Tech

Wie zwei slowakische Ingenieure den Traum vom fliegenden Auto realisieren wollen

Als ich Stefan Klein als verrückten Erfinder bezeichne, ist das für ihn keine Beleidigung. Im Gegenteil: Es zaubert dem slowakischen Ingenieur nur ein müdes Lächeln ins Gesicht. Man sieht ihm an, dass er die Rolle des innovativen Querdenkers voll und ganz genießt. Das hat durchaus seine Berechtigung, denn gemeinsam mit seinem Vater schraubte er bereits als 15-Jähriger an einem Auto mit Flügeln—und übernahm schon damals bereitwillig die Rolle des Testpiloten. 

Drei Jahrzehnte später ist Klein der Technikchef von AeroMobil. Dem Unternehmen, das er gemeinsam mit dem Investor und Manager Juraj Vaculik 2010 gegründet hat. Inzwischen hat sich sein Teenager-Traum in einen Fulltime-Job verwandelt.

Videos by VICE


Die Gründer Juraj Vaculik (links) und Stefan Klein (rechts) neben dem Prototypen des AeroMobil 3.0. Alle Bilder: AeroMobil. Verwendet mit freundlicher Genehmigung.

Das Start-up aus dem slowakischen Bratislava hat mit Version 3.0 des AeroMobils in der vergangene Woche auf dem Pioneers Festival in Wien eine alltagstaugliche Kombination aus Sportwagen und leichtem Sportflugzeug präsentiert. Es ist eine Weiterentwicklung der ersten, tatsächlich funktionsfähigen Version, die die Ingenieure bereits Anfang der 1990er in Kleins Garage zusammenschraubten. 

An ihrer Vision haben sie seither festgehalten und diese kontinuierlich weiterentwickelt. Das AeroMobil ist nicht als exotisches Nischenfahrzeug gedacht, sondern soll so wie Autos und Motorräder irgendwann als legitime und eigenständige Fahrzeugkategorie existieren und ganz normal am Serienmarkt zu erwerben sein. Unabhängig von der Frage, ob das Ganze nicht vielleicht nur ein weiteres, teures Gadget für Fans des möglicherweise auslaufenden Automobilitätszeitalters ist, ist das Aeromobil ein faszinierendes Zeugnis beharrlicher, innovativer Ingenieursarbeit.

Wir arbeiten an intelligenten Autopiloten, damit du vielleicht schon bald keinen führerschein mehr brauchst.

Die Vorteile des ungewöhnlichen Hybrids liegen laut den Gründern Stefan Klein und Juraj Vaculik auf der Hand und gängige Probleme des Automobil- und Luftverkehres sollen damit gelöst werden: Staus und deren negative Effekte, wie etwa Umweltverschmutzung und vergeudete Zeit, fallen weg, langwierige Wartezeiten Flughäfen und Umwege wegen fehlender Straßen-Infrastruktur sollen ebenfalls obsolet werden. Zumindest entstehen deutlich mehr Freiheiten, als wir es von konventionellen Autos und Flugzeugen gewohnt sind.

Das Chassis des AeroMobil ist sechs Meter lang, besteht aus einem Mix aus Kohlenstoff und Stahl und erreicht so ein Leergewicht von nur 450 Kilogramm. Das Cockpit ist nicht wirklich geräumig, bietet aber dennoch ein gewisses Maß an Komfort und Platz für zwei Personen. Im Auto-Modus ist das ungewöhnliche Vehikel nur 1,6 Meter breit, an der Länge von sechs Metern ändert sich aber nichts. Wer sich also im urbanen Bereich auf Parkplatzsuche begibt, könnte einige Schwierigkeiten Problemen zu kämpfen haben. 

Doch richtig spannend wird es sowieso erst in der Luft: Per Tastendruck lassen sich die an den Seiten angelegten Tragflächen ausfahren, die Prozedur gleicht einem vollautomatischen Cabrio-Verdeck. Ist der Wechsel in den Flugmodus beendet, kommt das AeroMobil auf eine Spannweite von 8,2 Meter.

Im Flugmodus beträgt die Flügespannweite 8,2 Meter.

In beiden Modi wird das AeroMobil von einem Rotax 912 Boxermotor angetrieben, der mit 100 PS für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h am Boden und eine Fluggeschwindigkeit von maximal 200 km/h sorgt. In der Luft soll die Reichweite bis zu 700 km und am Boden bis zu 500 km betragen. Während die Bedienung am Boden weitestgehend der eines gewöhnlichen Autos gleicht, ist der Flugmodus nicht nur technisch, sondern auch in Sachen Benutzerfreundlichkeit eine Herausforderung. 

Ich habe mit Stefan Klein, dem Erfinder und Co-Gründer von AeroMobil, sowie seinen Kollegen Ladislav Batík (Chief Operational Officer) und Martin Bruncko (Chief Strategy Officer) über die Vision des Aeromobils gesprochen, und welche Hürden sie noch auf dem Weg zu einem Flugauto für den Alltagsgebrauch überwinden müssen.

Motherboard: Wie schwer ist das AeroMobil zu fliegen und braucht man eine spezielle Ausbildung?

