Sex



Wie mein Leben als Sugar Baby außer Kontrolle geraten ist

Nicht die Autorin | Foto: Silentmind8 | Flickr | CC BY-ND 2.0

Während der Schulzeit führte ich ein ganz normales Teenagerleben. Ich war zwar nicht die Unschuld vom Lande, aber es deutete auch noch nichts darauf hin, dass ich in Zukunft den Drang verspüren sollte, den ganzen Tag nur Sex zu haben. Ich lernte, kiffte, trank und fickte. Mein Sexleben war relativ hemmungslos, aber rückblickend könnte man wohl auch sagen, dass ich schon damals etwas gelangweilt war. Die Jungs, mit denen ich schlief, waren alles hoffnungslose Fälle und sie gingen mir schnell auf die Nerven. Der Sex dauerte nie länger als fünf Minuten und sie fragten mich danach ständig, ob es gut war. Ich log sie jedes Mal an.

Manchmal schäme ich mich fremd, wenn ich an all die peinlichen Momente denke, die sexuell aktive Teenager durchmachen. So musste ich einem jungen Mann zum Beispiel mal erklären, dass man die Klitoris nicht penetrieren kann (und er hat es natürlich trotzdem versucht). Und dann sind selbstverständlich noch so Sachen wie fehlendes Vorspiel und so weiter. Ich glaube, dass mir endgültig der Kragen platzte, als irgendein Typ meinen Bauchnabel gefingert hat.

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Schließlich zog ich für mein Studium nach Montpellier im Süden Frankreichs. Die meisten Studenten waren dort im geisteswissenschaftlichen Bereich unterwegs und in diesem entspannteren Umfeld lernte ich, mehr auf meinen Instinkt zu vertrauen. In einer Stadt, in der ich niemanden kannte, besaß ich die Freiheit, einfach das zu tun, worauf ich Lust hatte. Wenn ich mit meinen Freundinnen durch die Bars und Kneipen zog, kam ich jedoch nie mit Typen in Kontakt, die ich anziehend fand. Ich wollte ältere und sexuell erfahrenere Männer treffen und mir dabei von niemandem reinreden lassen. Aus diesem Grund habe ich angefangen, mich im Internet umzusehen—und zwar nicht auf den normalen Dating-Websites.

Nein, ich meldete mich bei sugardaters.fr an, dem größten französischen Online-Treffpunkt für Sugar Daddys, Sugar Mamas, Sugar Babys und Toy Boys. Für alle Unwissenden: Ein Sugar Daddy ist ein reiferer Mann, der einer viel jüngeren Frau (dem Sugar Baby) im Austausch für sexuelle Dienste das Leben so angenehm wie nur möglich macht. Wenn sich der Sugar Daddy und das Sugar Baby treffen, dann ähnelt das Ganze eher einer traditionellen Beziehung als der Interaktion zwischen einer Sexarbeiterin und ihrem Kunden.

Bereits kurz nach der Anmeldung bombardierten mich verschiedene User mit Nachrichten. Dabei handelte es sich ausschließlich um Männer zwischen 40 und 50. Am auffälligsten sind dabei die Typen, die richtig notgeil sind. Sie schreiben nämlich ständig, wie sie allein schon durch die Fotos einen Ständer bekommen, und nerven damit richtig. Meistens bekommt man jedoch Nachrichten von netten Männern, die dir weismachen wollen, dass sie nur an deiner tollen Persönlichkeit interessiert sind.

So etwas wie einen Sugar-Daddy-Millionär mit vier Jachten und neun Villen, der dich auf Händen trägt und dich jedes Wochenende teuer ausführt, gibt es nicht. Und wenn doch, dann habe ich ihn noch nicht kennengelernt. Allgemein gesprochen verdienen die User von sugardaters.fr schon ganz gut, aber eben auch nicht extrem gut. Normalerweise handelt es sich um irgendwelche Manager, Ingenieure oder Ärzte. Einige von ihnen sind mit Sicherheit auch verheiratet und wollen einfach nur der langweiligen Routine des Ehelebens entkommen, ohne sich dafür auf die anstrengende Suche nach einer Freundin begeben oder die Scheidung einreichen zu müssen.

Der erste Typ, den ich auf der Plattform näher kennenlernte, lud mich direkt nach Aix-en-Provence an der Côte d’Azur ein. Dort besitzt er nämlich ein Ferienhaus, in das er sich am Wochenende oft zur Entspannung zurückzieht. Durch den weißen Abdruck an seinem Ringfinger konnte ich jedoch auch leicht erkennen, dass er dort auch gerne mal seine Ehefrau betrügt. Dieser Umstand störte mich jedoch nicht. Es war ja von Anfang an klar, dass ich auf der Website nicht nach einem Scrabble-Partner gesucht hatte.

