Wie steht es um Sex Positive Partys in Wien?

Sex-Positive-Party in Wien von Hausgemacht

Eines Vorweg: Sex Positive Partys sind keine Sexpartys, keine Swinger-Aktionen mit Hintergrund-Gedudel und vor allem nicht die Art von Partys, die du auf Pornhub siehst. Es bedeutet nicht, dass man hauptsächlich wegen dem Ficken da ist – man ist noch immer zum Feiern da und die Musik steht genauso im Vordergrund wie auf anderen Partys. Aber sollte die Lust auf Sex gegeben sein, gibt es die Orte und die Akzeptanz, die das ermöglichen. Manche Sex Positive Partys legen den Fokus auf Fetisch-Unterwäsche, Reizwäsche oder nacktes Feiern und andere haben einen lockeren Dresscode und bieten Darkrooms – also halb-versteckte Ortschaften – im Club an. Vor allem in Berlin gibt es einige Sex Positive Locations. Das Berghain hat Darkrooms, der KitKatClub wird am Samstag als Fetisch-Club verstanden, mit Darkrooms und Dresscode.

Es gibt dort auch einige Veranstalter und Kollektive, die an Locations wie dem ://about:blank solche Orte schaffen. Kathi von Poly-Motion – einem dieser Kollektive – sagte 2017 gegenüber THUMP: “Vielleicht hilft es, sich beim Annähern an den Begriff ‘Sex’ davon zu verabschieden, dass damit (nur) der, wie auch immer praktizierte Sexualakt, sondern eher die sexuelle Selbstbestimmung, die geschlechtliche Selbstdefinition beschrieben wird.”

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Der Begriff “Sex Positive” hat seinen Ursprung im anglo-amerikanischen feministischen Kampf. Er bezieht sich somit mehr auf die bis dahin unterdrückten Minderheiten und meint damit die Inklusion von verschiedensten sexuellen Orientierungen, als auch die Aufklärung von Vorurteilen.

Man kann dort also vögeln, man kann sich in Outfits ausleben – aber man muss nicht. Wenn der Meat Market in der Forelle residiert, wird den Gästen immer ein Darkroom zur Verfügung gestellt. Wir haben Gerald VDH, den Veranstalter von Meat Market, gebeten, uns eine Einschätzung zu geben, warum es in Wien kein reichhaltiges Angebot an Sex Positive Partys wie in Berlin gibt: “Österreich ist ein christlich-konservatives Land mit einer einzigen Großstadt. Auch wenn Wien eine weltoffene und liberale Weltstadt ist, so hängt der Dampf dieses Landes, das sich immer mehr von der Freiheit weg bewegt, über ihr. Sex wird wieder mehr zur Privatsache.”

Sex sei hierzulande mehr etwas, was man hinter verschlossenen Türen macht, etwas, das tabuisiert wird – die Bordelle und Swinger-Clubs finden ihren Platz in den Vorstädten oder am Rande von Wien, sagt Gerald VDH weiter. Die Meat-Market-Partys versuchen mit dem Bild zu brechen und Sex wieder etwas Normales und Natürliches werden zu lassen: “Wir bieten bei unseren Partys gerne Darkrooms an, weil sie sprichwörtlich den Druck aus der Veranstaltung nehmen. Wer gerne unverbindlichen Sex mit Unbekannten hat, kann sich im Darkroom ausleben. Wir hören sehr oft, dass auch Paare dort Sex haben. Wenn du beim Tanzen merkst, dass du jetzt gerne Sex haben würdest, dann kannst du das tun, ohne die Party zu verlassen. Danach wird weiter getanzt. Happy Days.”


Janice Grifftih erzählt von Sex Positivity:


Aber warum scheinen sich die meisten österreichischen Veranstalter und Gäste zu zieren? Immerhin ist ein tolerantes Konzept – bei dem man kann, aber nicht muss – doch eigentlich ein Win-Win für alle. Auch hier hat Gerald VDH eine Vermutung: “Ich glaube, dass es für viele Menschen schwierig ist, sich zu einem Darkroom zu bekennen. Dabei ist freie Sexualität das Merkmal einer liberalen Gesellschaft. Ich finde das nicht anrüchig. Und wer den Darkroom nicht nutzen möchte, wird auch niemals dazu gezwungen. Sex Positive und “No Means No” sind für mich keine Widersprüche. Im Gegenteil. Eine Party mit Darkroom steht da sinnbildlich für die Gesellschaft. Sex ist einfach ein Teil des Lebens und ein Teil von der Clubkultur. Darauf zu bestehen, dass dieser immer und ausschließlich konsensual stattfinden muss, ist oberste Voraussetzung im Zusammenleben, allgemein und bei jeder Party.”

