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Heerscharen von aufgeputschten Wirtschaftsstudenten strömen wie Termiten aus einem leicht säuerlich riechenden Auditorium, als der erlösende Dreiklang des Gongs die Mittagspause einläutet. Die Studenten haben gerade eine vierstündige Assessment-Prüfung hinter sich gebracht, bei der gemäss einer altbekannten HSG-Gruselgeschichte jeder zweite durchfallen wird. Die andere Hälfte der Studentenschaft wird eines Tages wohl den Posten eines Investmentbankers, Chefdiplomaten oder Wirtschaftsberaters übernehmen können.
Genau das Klientel also, das hinter einer der drei Vorlagen stehen dürfte, über die das Schweizer Stimmvolk am 12. Februar entscheiden wird: der Unternehmenssteuerreform III (USR III). Die Vorlage sieht vor, bisherige steuerliche Entlastungen für Briefkastenfirmen und Grosskonzerne abzuschaffen und durch neue zu ersetzen, die dann aber für alle Schweizer Unternehmen gelten sollen. Ziel ist es, den als Steueroase in Verruf geratenen Wirtschaftsstandort Schweiz an internationale Steuerstandards anzupassen, ohne dabei die Firmen zu vertreiben, die bisher von den Steuerprivilegien profitierten.
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Während der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments die Steuerreform gutheissen, gehen den Gegnern der Vorlage die neuen steuerlichen Entlastungen zu weit. So rechnen die Gegner mit Steuerausfällen von rund 2.7 Milliarden Franken pro Jahr, welche durch eine höhere Besteuerung von Privatpersonen sowie einen Sozialabbau kompensiert werden müssten. Zudem kritisieren SP und Grüne, dass nur Grosskonzerne und reiche Aktionäre von der Reform profitieren würden. Zudem
So richtig weiss aber niemand, wie sich die Reform genau auswirken wird, denn viele Faktoren sind vor der Abstimmung noch unbekannt. Etwa wie viele Firmen bei einem Ja tatsächlich abwandern würden, oder wie die Kantone ihre Steuersätze anpassen werden. So beschreibt die NZZ die Reform sogar als “eine der wohl komplexesten Vorlagen seit Jahren”. Zur allgemeinen Verunsicherung trug auch ein Votum von Eveline Widmer-Schlumpf bei – der Alt-Bundesrätin, auf die die Reform zurückgeht. Im Blick äusserte sie Bedenken wegen einer fehlenden Gegenfinanzierung: “Dieses Paket ist nicht mehr dasselbe, das der Bundesrat vorgelegt hat. Es gibt ein paar Punkte, welche die Reform aus der Balance gebracht haben.”
Deswegen haben wir das getan, was man in Zeiten der generellen Orientierungslosigkeit schon einmal tun kann: Wir haben mit unseren Fragen die künftige Wirtschaftselite konsultiert. Genauer gesagt, Assessment-Studenten von der Hochschule St. Gallen, welche die Vorlage jedoch nicht so vehement verteidigt haben, wie man hätte erwarten können:
Silvan, 19
VICE: Je nach Kanton bezahlen heute normal besteuerte, Schweizer KMU 12 bis 24 Prozent Steuern, während ermässigt besteuerten Statusgesellschaften bloss 8-12 Prozent verrechnet werden. Findest du es richtig, dass die Schweiz bisher ausländische Firmen tiefer besteuert hatte als einheimische?
Silvan: Bis zu einem gewissen Grad ja, denn dadurch hat die Schweiz unter dem Strich mehr Steuereinnahmen. Wobei ich nicht denke, dass die Steuern der primäre Grund sind, wieso viele ausländische Firmen in die Schweiz gekommen sind. Da haben andere Standortfaktoren wie Infrastruktur, Bildungslevel, Rechtssicherheit sowie die tiefe Streikbereitschaft auch einen wichtigen Einfluss gehabt.
Um den internationalen Steuerwettbewerb stärker zu kontrollieren, hat die OECD neue Standards festgelegt, welchen das Schweizer Steuersystem jedoch nicht mehr genügt. Deswegen sieht sich die Schweiz nun gezwungen, die Steuerprivilegien für Grosskonzerne und Briefkastenfirmen (Statusgesellschaften) abzuschaffen. Ist es gut, dass die Schweiz auf den Druck der OECD reagiert?
Ich finde, die Schweiz sollte sich als souveräner Staat so wenig wie möglich von aussen beeinflussen lassen.