Nach einer kurzen Begrüßung und dem üblichen, kurzen Smalltalk stiegen wir in den Pool. Ich hatte natürlich keinen Badeanzug eingepackt und deshalb sind wir direkt zum Punkt gekommen. Der Sex war dann tatsächlich ganz gut und obwohl wir uns kaum kannten, musste ich den Orgasmus nicht vortäuschen. Wir verbrachten das gesamte Wochenende quasi nur im Bett und am Ende stand ich deshalb mit einer neuen Handtasche sowie 300 Euro da.

Oftmals beschreiben die Leute Sugar Dating als eine Form der Prostitution, aber das Geld ist mir eigentlich noch nie wichtig gewesen. OK, die finanziellen und materiellen Vorteile schlage ich nicht aus, aber wer sagt denn schon Nein zu Parfüm, Handtaschen, Massagen oder einfach nur einem entspannten Luxuswochenende? Diese Dinge haben mein Leben doch ziemlich versüßt.

Nach meiner ersten positiven Erfahrung entschied ich mich dazu, direkt weiterzumachen und so viele Männer wie nur möglich zu treffen. Als ich wieder in Montpellier war, schrieb ich deshalb direkt gut zehn Männer an, die ihren Profilen zufolge dem Typen aus Aix-en-Provence ähnelten. Und schon bald traf ich mich jede Woche mit einem neuen Sugar Daddy.

Ich habe zwar nie Liste geführt, aber sugardaters.fr hat mir wohl schon so zwischen 80 und 100 Männer beschert. Anfangs habe ich diese Männer nur zum Spaß gefickt. Vor dem Sex redete ich auch immer ein bisschen mit ihnen, um herauszufinden, mit welcher Art Mensch ich es da überhaupt zu tun hatte. Es schlich sich jedoch schnell eine gewisse Routine ein und schon bald machte ich das Ganze nicht mehr nur dann, wenn ich Lust darauf hatte, sondern immer, wenn sich die Gelegenheit bot. Mir ging es dann auch nur noch um den Sex und es war egal, mit wem ich da im Bett landete. Ohne Orgasmus langweilte ich mich.

Die Endorphine, die nach dem Höhepunkt durch meinen Körper strömten, wirkten bei mir wie eine Droge. Als ich mich eines Tages jedoch schon meiner Klamotten entledigte, bevor mein Sugar Daddy überhaupt bei mir zu Hause eintraf, wurde mir klar, dass ich dieses ganze Sugar-Baby-Ding etwas zu weit getrieben hatte. Deshalb probierte ich mal etwas Neues aus, nämlich Swingerclubs.

In den ersten Monaten brachten mir alle möglichen neuen und versauten Erfahrungen sexuelle Erfüllung. Schon bald mussten es dann jedoch mindestens Dreier oder Gangbangs sein. So habe ich vor Kurzem auch an einem Doppel-Gangbang teilgenommen. In anderen Worten: Ich sah so lange dabei zu, wie eine Gruppe Männer eine andere Frau fickte, bis ich an der Reihe war. Eine Zeit lang machten mich auch sogenannte “Glory Holes” richtig an. Wenn mich ein anonymer Penis penetrierte, der durch ein Loch in der Wand kommt, dann war das für mich einfach die perfekte Möglichkeit, schnell und unkompliziert meine Lust zu befriedigen.

Dieses Verlangen nach Befriedigung ist jetzt schon seit gut einem Jahr Teil meines Lebens. Mir ist auch bewusst, dass ich das Ganze nicht so schnell wieder los werde. Andere Menschen vertreiben sich die Zeit mit Videospielen und ich schlafe eben mit Fremden zwischen 40 und 60. Was als Wunsch nach Geschlechtsverkehr mit erfahrenen Männern anfing, hat sich inzwischen zu einer nicht diagnostizierten Form der Sexsucht entwickelt.

Ich sollte wohl bald nach einem anderen Lifestyle streben sowie über mein Verlangen hinwegkommen, erwachsen werden, heiraten, ein Haus kaufen, Kinder kriegen, einen Hund anschaffen und dann irgendwann die Scheidung einreichen—so wie jeder andere Mensch auch. Manchmal fühlt es sich komisch an, kein Leben zu leben, dass man im Allgemeinen als sexuell ausgeglichen beschreiben würde, aber noch ist der Spaß eben größer als die Scham. Ich bin jetzt 22 Jahre alt und weiß, dass ich so nicht ewig weitermachen kann. Vielleicht muss ich mir Hilfe suchen, um das Ganze hinter mir lassen zu können. Die Aussicht auf das Leben danach erscheint mir aber unglaublich langweilig.

Die Autorin schreibt unter einem Pseudonym.