Stefan Klein: Im PKW-Modus reicht ein regulärerer Autoführerschein, im Flugmodus ist eine Privatpilotenlizenz (PPL) notwendig. In der EU braucht man dafür 40 bis 45 Stunden Flugpraxis, in den USA sogar nur 35 Stunden. Die Voraussetzungen entsprechen also jenen eines Leichtflugzeuges, wie bei einer einmotorigen Cessna. In Zukunft könnten aber all diese Anforderungen wegfallen, da wir und die ganze junge Branche an autonomen Systemen und intelligenten Autopiloten arbeiten, die den kompletten Flugvorgang übernehmen sollen.

Wieviel wird das AeroMobil kosten und ab wann wird es erhältlich sein?

Wir können und wollen dazu noch keine genaueren Angaben machen. Bevor es ein genaues Releasedatum gibt, wollen wir mit derartigen Informationen nicht an die Öffentlichkeit. Der Preis wird auf alle Fälle die Kombination aus luxuriösem Sportwagen und leichtem Sportflugzeug widerspiegeln.

Die Länge von rund sechs Metern könnte die Parkplatzsuche etwas schwierig machen.

Könnt ihr Angaben zu den laufenden Kosten machen?

Die laufenden Kosten entsprechen im Grunde denen eines kleinen Sportflugzeuges minus den Kosten für die Unterbringung. Ein klassischer Hangar ist nicht nötig, sondern nur eine eigene Garage. Es kann ganz normaler Treibstoff getankt werden und auch der Verbrauch des Motors ist moderat.

Wie sieht die aktuelle Motorisierung aus?

Ladislav Batík: Im AeroMobil 3.0 ist ein Rotax-Motor mit 100 PS verbaut, es gibt aber wie gesagt Pläne für andere Motorisierungen. In der Flugzeugindustrie gibt es Motoren mit besserem Verhältnis aus Gewicht und Performance, die Entwicklungen auf diesem Segment verfolgen wir und denken über eine vernünftige Integration nach. Das ist aber nicht leicht, da das AeroMobil ja auch als Auto funktionieren und zugelassen sein muss.

Also macht ihr euch auch zu Elektromotoren Gedanken?

Wir forschen an diversen Antriebsarten und denken aktiv über einen kombinierten Einsatz in Form eines Hybridantriebes nach. Wir denken, dass sich der Hybrid-Ansatz sehr gut für unsere Zwecke eignet. Näheres können wir aber erst im Zuge des nächsten oder übernächsten AeroMobil-Modells preisgeben. Allerdings gibt es mit der aktuell verfügbaren Technologie einige Probleme, die es zu lösen gilt. Etwa das hohe Gewicht der Akkus, aber wir arbeiten daran und verfolgen die neuesten Entwicklungen.

Die Amaturen des Cockpits erinnert eher an ein Flugzeug als an ein Auto.

Was war die größte Schwierigkeit während der Entwicklung des AeroMobil 3.0?

Martin Bruncko: Die größte Herausforderungen war es, die beiden Betriebsmodi in ein und dasselbe Vehikel zu verpacken. Unser Ansatz war es, dass das AeroMobil 3.0 sowohl funktionell als auch was das Design betrifft, attraktiv sein sollte. Nach dem wir das aktuelle Modell in nur 10 Monaten entwickelt haben, war natürlich auch die Zeit eine riesige Herausforderung.

Denkt ihr, dass in ein paar Jahren fliegendes Autos alltäglich sein werden?

Sie werden sicherlich häufiger anzutreffen sein. Wie bei jeder disruptiven Technologie dauert es eine Weile, bis der Massenmarkt sie wahrnimmt. Wenn wir 5 oder 10 Jahre in die Zukunft blicken, werden fliegende Autos nicht alltäglich sein, aber es wird sie vereinzelt geben.

Und AeroMobil wird der Motor hinter dieser Entwicklung sein?

Stefan Klein: Das ist Teil unserer Vision.

Ladislav Batík: Wir sind bereits jetzt nicht die einzigen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Gemeinsam mit anderen, wird dieser Markt sicherlich wachsen. Wir wollen jedenfalls zu den führenden Playern in diesem Segment gehören.

Der aktuelle Prototyp hat sich in diversen Testflügen bewährt.

Wie läuft der Start- und Landevorgang ab?

Grundsätzlich ist kein richtiger Flughafen nötig, um zu starten oder zu landen. Es reicht eine ebene Grasfläche. Das ist sehr wichtig, denn je weniger Einschränkungen es bei Start und Landung gibt desto flexibler ist die Nutzung des AeroMobil. Für den Take-Off sind 200 Meter und für die Landung 100 Meter notwendig, diese Angaben sind allerdings noch nicht final und gelten für den aktuellen Prototypen.

Sind Take-Off und Landung auf normalen Straßen möglich?

In eigentlich allen Staaten Europas sind Take-Offs und Landungen auf Straßen gesetzlich nicht erlaubt. Man darf aber von jedem beliebigen Land aus starten, solange man die Erlaubnis des Landeigentümers hat. Wenn es sich um eine private Straße handelt und man diese besitzt oder die Erlaubnis des Besitzers hat, sind theoretisch auch dort Starts und Landungen erlaubt.

Denkt ihr auch über vertikale Start- und Landemanöver nach?

Unser Fokus liegt definitiv auf einem horizontalen Start auf einer Landebahn. Wir haben uns bewusst gegen den vertikalen Ansatz entschieden, da dies deutlich mehr Gewicht, Kosten und technische Herausforderungen bedeuten würde. Unser Ziel ist es, die Start- und Landedistanz so kurz wie möglich zu gestalten.