Popkultur

Ich habe mit WikiHow versucht, auf Facebook einen Typen aufzureissen

Anscheinend ist Facebook nicht nur eine Plattform, auf der man seinen Club-Aufriss stalkt oder sich von Werbungen für Dildos und Partnerbörsen zuspammen lässt. Facebook weiss auch, dass ich single bin, selbst wenn ich meinen Beziehungsstatus nicht öffentlich im Profil angegeben habe. Zumindest glaube ich das, seit ich regelmässig Freundschaftsanfragen von Typen erhalte, denen ich ganz bestimmt noch nie über den Weg gestolpert bin. Wahrscheinlich werde ich anderen Singles im Feed angezeigt unter der Sparte “Personen, die du vielleicht kennst”.

Immerhin gibt es Leute, die in Facebook ein Potential sehen, um andere User aufzureissen. Das ist wohl die einzig plausible Erklärung neben “Es ist das Internet” für den WikiHow-Ratgeber “Flirten auf Facebook“, der wohl nicht nur mir zeigen soll, wie man ausserhalb versiffter Club-Atmosphäre auf ein Objekt der Begierde zugeht.

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Ich hatte bis jetzt keine grossen Probleme damit, irgendwo auf Fremde zuzugehen und sie einfach mal vollzulabern. Auf Facebook empfinde ich es hingegen als ziemlich schräg, wenn mir eine wildfremde Person schreibt und selber habe ich noch nie auf eine Nachricht geantwortet, wenn ich mir nicht sicher war, dass ich den Absender kenne oder kennen könnte. Wer ist also besser dazu geeignet, dank WikiHow seinen Rookie-Status im Facebook-Flirt zu verlieren als ich? Beginnen wir mit Schritt 1:

1. Aktualisiere dein Profil

Screenshot von WikiHow

Bereits beim ersten Schritt stehe ich jedoch schon vor dem ersten Problem: Mein Profil ist voll mit Nachrichten darüber, wie schlecht die weltpolitische Situation und die Menschheit eigentlich ist, was aber laut WikiHow keinen guten Eindruck mache. Eine “offenkundige politische, religiöse oder anderweitig starke Meinung” sei nämlich riskant und ich werde beraten, lieber meine Persönlichkeit statt Überzeugungen zu zeigen.

Gleichzeitig sollte das Profil den Eindruck machen, “dass [ich] wahrscheinlich eine kluge, witzige Person [bin]”. Ob ich das überhaupt bin, lasse ich vorerst im Raum stehen und ziehe den Schluss, dass das Titelbild vom Qalandia-Checkpoint bei Ramallah mit einem “Free Palestine“-Tag in der Mitte und womöglich auch das Profilbild, worauf ich mit meinem Bruder und Bierflasche am Fusion Festival abgebildet bin, ausgewechselt werden müssen.

Screenshot von meinem alten Profil—R.I.P. | Screenshot von der Autorin

Ausserdem weist mich WikiHow darauf hin, die Privatsphäreeinstellungen zu lockern. Wäre ja dumm, wenn sich der potentielle Flirt gar kein Bild von mir machen könnte, weil alle Fotos nur meinen eigenen Freunden angezeigt werden.

2. Sag nein zu Kätzchenbilder

Screenshot von WikiHow

Bei der Auswahl dieser Fotos kann mir WikiHow ebenfalls wertvolle Tipps geben. Zum Beispiel steht da: “Falls du Unsicherheiten aufgrund deines Aussehens hast, lasse ein professionelles Portrait machen.” Eigentlich habe ich sehr viele Unsicherheiten bezüglich meines Aussehens, aber leider mindestens so viele finanzielle Unsicherheiten, weshalb mir das Budget für ein wirklich professionelles Portrait fehlt und wohl trotzdem Bierflasche und Bruder genügen müssen.

Screenshot von der Autorin

Das Titelbild tausche ich mit einem Landschaftsfoto aus, das mich selbst zwar an meinen Aufenthalt in der West Bank erinnert, aber nicht ganz so offensichtlich politisch ist. Klingt nach einem ziemlich guten Kompromiss.

