Politik ist für die meisten Leute ein schmutziges Geschäft. Kaum einer vertraut den etablierten Parteien—und wenn man sie trotzdem wählt, dann höchstens in stockholmsyndromhafter Manier und weil Nichtwählen für viele genauso „denkunmöglich” ist wie für Häupl eine Koalition mit der FPÖ. Auch die Kandidaten haben quer durch die Bank schlechte bis negative Beliebtheitswerte in der Bevölkerung (2014 stand etwa Heinz-Christian Strache im Vertrauensindex bei minus 22 Prozent).
Man kann also guten Gewissens sagen: Niemand mag Politik. Politik ist ein schlechtes Produkt mit noch schlechteren Testimonials und den allerschlechtesten Kampagnen, die es abseits von Waschmittelwerbungen aus den frühen 90ern gibt. Das einzige, das die Menschen noch weniger mögen als Parteien und ihre Politiker, sind die Wähler ihrer jeweiligen Hassparteien.
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Hier kommt alles zusammen: Wüste Klischees, wilde Projektionen und ein paar fundamentale Wahrheiten. Und wie immer, wenn wir über andere Menschen reden—besonders über unsere Feindbilder—, sagt das Ergebnis auch in diesem Fall wahrscheinlich mehr über uns selbst aus, als über unser Gegenüber (das sollten wir alle aus Max Frischs ,Andorra‘ in der Schule gelernt haben).
Aus klassischen Wähleranalysen weiß man schon: Die SPÖ ist eine Pensionistenpartei, ÖVP-Wähler leben am Land, die FPÖ wählen wenig Akademiker, die Grünen dafür umso mehr. Uns hat aber auch das Bild hinter den Statistiken interessiert, weshalb wir losgezogen sind und Bürger zu Aussehen, Charakter, Wochenendplanung, Musikgeschmack oder Fernsehvorlieben ihrer Hasspartei-Wähler befragt haben. Illustriert wurden dabei die am häufigsten genannten Begriffe zu den bestehenden Parlamentsparteien (mit Ausnahme des Team Stronach, das offenbar niemand genügend hasst, weil es den Leuten zu egal ist). Ein bisschen Wahrheit lässt sich in den Portraits auf jeden Fall finden—zumindest über uns selbst.
SPÖ-Wähler
Aussehen: 70er Jahre Gemeindebaustyle, ausgeblasstes Jackett & Ruderleiberl mit Goldkette, Vokuhila, Haare flüchten nach hinten, kleiner Bierbauch.
Charakter: Echter Wiener, Grantler mit goldenem Wienerherz
Beruf: Beamter, Postler, aktiv im Betriebsrat
Wochenende: Im Kleingarten, vorm Fernseher, im Stammbeisl
Essen und Trinken: Bier und Spritzer, Schnitzel oder a Haße, Slivovitz zum Nachspülen
Musik: Radio Arabella, Rainhard Fendrich
TV: Tatort, Das Geschäft mit der Liebe, Tatort und Tatort
Sport: Minigolf, Fußball
Analyse: Wien und die SPÖ bilden eine Symbiose—oder ein parasitäres Verhältnis, das ist wahrscheinlich Ansichtssache. Wenn Leute an die Sozialdemokraten und ihre Wähler denken, denken sie jedenfalls an den typischen echten Wiener. In einem Wort: an Mundl. Damit erinnern sie sich zugleich an jene lang vergangene Zeit, in der die SPÖ noch eine Partei war, die eben auch eine Zukunftsperspektive für Menschen wie Mundl bot. Seitdem hat sie mit den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr mithalten können und ist im 70er-Jahre-Mief erstarrt. Der typische SPÖ-Wähler fügt sich passend in den unzeitgemäßen Stil der heutigen Sozialdemokratie.
ÖVP-Wähler
Aussehen: Blad, glubschäugig, trägt Tracht plus Hut mit Fasanenfeder
Charakter: Ernst, verschlossen, traditionell
Beruf: Bauer oder Banker
Wochenende: Kirche, Bauernstammtisch, ansonsten nicht unternehmungslustig
Essen und Trinken: Brettljause mit Bier
Musik: Hansi Hinterseer
TV: Bundesland Heute, Musikantenstadl
Sport: –
Analyse: Christlich-Konservative werden genauso eingeschätzt wie die Volkspartei selbst: Sie bleiben lieber in ihrem Dorf oder Grätzl (so wie die Partei selbst auch nicht wirklich über die Bezirksebene hinaus Wahlkampf macht), sind unauffällig und noch nicht ganz in der Gegenwart angekommen. Im letzten Punkt gleichen sie ihren sozialdemokratischen Rivalen: Sie haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt und träumen wahrscheinlich von Proporz und Parteibuch (und es sind in ihrem Fall keine Alpträume). Die immer mehr verschwindende traditionelle Stammwählerschaft vergangener Zeiten repräsentiert weiterhin die ehemaligen Großparteien und symbolisiert damit zugleich ihren Niedergang.