Wie und wo informierst du dich vor Abstimmungen?
Ich lese immer erst das Abstimmungsbüchlein, bevor ich mir die Argumente von Parteien und anderen Organisationen anschaue. Dann konsumiere ich natürlich Medien und schaue mir Debatten wie die Arena an. Aber man kann sich auch zu stark informieren und sich dadurch beeinflussbar machen.
Hast du das Abstimmungsbüchlein schon gelesen?
Ich habe es erst überflogen. Momentan würde ich wohl eher Nein stimmen, aber ich muss mich noch tiefer informieren.
David, 20
VICE: Weisst du schon, wie du über die USR3-Vorlage abstimmen wirst?
David: Nein, denn wir sind gerade in der Prüfungsphase. Ich habe die Vorlagen kurz überflogen, aber bisher fehlte mir die Zeit, mich richtig damit zu befassen. Erst wollte ich Ja stimmen, aber jetzt habe ich gerade einen Artikel gelesen, in dem stand, dass es optimalere Umsetzungen gäbe, weswegen ich momentan etwas unschlüssig bin.
Die Schweiz versucht mit der Unternehmenssteuerreform III nun neue, international anerkannte Steuerermässigungen einzuführen. Damit die Statusgesellschaften nicht mitsamt ihren 150.000 Arbeitsplätzen abwandern: Findest du es gut, dass mit der Reform versucht wird, den Wegfall der Steuerprivilegien für die Multis abzufedern?
Es kommt drauf an, wie man das lösen will. Wenn man eine europäische Lösung oder gar eine globale Lösung findet, bei der alle Länder am selben Strick ziehen, dann kann es funktionieren. Denn sobald es auch nur eine Steueroase gibt, werden die Unternehmen immer dorthin ausweichen können und das Problem kann nicht gelöst werden. Eine Partei gewinnt und alle anderen verlieren.
Die Schweiz gilt international ja als Steueroase. Was hältst du davon?
Es kommt auf den internationalen Kontext drauf an. Grundsätzlich ist die Steuerpolitik ja Sache der Länder, denn jedes Land hat theoretisch die Möglichkeit, die Unternehmenssteuern zu senken. Andererseits ist es nicht richtig, wenn man die eigenen Vorteile dafür ausnutzt, um Firmen anderer Länder abzuwerben. Aber ich kann dazu keine allgemeingültige Antwort geben. Die Steuern sind ja nur ein Faktor in der Standortattraktivität. Da gibt es ja noch viele andere Faktoren.
Aber generell findest du es richtig, dass sich die Schweiz dem europäischen Steuerregime annähert?
Auf jeden Fall. Aber ich bin mir noch nicht sicher, ob diese Vorlage dazu der richtige Weg ist.
Über welche Kanäle informierst du dich?
Ich mag Vimentis, da es sehr neutral ist. Operation Libero verfolge ich auch mit Interesse. Ich mag mich nicht an Parteilinien orientieren.
Tiziana, 20 und Ines, 21
VICE: Wisst ihr schon, wie ihr USR III abstimmen werdet?
Tiziana: Nein. Worum geht es genau?
Um die Frage, ob multinationale Unternehmen weiterhin privilegiert besteuert werden sollten, oder nicht. Statusgesellschaften profitieren heute in der Schweiz von ermässigten Steuersätzen. Das heisst, sie zahlen prozentual weniger Steuern als einheimische KMUs.
Tiziana: Nein, das ist nicht fair.
Also ist es gut, dass die Schweiz auf den Druck der OECD reagiert?
Ines: Ja.
Die Statusgesellschaften zahlen jedoch rund die Hälfte aller Bundes- und etwa einen Fünftel aller Kantonssteuern. Ist es gut, dass die Schweiz versucht, die Statusgesellschaften im Land zu behalten, indem sie neue Steuerermässigungen einführt?
Ines: Die Schweiz braucht ja irgendeine Strategie, um die Firmen hier zu behalten, sonst hätten sie ja noch weniger Steuereinnahmen. Aber es kommt drauf an, wie die neuen Privilegien ausgestaltet sind.
Tiziana: Ja, für die Schweiz ist es doch gut, wenn sie die Firmen hier behalten kann.
Könnt ihr nachvollziehen, dass die OECD keine Freude daran hat?
Ines: Ja klar, aber das ist halt der Wettbewerb.
