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Wie Kim K.: Junge Menschen erzählen, warum sie sich Botox spritzen lassen

kardashian botox

Vor gut einem Jahr ließ ich mir mein Make-up professionell auffrischen. Die Angestellte begann, mich mit diversen Pudern und Cremes zu behandeln, und blickte mich plötzlich verschwörerisch an: “Du hast doch schon mal was an dir machen lassen. Die Lippen sind aufgespritzt, richtig?”

“Nein”, antwortete ich, “da ist nichts aufgespritzt. Ich habe wohl einfach große Lippen?”

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“Schon witzig”, sagte die Make-up-Expertin daraufhin. “Bei deinem Gesicht kann ich nicht sagen, ob du 18 oder 40 Jahre alt bist.”

Das saß. Als 27-Jährige kam mir sowohl 18 als auch 40 als geschätztes Alter ziemlich schrecklich vor. Zudem war ich mir nicht sicher, was ich nun beleidigender fand: dass ich vielleicht wie eine Frau mittleren Alters aussehe oder dass ich wie ein Mensch wirke, der sich für ein makelloses Aussehen kosmetischen Eingriffen unterzieht.


Aus dem VICE-Universum: Wenn sich junge Frauen operieren lassen, um wie ihr Instagram-Selfie auszusehen


Wer Botox als Ausweg für eitle, nicht altern wollende Frauen ansieht, ist ziemlich hängengeblieben. So berichtete Forbes vor Kurzem, dass der Gebrauch von Botox bei Menschen zwischen 19 und 34 in den USA in den vergangenen fünf Jahren um 87 Prozent gestiegen ist. Bestimmt kennst auch du Leute, die sich (insgeheim) schon mal ein bisschen was haben richten lassen.

Aber warum sind wir plötzlich so willig, uns Nervengift ins Gesicht jagen zu lassen? Genau dazu habe ich vier junge Menschen befragt. Laut ihnen liegen die Gründe unter anderem darin, dass Social Media eine immer wichtigere Rolle spielt. Und dass das Ganze auch einige überraschende gesundheitliche Vorteile hat.

Amanda, 30: “Ich finde, dass mehr Menschen über dieses Thema sprechen sollten”

VICE: Wie lange lässt du dir schon Botox spritzen? Und warum hast du damit angefangen?
Amanda: Meine erste Behandlung hatte ich mit 24. Ich mache PR-Arbeit für Fashion-, Beauty- und Lifestyle-Brands. Deshalb weiß ich in Sachen Trends immer Bescheid. Neugier war ein Grund, mit Botox anzufangen. Außerdem fand ich es damals super, dass eine solche Behandlung den Alterungsprozess verlangsamt und eher eine Präventivmaßnahme als eine Korrektur darstellt. Weil ich so früh damit begonnen habe, war es nur ein kleiner Eingriff. Und dann habe ich einfach immer weitergemacht.

Wie hat sich Botox auf dein Selbstbild ausgewirkt?
Ich fühle mich besser und mag mein Aussehen mehr. Für mich ist Botox auch nichts Permanentes, die Wirkung einer Behandlung hält ja nicht ewig an. Das Ganze wirkt sich positiv auf mein Selbstvertrauen aus: mit Botox fühle ich mich so großartig wie mit einer neuen Frisur oder einem neuen Outfit. Botox gehört für mich zur Selbstpflege.

Wie viel gibst du jährlich für Botox aus?
Alle vier bis sechs Monate sind rund 200 bis 250 Dollar fällig.

Und du gehst ganz offen damit um, dass du dich mit Botox behandeln lässt?
Sehr offen, ja. Obwohl das Ganze immer noch als etwas sehr Negatives angesehen wird – gerade von Leuten, die sich nicht schlau machen. Bei kosmetischen Behandlungen ist es ja leider oft so, dass man nur sieht, wenn etwas schiefgegangen ist. Eine gute Botox-Behandlung fällt nicht auf. Das ist ja auch der Sinn dahinter. Viele Menschen verbinden Botox mit fehlendem Selbstvertrauen. Dabei ist die ganze Prozedur viel geläufiger, als man denkt. Ich schäme mich für nichts und kläre andere Leute gerne über die Behandlung auf.

Hast du dabei auch schon negative Reaktionen erhalten?
Keine Ahnung, bestimmt. Wenn ich öffentlich über Botox rede oder anderen Leuten Behandlungspraxen empfehle, ernte ich auf jeden Fall komische Blicke – so nach dem Motto “Oh mein Gott, dass ist doch ein Tabuthema”. Das ist mir aber egal. Ich finde, dass mehr Menschen über dieses Thema sprechen sollten.

Gibt es für dich einen Unterschied zwischen “natürlicher” und kosmetischer Schönheit?
Diese Grenze verschwindet immer mehr. Wahrscheinlich hat niemand mehr die gleiche Vorstellung von natürlicher Schönheit. Geht es bei natürlicher Schönheit zum Beispiel nur darum, kein Make-up zu tragen? Oder sind dann auch schon Botox und Filler im Gesicht nicht mehr drin? Ich finde es aber toll, dass das so unklar ist. Je weniger Schubladen, desto besser.