FPÖ-Wähler
Aussehen: Fake Marken-Jogginganzug, versoffen, ungesund bläuliche Hautfarbe, große Goschen, schlechte Zähne.
Charakter: Unzufrieden, ängstlich, aggressiv
Beruf: Arbeitslos, Handwerker oder Polizist
Wochenende: Zuhause, Volksfest, Heuriger, Beisl
Essen und Trinken: Schnitzel, Cola, drei Bier
Musik: Andreas Gabalier, Strache-Raps, Ö3
TV: RTL, Sky-TV, Actionfilme
Sport: Autofahren
Analyse: Gegner der Freiheitlichen malen oft ähnliche Zerrbilder vom typischen FPÖ-Wähler, wie es die FPÖ selbst mit ihren Feindbildern macht (ob Ausländer, Sozialschmarotzer oder andere Bösewichte). Solche Stereotype helfen uns zwar, Ordnung in die Welt zu bringen und zwischen Gut und Böse zu trennen. Aber sie helfen uns selten Probleme—wie den Erfolg der FPÖ und ihrer rechtspopulistischen Politik—wirklich zu verstehen und Strategien dagegen zu entwickeln. Es bringt wenig, sich ständig über die Deutschkenntnisse von Rechten lustig zu machen. Das war witzig, als es Tucholsky schrieb, aber der ist schon lange tot. Das Bild des verwahrlosten, nationalistischen, asozialen Freiheitlichen ist jedenfalls noch immer weit verbreitet. Die gibt es zwar auch unter den Freiheitlichen, aber bei den 30 Prozent, die in Oberösterreich die dritte Kraft wählten, sind per Definition auch ganz normale Bürger aus der Mitte der Gesellschaft dabei. Wenn es nach ihren Hatern geht, ist die FPÖ jedenfalls eine Partei der Kaputten, Aussätzigen und Proleten—was für alle, die sich nicht der Elite zurechnen, einer der Gründe sein dürfte, die FPÖ zu wählen.
Grün-Wähler
Aussehen: Jutesackerl von den Grünen, ökologisch nachhaltige Fair Trade Biokleidung, Kurzhaarfrisur
Charakter: Zufrieden, selbstgerecht, humorlos, konservativ
Beruf: Medien, Sozial- oder Kultur-Bereich
Wochenende: Kino, Museum, Events
Essen und Trinken: Club Mate, Kaffee, vegetarisches Streetfood
Musik: Jazz, Techno
TV: Arte, ORF-Nachrichten
Sport: Joggen, Yoga
Analyse: Die Grünen wollen vielleicht gern modern und hip rüber kommen, aber das gelingt ihnen zunehmend seltener. Der Kampf zwischen Fundis und Realos ist, was die Wählerschaft angeht, für unsere Befragten schon entschieden. Dieses Bild fügt sich in das staatstragende Image, das die grüne Spitze von sich erzeugen will. Ob die Grünen mit dieser Selbstdarstellung aber nicht ähnlich viele potentielle Wähler in der Linken verscheuchen, wie sie damit in der Mitte gewinnen, wird sich noch zeigen. Die grüne Marke wird jedenfalls leiden: Wer braucht schon eine weitere weichgespülte Partei der Mitte? Demokratie lebt von Konflikt. Und den findet man eher nicht in Mate-Flaschen voller ökologischer Nettigkeit.
NEOS-Wähler
Aussehen: Jung, schleimig, spießig
Charakter: liberal, ehrgeizig, aufstiegsorientiert
Beruf: Chef, Agenturangestellter in hoher Position, Start-up-Gründer, Unternehmer
Wochenende: Weiterbildungen, Museumsbesuche, Familienausflug, Reisen, Clubs
Essen und Trinken: Steak, Fusion Cuisine, Power-Drinks
Musik: Popmusik, Clubmusik
TV: –
Sport: Segeln, Golf, Skifahren, Fitnesscenter
Analyse: Über die Workaholics, die die NEOS wählen, haben sich die Leute anscheinend schon klarere Vorstellungen gebildet, als über die neue Partei selbst. Alle Leute, die wir gefragt haben, waren sich einig, wie typische NEOS-Sympathisanten ticken—ob das stimmt, ist eine andere Frage. Das Image der NEOS wird derzeit genauso stark durch ihre potentiellen Wähler und deren Hater bestimmt, wie über die von der politischen Spitze der NEOS vorgegebene politische Ausrichtung. Insgesamt wirkt der typische NEOS-Wähler (und ja, den Befragten nach sind es Männer) trotz der intensiven Farbgebung der Partei ein bisschen farblos. Abgesehen davon, dass man die NEOS eher als urbaner junger Spießer wählt, der sich nicht unbedingt auf den Staat verlassen will, gibt es hier wenig griffige Anknüpfungspunkte. Es bleibt abzuwarten, wie viel Identifikationspotential die Liberalen entfalten können, wenn die medial und politisch vorbereitete Schlacht um Wien zwischen Freiheitlichen und Sozialdemokraten stattfindet.