3. Zieh die Annäherung nicht in die Länge

Screenshot von WikiHow

Dieser Schritt ist eigentlich gar kein wirklicher Schritt, sondern ein Hinweis darauf, dass ich nicht zu lange mit der Vergabe der ersten Likes warten sollte, nachdem ich bereits virtuellen “Augenkontakt” zu meinen Flirt-Partnern aufgebaut habe. Das sei nämlich genauso unheimlich, wie in der Öffentlichkeit jemanden anzustarren, ohne etwas zu sagen. Kurz also: Ich soll nicht nur die Fotos liken, sondern die Person anschreiben.

Da ich generell sehr selten etwas auf Facebook like, abgesehen von süssen Tiervideos oder bahnbrechenden Statements von Aktivisten, empfinde ich es als angemessen, diesen “Schritt” zu überspringen.

4. Mache den ersten Schritt

Screenshot von WikiHow

Hier unterscheidet WikiHow, ob man bereits mit der Zielperson befreundet ist oder ob es ein “Freund von einem Freund” ist. Ich sehe irgendwie nicht den Sinn, mit jemanden zu flirten, den ich schon kenne und suche mir deswegen neue Opfer aus. Es gibt sogar vorgefertigte Sprüche zur Auswahl, mit welchen man laut WikiHow eine gute Annäherung landen kann. Praktisch!

Dennoch ist dieser Schritt nicht ganz so einfach. Es wird zum Beispiel nicht erklärt, wie man Zweifel und dumme Ausreden überwindet, weil man doch immerhin mehr als 20 gemeinsame Freunde mit den Zielpersonen hat. Es überkommt mich eine narzisstisch angehauchte Angst, dass sie vielleicht einen der gemeinsamen Freunde über mich ausfragen könnten und ich brauche schlussendlich einen halben Tag, zwei Gläser Weisswein und die Unterstützung der Mitbewohnerin, um endlich vier hübsche, junge Männer mit den vorgefertigten Sprüchen anzuschreiben.

Immerhin sind wir nun befreundet | Screenshot von der Autorin

Als dann noch die Sorge auftritt, dass die Angeschriebenen meine Bombenanmache gar nicht sähen, weil sie in Facebooks Spam-Ordner landet, sende ich zweien der vier noch zusätzlich eine Freundschaftsanfrage. Mit beachtlichem Teilerfolg: Nur zehn Minuten später wird eine angenommen. Auf meine Nachrichten antwortet trotzdem niemand. Darum entscheide ich mich erstmal für einen Schönheitsschlaf—und siehe da, am nächsten Morgen hängt eine Nachricht in der Messagebox! Sogar von einem, dem ich keine Freundschaftsanfrage geschickt habe.

Screenshot von der Autorin

Ich bin glücklich und gleichzeitig ziemlich nervös. Was antworte ich nur darauf? WikiHow ist nicht wirklich hilfreich und rät mir lediglich, dass ich das Gespräch am Laufen halten soll, indem ich mehr über ihn herausfinde. Also stalke ich den Typen mal richtig aus und hoffe, dass mir etwas einfällt, denn leider hat mein Gesprächspartner meine Frage “wollen wir einen Kaffee trinken gehen?” nicht beantwortet. Das hätte das Ganze um einiges vereinfacht.

5. Verwende deine Freunde

Gemäss WikiHow soll man an dieser Stelle der digitalen Flirt-Dramaturgie etwas wie “Das Stück, das [Name eines gemeinsamen Freundes] dir letztens geschickt hat. So cool, oder? Irgendwie haben wir Glück, dass das Internet so.. verrückt ist?!” schreiben.

Da das in meinem Fall noch nicht viel Sinn macht—weil eigentlich noch gar kein richtiges Gespräch existiert, ich habe es ja immer noch nicht geschafft, dem Typen zu antworten—verschiebe ich diesen Schritt auf einen späteren Zeitpunkt.

6. Kommentiere regelmässig seine/ihre Beiträge

Auch an dieser Stelle muss ich sagen, dass ich ausser Gefecht bin. Ich kann nämlich gar keine Bilder kommentieren, wenn er mich nicht als Facebook-Freundin akzeptiert. Traurig, aber wahr.