Findet ihr es problematisch, dass die Statusgesellschaften der Schweiz mit einem Wegzug drohen und sie dadurch erpressbar wird?
Tiziana: Ich denke nicht, dass das Erpressung ist. Denn die Schweiz profitiert ja auch von diesen Firmen. Zudem sind Steuern nicht der einzige Grund, wieso die Firmen hergekommen sind. Somit finde ich es legitim, wenn die Firmen etwas Druck ausüben.
Gonçalo, 19
VICE: Weisst du schon wie du über die USR III abstimmen wirst?
Gonçalo: Ich kann gar nicht abstimmen, da ich keinen Schweizer Pass habe.
Wie würdest du abstimmen, wenn du könntest?
Ich habe mich noch nicht wirklich mit der Vorlage beschäftigt. Um was geht es genau?
Um die Frage, ob Statusgesellschaften in der Schweiz weiterhin von steuerlichen Entlastungen profitieren sollten.
Nein. Es gibt genügend Leute, die Steuerprivilegien gebrauchen könnten, aber sicher nicht die multinationalen Unternehmen. Alle Unternehmen sollten in der Schweiz gleich besteuert werden.
Die Schweiz reagiert mit der USR III auf den Druck der OECD, will die alten Steuerprivilegien aber durch neue ersetzen, damit die ausländischen Firmen nicht abwandern. Was hältst du davon?
Das finde ich auch nicht gut. Die Multinationalen sollten eigentlich sogar mehr Steuern bezahlen, die verdienen ja auch viel mehr. So wie bei der Einkommenssteuer, sollte man einen progressiven Steuersatz auch bei den Unternehmen anwenden.
Die Multis sagen aber, dass sie wegziehen, wenn die Schweiz für sie die Steuern erhöht.
Das wäre schlimm für die Schweiz. Denn die Arbeitsplätze und den Forschungsbeitrag, den die Multis zum Standort beitragen, haben schon auch Vorteile. Aber ich glaube, ich bin die falsche Person, um solche Sachen zu fragen.
Wieso?
Einfach weil ich im Moment nicht so politisch informiert bin.
Wie informierst du dich denn über Politik?
Ich diskutiere oft mit Freunden über Politik. Einige von ihnen engagieren sich auch politisch. Ich fühle mich aber zu keiner Partei zugehörig.
Wie findest du es, dass du als Student in der Schweiz nicht abstimmen darfst?
Es ist schade, denn ich würde mich wohl besser informieren, wenn ich effektiv auch abstimmen könnte. Ich finde es nicht gut, dass ich über die Gesetze, von denen ich betroffen bin, nicht mitbestimmen darf.
Caroline, 19
Wollte kein Foto abgeben.
VICE: Findest du es OK, dass ausländische Firmen bisher weniger Steuern bezahlt haben als einheimische KMUs?
Caroline: Ja, denn sonst wären sie ja gar nicht erst hierhergekommen.
Die Schweiz wurde von der OECD für ihre Steuerpolitik kritisiert, kannst du das nachvollziehen?
Ja, dadurch haben wir uns nicht sehr beliebt gemacht, aber schlussendlich sind wir so auch zu unserem Wohlstand gekommen.
Findest du es richtig, neue Steuerermässigungen einzuführen, um die Multis im Land zu behalten?
Es ist voll OK, dass es neue Anreize gibt.
Lisa, 21
Wollte auch kein Foto abgeben.
VICE: Findest du es OK, dass Statusgesellschaften bisher weniger Steuern bezahlt haben als einheimische KMUs?
Lisa: Nein. Ich finde im Gegenteil ausländische Firmen sollten höher besteuern werden, denn sie profitieren ja von der Schweizer Infrastruktur.
Ist es in Ordnung, dass die Schweiz neue Steuerermässigungen einführen will, um die Firmen in der Schweiz zu behalten?
Ja, die Multis sollten nicht vertrieben werden, denn die Schweiz profitiert ja auch. Also gleicher Steuersatz für alle.
Machst du dir Sorgen, dass bei einer Annahme der USR III Steuereinnahmen fehlen würden und allenfalls bei der Bildung gespart werden müsste?
Ja, denn bei der Bildung sollte man auf keinen Fall sparen. Wobei ich nicht finde, dass nicht obligatorische Fächer, wie zum Beispiel Japanisch-Klassen mit Steuergeldern finanziert werden sollten. Japanisch ist ein Hobby und kein Fach. Auch Sezieren sollte privat finanziert werden.