenlosen „Models Free Lunch“ in schicke Restaurants ein und bringen die Models danach zu den Castings. Der Ort, wo auch das Frischfleisch rekrutiert wird. Wie die Fliegen kleben die Kerle an den wartenden Models und locken sie mit dem Versprechen von rauschenden Partys. Sie betteln um Handynummern und Facebook-Kontakte. Promoter wie Marco haben eine Kontaktliste mit mehreren tausend Namen. Ein Promoter aus London erzählt mir, er behalte den Überblick, indem er die Mädels nach Attraktivität sortiert. Zuerst lädt er die Models mit den Rankings #1 und #2 ein. Sagen nicht genügend zu, geht er über auf die weniger guten Positionierungen. Männermodels wurden von ihm jedoch nie eingeladen.

In Modemetropolen wie Mailand gibt es mehrere konkurrierende Gruppen von Promotern, deswegen ist es für sie auch wichtig, sich gut selbst zu vermarkten. Die Gruppe von Marco und Lorenzo verschenkt zu diesem Zweck Buttons, T-Shirts und Stoffbeutel mit ihrem Logo drauf an die It-Crowd. Zwischen den Promotergruppen herrscht ein ständiger Wettbewerb, wer die schönsten Frauen und die coolsten Locations an der Hand hat. Je besser die Locations, desto besser die Mädchen—und umgekehrt.

Haben die Promoter einige gute Models als Cash Cows gefunden, versuchen sie, die Bindung zu intensivieren, indem sie auch mit ihnen ins Kino gehen oder DVD-Abende veranstalten—Aktionen, für die sie von niemandem Provision erhalten. Die freundschaftliche Beziehung verringert allerdings das Risiko, dass die Mädchen zu anderen Promotergruppen wechseln. Und nebenbei—welcher Kerl hängt nicht gerne mit überirdisch schönen Frauen rum, egal, ob er nun dafür bezahlt wird oder nicht?

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Ich frage Susana, warum sie auch außerhalb der Welt des Glitzer, Glamours und kostenlosen Drogen mit den Promotern Zeit verbringt. „Da ich als Model viel reise, fühle ich mich fernab von meinem Zuhause und meinen alten Freunden oft allein. Mit Promotern findet man leicht Anschluss, auch zu anderen Models, mit denen ich Zeit verbringen kann. Die Promoter sind eher der äußere Rahmen, eigentlich geht es mir darum, nach all den anstrengenden Arbeitstagen Spaß mit den anderen Mädels zu haben.“

Foto: terren in virginia / Flickr / Lizenz: CC BY 2.0

Nastia, ein russisches Model, hat ihren 18. Geburtstag zusammen mit den Promoter-Jungs und einigen anderen Mädchen in einem der edelsten Clubs in Mailand gefeiert. Sie hat ihren Flug extra ein paar Tage vor der Fashion-Week-Saison gebucht, damit sie schon an diesem Tag in der Stadt ist. „Es war fantastisch, ich hatte eine riesige Torte mit meinem Namen darauf, es gab Glitzerbomben und Wunderkerzen, und ich habe so viel Champagner getrunken, bis mir schlecht wurde. Das war der beste Geburtstag meines Lebens.“ Viele Modelagenturen warnen ihre Mädchen davor, Zeit mit Promotern zu verbringen.

Warum, zeigt auch ein Eintrag über Marco Mazzini auf einer Internetplattform, wo Privatpersonen Beschwerden veröffentlichen können. Dort wird ihm vorgeworfen, minderjährige Mädchen in den Clubs unter Drogen zu stellen und sie angeblich sogar zu vergewaltigen. Allerdings werden die Beschwerden von den Betreibern der Website weder überprüft noch redigiert. Ich spreche Susana auf den Bericht an. „Ja es stimmt, dass viele Models, die mit uns feiern, noch minderjährig sind. Allerdings habe ich noch nie von einem Vorwurf der Vergewaltigung gehört.“ Auf die Frage, ob sie schon Sex mit einem der Promoter hatte, antwortet sie: „Ich habe mit keinem Promoter geschlafen, kenne jedoch andere Mädchen, die das tun. Freiwillig.“ Marco und Lorenzo scheinen beliebt zu sein. Mehrere tausend „Gefällt-mir“-Angaben bei Facebook bestätigen das.