“Wenn du dir das Ganze auf Dauer nicht leisten kannst, dann lass es lieber. Bei Botox musst du nämlich langfristig dranbleiben.”

Welchen Einfluss haben die sozialen Medien darauf, wie du aussehen willst?
Ich glaube, dass heutzutage jeder irgendwie von den sozialen Netzwerken beeinflusst wird. Ich will mich da gar nicht ausschließen. Gleichzeitig findet man dort zum Beispiel schnell heraus, welche unterschiedlichen Behandlungen es gibt und wo man für Botox und Filler am besten hingeht.

Was würdest du jemandem raten, der sich Botox spritzen lassen will?
Tu das nur für dich selbst und nicht wegen irgendwelcher äußerer Einflüsse. Außerdem sind realistische Erwartungen und gute Recherche ein Muss. Gehe auf jeden Fall in eine Praxis mit positiven Bewertungen. Ach ja, wenn du dir das Ganze auf Dauer nicht leisten kannst, dann lass es lieber. Bei Botox musst du nämlich langfristig dranbleiben.

Tasha, 22: “Wir sind offener dafür, ‘unecht’ auszusehen, weil wir damit aufgewachsen sind”

VICE: Warum hast du damit angefangen, dir Botox spritzen zu lassen?
Tasha: Meine Haut ist total empfindlich und ich reagiere auf viele Dinge allergisch – zum Beispiel auf Deo. Meine Achselhöhlen waren deswegen schon richtig zerstört, als ich elf Jahre alt war. Also bin ich mit meiner Mutter zum Arzt, der jahrelang verschiedene Sachen ausprobierte. Nichts half, ich bekam nur schreckliche Narben von den Behandlungen. Schließlich zogen wir um und mein neuer Arzt empfahl mir Botox. Dadurch würde ich nicht mehr schwitzen und auch kein Deo mehr brauchen. Jetzt lasse ich mich alle vier bis sechs Monate mit Botox behandeln.

Verwendest du Botox und andere kosmetische Behandlungen inzwischen auch für weitere Körperstellen?
Nach meinem Umzug fiel mir auf, dass viele meiner Freundinnen sich den Bereich unter den Augen und die Lippen aufspritzen lassen. Und das Ergebnis sieht unglaublich gut aus. Deswegen ließ ich mir meine Lippen ebenfalls minimal auffüllen, um den Amorbogen zu glätten.

“Jemand hat mal meine Filler mit einer Nasen-OP verglichen.”

In deinem Gesicht ist aber noch kein Botox?
Genau. An sich habe ich nichts gegen Botox im Gesicht, aber ich will das erst machen, wenn ich älter bin und weiß, wo meine Problemzonen sind. Ich will ja nicht künstlich, sondern geschmeidig aussehen. Bei Fillern habe ich einfach noch ein besseres Gefühl als bei Botox.

Wieso?
Die Leute halten einen für irre, wenn man sich als junger Mensch schon mit Botox hat behandeln lassen. Sie verstehen das nicht. Bei Fillern heißt es hingegen oft “Ah, so wie die Kardashians!” und nicht “Oh mein Gott, ist das nicht total gefährlich?”.

Deine Mutter war anfangs sogar gegen medizinisches Botox. Wie denkt sie über Filler und andere kleine kosmetische Eingriffe?
Meine Mutter hat nichts gegen Filler, weil sie die gar nicht bemerkt. Meine Großeltern sind aber immer richtig entsetzt und sagen: “Du bist doch so hübsch, du brauchst das gar nicht!” Für ihre Generation sind solche Behandlungen nicht die Norm, sie können nicht damit umgehen. Jemand hat mal meine Filler mit einer Nasen-OP verglichen. Dabei ist das Ganze kein chirurgischer Eingriff, sondern nur eine 20-minütige Behandlung.

Wie wirken sich die sozialen Medien darauf aus, wie du aussehen willst?
Sehr stark. Durch meinen Umzug in die Großstadt merkte ich, wie immer mehr Leute einen bestimmten Look haben wollen und bereit sind, alles dafür zu tun – egal ob nun Botox-Behandlungen oder ein hartes Fitness-Training. Social Media hat auf all das einen großen Einfluss, weil uns online jeden Tag schöne Menschen ins Auge springen. Ich glaube aber, dass die jüngere Generation besser versteht, dass das, was wir im Internet sehen, nicht echt ist. Wir sind aber offener dafür, “unecht” auszusehen, weil wir damit aufgewachsen sind.