“Ich glaube, dass es für viele Menschen schwierig ist, sich zu einem Darkroom zu bekennen. Dabei ist freie Sexualität das Merkmal einer liberalen Gesellschaft. “

Genutzt wird der Darkroom aber doch. Beim Meat Market gibt es keinen speziellen Dresscode – wie es zum Beispiel im Berliner KitKatClub üblich ist. Obwohl Österreich eine reichhaltige Nudisten- und FKK-Szene hat (wir kämpfen jedes Jahr um den ersten Platz mit Deutschland), ist Nacktsein in Wien irgendwie kein Partykonzept von jungen Erwachsenen. Nackt sein außerhalb der eigenen vier Wände ist heute eher alternativ, links oder meistens beides. Aber in Deutschland funktionieren diese Konzepte – und zwar für alle: Bisexuelle, Homosexuelle und Heterosexuelle. Sie werden rege von jungen Menschen besucht und nicht zuletzt das ZEITmagazin schrieb letztes Jahr über diese Art von Partys (leider haben sie aber sexpositive Partys mit Sexpartys verwechselt).

“Es fehlt die Feldforschung,” sagt Crazy Sonic, der in Wien in der Grellen Forelle, in der Pratersauna oder auch im HORST veranstaltet und auch bei Noisey über Clubkultur schreibt. Er würde sich nicht trauen, diese Art von Events in einem dieser Lokale zu machen: “Es fehlen auch die Locations und die Tradition dafür. Mit einem Lokal wie zum Beispiel dem Werk und jungen Veranstaltern könnte es eventuell klappen. Ich denke, dass es in der Hetero-Szene schwieriger ist, solche Partys zu etablieren, als in der Homosexuellen-Szene.” War Wien bis dato also nicht mutig genug?

Flo, der regelmäßig nach Berlin fliegt, um dort unter anderem Sex Positive Partys zu besuchen, erzählt, dass er einmal im Sling in Wien war: “Das ist so ein Schuppen, wo im Keller ein Darkroom ist. Wenn man Berlin-Partys gewohnt ist, dann ist man bisschen abgestumpft.” Einmal war er auch in der Forelle und auf die Frage, ob das Konzept seiner Meinung nach auch in Wien funktionieren würde, meint er: “Ich glaube, die Leute würden das schon wollen hier, nur gibt es im Vergleich keine wirklich guten Partys und es sind immer nur die selben Gays dort, weil viel zu wenig hier wohnen oder herziehen.”

Viele linke Lokale, die in Frage kämen, sind oder wirken nicht besonders sauber und sind zu klein. Trotzdem: Es wäre möglich, eine hygienische und akzeptierende Umgebung zu schaffen. Das alles könnte – ähnlich wie im Fall der FKK-Strände und Nacktsaunas – das eigene Körpergefühl stärken. Eine Studie aus England fand heraus, dass Naturalisten – Menschen, die gerne auch an semi-öffentlichen Orten nackt sind – grundsätzlich glücklicher sind, ein höheres Selbstbewusstsein und ein besseres Körperbild haben.

Die Vielfalt auf allen Ebenen zu forcieren, sollte ein Ziel der Gesellschaft sein – vor allem das Wiener Nachtleben schöpft seine Möglichkeiten diesbezüglich nicht wirklich aus. Viele Lokalbesitzer und Veranstalter sind auch gegen strengere Dresscodes – die bei einer Fetisch-Party aber unumgänglich wären.

Würde man sich auf einen weniger strengen Dresscode einigen, läuft man wiederum Gefahr, dass sich Menschen, die nackt oder fast nackt sind, deshalb unwohl fühlen. Es müssten zusätzlich die Ausweise kontrolliert werden, Handys abgeklebt und die Türe strenger gemacht werden. Das alles könnte die von der lockeren Türe verwöhnte Partyszene Wiens überfordern.

Doch mit eingeschulten Securitys wäre es durchsetzbar. Was die Hygiene betrifft, kann man mit dem richtigen Mindset der Gäste, dem richtigen Lokal und den entsprechenden Vorkehrungen auch ein Umfeld schaffen, in dem man sich wohl fühlt und sich keine Sorgen machen muss. Man darf auch nicht vergessen, dass höchstwahrscheinlich die Wenigsten auf solchen Partys Sex haben würden.

Das Partykonzept spaltet Gemüter und ist vielleicht schon alleine deshalb nicht für das konservative Österreich geschaffen. Oder vielleicht sollte es genau deshalb forciert werden. In einem Punkt sind wir uns aber einig: Die Message solcher Partys – also die der Gleichberechtigung, ganz gleich welche sexuelle Orientierung und welches Geschlecht man hat – ist eine wichtige.

Hier könnt ihr heute an einer Sex Positive Party in Wien teilnehmen – zumindest, wenn ihr euch benehmen könnt.

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