7. Wenn du recht selbstbewusst bist, flirte ganz direkt

Nach WikiHow soll man an diesem Punkt, wenn man mit einem “Jungen” schreibt, direkt werden. Bei Mädels rät WikiHow seltsamerweise “indirekter und poetischer” vorzugehen. Ich wüsste gerne, bei welcher Frau so eine umständliche Nachricht wie jene, die WikiHow vorschlägt, tatsächlich zieht:

“Ich will nicht zu direkt klingen, aber weisst du, welche Wirkung du auf mich hast? Ich kann nicht für andere Jungs sprechen, aber ich muss ständig an dich denken, weil ich dich nicht aus dem Kopf bekomme. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich würde mich gern persönlich mit dir unterhalten.”

Jetzt erst merke ich, wieso ich bislang so eine kleine Erfolgsquote hatte: Ich war vorschnell und habe Sprüche gebracht, die eigentlich erst jetzt an der Reihe gewesen wären. Auf Facebook funktioniert das anscheinend nicht so wie im Club (“Hey, willst du was trinken?”) und man muss dem “Angeschriebenen” etwas mehr Zeit lassen. Zeit, damit er auch mich stalken und herausfinden kann, ob er sich überhaupt mit mir abgeben will.

Der falsche Spruch zur falschen Zeit | Screenshot von der Autorin

Deswegen hat mein Gegenüber wohl die Frage nach dem Kaffee-trinken-Gehen bis jetzt ignoriert. Ich muss mir also erst noch etwas aus der Nase ziehen und schau nochmals sein Profil durch—in der Hoffnung, Gesprächsstoff zu finden.

8. Lerne, wann du weitermachen und wenn du aufhören solltest

Weil alles irgendwie so holperig wurde, möchte ich am liebsten jetzt schon aufgeben und mich unsichtbar machen. Da ich aber selber mehrfach schon zum Ghosting-Opfer wurde, kommt das nicht infrage. Facebook-Flirts finde ich bis jetzt höchst unangenehm und wenn mir etwas unangenehm ist, fange ich an, einfach irgendwas zu labern. Meistens ist das dann wirklich dummes Zeug und mache alles gekonnt noch schlimmer, als es schon ist (“Da bekomme ich gleich Lust zu Zelten! Weisst du, ich zelte total gerne. Also, zwar komm ich sehr selten dazu—also eigentlich war ich dieses Jahr nur einmal Zelten und das war an einem Festival. Aber ich meine das andere Zelten, in der Natur und so—ach, vergiss es.”). Innerlich verabschiede ich mich also bereits von meinen Flirts: “Adieu, schöne Facebook-Bekanntschaft, das war es wohl bereits mit uns. Vielleicht klappt es ja in einem anderen Leben—hoffen kann man ja.”

9. Sei du selbst!

Immerhin hat sich mit meinem nervösen Gelaber der allerletzte Schritt bereits umgesetzt: Ich war ganz mich selbst. Das sei laut WikiHow am attraktivsten und ich solle Spass daran haben. Tatsächlich scheint WikiHow recht und die Qualen einen Sinn zu haben, denn er meldet sich trotz allem noch.

(M)ein Held | Screenshot von der Autorin

Zwar steht der exakte Termin für einen Kaffee mit meinem “Flirt” noch in den Sternen, aber das Wissen, dass es tatsächlich zu einem echten Date kommen könnte, schmeichelt meinem Ego schon ein wenig.

Inzwischen habe ich ihm gebeichtet, dass ich nicht “zufällig über sein Profil gestolpert bin”, sondern dass ich ihn eigentlich nur angeschrieben habe, weil WikiHow mich dazu aufgefordert hatte. Doch auch das lässt ihn ziemlich kalt und ich merke einmal mehr, dass ich mir zu viele unnötige Gedanken über alles und jeden mache. Da können allwissende Plattformen wie WikiHow, die diesen Gedanken quasi als Richtschnur dienen, also doch ganz nützlich sein. Hätte ich das doch nur schon gewusst, als ich mich gefragt habe, welcher Unbekannte mir damals Valentinskarten geschickt hat—das ist zwar nie passiert, aber auch dazu wüsste WikiHow Bescheid.

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Titelfoto von Lukasz Porwol | Flickr | CC BY 2.0