Natasha, 33: “Es gibt so etwas wie #nofilter gar nicht”

VICE: Was hat dich damals dazu gebracht, dir Botox spritzen zu lassen?
Natasha: Ich war Mitte oder Ende 20, als kleine Fältchen auf meiner Stirn auftauchten – selbst dann, als ich nicht meine Augenbrauen nach oben zog. Das machte mich nervös und ich dachte mir nur: “Oha, so geht es also los.” Also fing ich an, mir kleine Dosen spritzen zu lassen, damit sich die Fältchen nicht festsetzen.

Du hast eine Praxis mitgegründet, die auf Anti-Aging-Behandlungen spezialisiert ist. Ist deine Klientel heutzutage jünger als noch vor ein paar Jahren?
Wir haben Patienten und Patientinnen aus allen Altersklassen, aber wir ziehen immer mehr auch die jüngere Bevölkerung an. Wir waren eine der ersten Praxen mit einem Instagram-Account, der nicht nur aus Stockfotos bestand. Wir haben unseren Social-Media-Auftritt lockerer und lehrreicher gestaltet. Deswegen wuchs die Zahl unserer Follower auch rasant. Weil wir auf einer Plattform für jüngere Menschen so erfolgreich sind, ist unsere Klientel auch jünger.

Wie sieht es mit Männern aus? Viele von ihnen lassen sich ja inzwischen behandeln, wollen das aber nicht wirklich zugeben.
Zu uns kommen wirklich viele Männer. Der Grund dafür ist meiner Meinung nach, dass sie sich mehr über kosmetische Eingriffe informieren. Vor fünf Jahren hieß es oft noch, dass Botox doch das Zeug sei, bei dem man sein Gesicht nicht mehr bewegen kann. Männer wollen nicht, dass man kosmetische Eingriffe merkt – und inzwischen ist ihnen bewusst, dass eine solche Behandlung quasi unsichtbar ist, wenn sie richtig ausgeführt wird.

Wie denkst du über den Unterschied zwischen natürlicher und kosmetischer Schönheit? Gibt es da überhaupt einen Unterschied?
Auf jeden Fall. Bei der #10YearChallenge zählte ich zum Beispiel alle kosmetischen Eingriffe auf, die ich schon ausprobiert habe. Mir wird oft vorgeworfen, dass ich meine Follower dazu auffordern würde, sich behandeln zu lassen. Ich bin jedoch nur der Meinung, dass man ganz normal über solche Eingriffe reden sollte. Bei Social Media und jungen Frauen ist es nämlich knifflig: Es gibt so etwas wie #nofilter gar nicht, auf solchen Fotos sind vielleicht trotzdem nachgezogenen Augenbrauen, Bräunungsspray, verlängerte Wimpern oder Filler im Gesicht zu sehen.

Ich finde es falsch, die Leute so in die Irre zu führen. Bei den ganzen Behandlungen, die es inzwischen gibt, sollte sich niemand beim Anblick eines anderen Menschen unsicher fühlen, weil man selbst keine makellose Haut oder keine perfekten Wimpern hat.

Trevor, 25: “Ich kann jetzt wieder schmerzfrei Trompete spielen”

VICE: Du lässt dir Botox aus gesundheitlichen Gründen injizieren. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt.
Trevor: Ich bin zum Zahnarzt gegangen, weil mein Kiefer ständig weh tat und zusammen mit meinen Schläfen wegen meiner Angstzustände total angespannt war. Mir wurde dann eine Kombination aus Physiotherapie, Pillen und Botox verschrieben. Ein Kieferchirurg spritzt das Botox jetzt immer in meinen Kaumuskel, in meine Schläfen und in weitere kleine Muskeln in meiner Wange. So werden diese Bereiche gelähmt. Was anderes ist Botox ja nicht: ein Nervengift, das Muskeln lähmt oder entspannt. Ich habe innerhalb von rund acht Monaten drei Injektionen bekommen. Meine Kieferschmerzen sind weg.

“Ich will in Würde altern.”

Hat das Botox dein Aussehen verändert?
Vor den Behandlungen habe ich immer rumgescherzt, von wegen “Heute bekomme ich mein Botox und werde super aussehen”. Rein ästhetisch hat sich bei mir aber gar nichts geändert. Ich kann jetzt nur wieder schmerzfrei Trompete spielen.

Wie reagieren die Leute, wenn du von den Botox-Spritzen erzählst?
Normalerweise sagen sie sowas wie “Oh, sieht man gar nicht”. Oder sie wollen wissen, warum. Die meisten sind dann richtig überrascht, wenn sie erfahren, dass das Ganze gesundheitliche Gründe hat. Viele wissen gar nicht, dass das überhaupt eine Option ist.

Würdest du dir nach deinen positiven Erfahrungen auch mal Botox aus rein kosmetischen Gründen spritzen lassen?
Dafür bin ich nicht eitel genug, ich will in Würde altern. Wenn mir meine Ärzte allerdings anbieten würden, mir Botox gegen meine Schmerzen und für einen straffen Look zu injizieren, würde ich da schon drüber nachdenken.

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