Sex

Wir haben Asexuelle nach ihren Sexfantasien gefragt

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Als asexuell definieren sich Menschen, die keine sexuelle Anziehung oder sexuelles Verlangen verspüren. Das heißt jedoch nicht, dass diese Personen keine sexuellen Fantasien haben. Tatsächlich hat eine aktuelle Studie herausgefunden, dass von 351 Menschen, die sich selbst als asexuell definieren, fast die Hälfte der Frauen und drei Viertel der Männer angaben, sexuelle Fantasien zu haben und zu masturbieren. Wir haben mit ein paar jungen Menschen in den USA gesprochen, die sich selbst als asexuell bezeichnen.

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Daina, 20

Foto mit freundlicher Genehmigung von Daina

VICE: Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass du dich als asexuell identifizierst?
Daina: Vor etwa zwei Jahren. Die meiste Zeit dachte ich, dass Sex mir einfach unangenehm ist, weil ich noch Jungfrau war. Dann merkte ich aber, dass Sex im Leben anderer Menschen eine viel größere Rolle spielt, als ich dachte, und dass ich im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen auch keine sexuelle Anziehung verspüre. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich immer noch nicht, was sexuelle Anziehung eigentlich ist.

Wie war dieser Prozess für dich?
Dieses Nichtwissen hat mich während meiner Teenagerzeit sehr gestresst. Ich habe die ganze Zeit überlegt, ob ich hetero, lesbisch oder bi/pansexuell bin. Ich fand Menschen süß und war auch oft verknallt, aber nie hat mich ein Mann oder eine Frau angemacht. Ich habe mir auch nie sexuelle Dinge mit ihnen ausgemalt. Wenn ich es doch mal versucht habe, kam bei mir keine Reaktion – als würde ich einen langweiligen Film gucken.

Befindest du dich gerade in einer Beziehung?
Ich bin seit etwas mehr als anderthalb Jahren in einer Polybeziehung mit meiner Partnerin. Bislang ist sie die einzige Person, mit der ich etwas Sexuelles hatte. Ich habe die Freiheit, außerhalb unserer Beziehung andere Menschen zu daten, aber an Sex mit anderen bin ich nicht interessiert. Zu ihr spüre ich eine starke emotionale Verbundenheit, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sexuell aktiv bleibe, falls wir uns jemals trennen sollten.

Wovon handeln deine Fantasien?
Meine Partnerin hat mich mit BDSM bekannt gemacht. Wenn ich mir etwas vorstelle, dann geht es in der Regel um sie und mich in einer solchen Szenerie, oder wie wir einfach verspielt-sinnlich miteinander umgehen. Nur ganz selten beinhalten meine Fantasien eine andere Person als sie, aber es kommt vor. Außerdem bin ich eine große Masochistin, mir gefällt es sehr, Schmerzen zugefügt zu bekommen – und manchmal auszuteilen. Für mich sind diese Fantasien eine Art Realitätsflucht, bei denen ich mir vorstellen kann, mich gut zu fühlen und mit jemandem, dem ich mich sehr nahe fühle, eine Menge Spaß zu haben.

Masturbierst du?
Ja, auch wenn es in erster Linie eine Art körperliches Ventil ist. Ich habe von Natur aus eine hohe Libido. Meine Körper scheint Sex mehr zu wollen als ich. Ich mache es also vor allem, um etwas Spannung abzubauen. Außerdem fühlt es sich gut an. BDSM ist ja auch nicht zwangsläufig sexuell. Eine solche Szenerie kannst du ohne jeglichen Sex durchspielen.

Kirstin, 26

Foto mit freundlicher Genehmigung von Kirstin

VICE: Welche ist die nervigste Frage, die du immer wieder wegen deiner Asexualität beantworten musst?
Kirstin: Den Unterschied zwischen Asexualität und Abstinenz erklären. Jemand, der abstinent ist, verspürt sexuelle Anziehung, entscheidet sich aber gegen Sex – oft aus religiösen Gründen, wenn auch nicht immer. Viele haben mir gesagt, dass ich nicht asexuell sein kann, weil ich manchmal Sex habe. Das ist aber einfach nicht wahr.

Bist du jemals in einer sexuellen Beziehung gewesen?
Ich bin eine asexuell-romantische Person: Ich fühle mich zu Menschen romantisch hingezogen, aber nicht sexuell. Manchmal wird mir allein beim Gedanken an Sex schlecht, andere Male ist es mir relativ egal. Wenn ich gerade keine ablehnende Haltung gegenüber Sex habe, haben mein Partner und ich sogar oft Sex, da wir in dieser Phase am ähnlichsten darüber denken.

Wie geht er damit um?
Wir sind offen und ehrlich damit und haben dieses Arrangement geschlossen, dass wir, falls ihm unsere Sexleben jemals nicht mehr ausreichen sollte, eine Öffnung der Beziehung diskutieren. Ehrlichkeit ist der Schlüssel zu allem.

Woran denkst du beim Masturbieren?
Ich masturbiere, weil das großartig gegen meine Spannungskopfschmerzen hilft, ohne Medikamente nehmen zu müssen. Eigentlich finde ich es ziemlich langweilig und in der Regel denke ich währenddessen über Sachen nach, die ich noch zu erledigen habe.


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Ich habe keine sexuellen Fantasien, also fantasiere ich über meine Zukunft mit meinem Partner: unser eigenes Haus an einem Ort, an dem wir wirklich leben wollen; darüber ein bestimmtes Maß an Erfolg in unseren jeweiligen Karrieren zu erreichen und aus den Schulden rauszukommen. Oh, und Kuchen. Kuchen ist wichtig.

Mark, 21

Foto mit freundlicher Genehmigung von Mark

VICE: Irgendwelche Missverständnisse zur Asexualität, mit denen du gerne aufräumen möchtest?
Mark: Ich habe das Gefühl, dass die Menschen erst wissen müssen, dass es uns gibt, bevor es irgendwelche Missverständnisse geben kann. Die meisten meiner Bekannten, haben nur eine vage Idee davon, was Asexualität umfasst. Ich weiß, dass es nicht wenige Asexuelle kennt, die als “verklemmte Heterosexuelle” oder so abgestempelt werden. Ich versuche jedenfalls, die meiste Zeit sichtbar zu bleiben.

Hast du jemals Sex gehabt?
Das eine Mal, als ich in einer Situation war, die hätte sexuell werden können, war das eine unfassbar unangenehme Erfahrung, und ich habe schnell das Weite gesucht. Ich bin Jungfrau.

Wie sehen deine Fantasien denn aus?
Die meisten meiner Fantasien sind entweder romantischer Natur oder 08/15-Tagträume übers Fliegen, Unmengen an Geld, das Aussehen mein Traumhauses oder wie ich mir meine zukünftige Karriere erträume. Das ist ziemlich langweiliges Zeug, aber eine Busfahrt geht damit schnell rum.

Das spielt auch bei meinen Masturbationsgewohnheiten eine Rolle. Meistens denke ich mir Geschichten aus; die gehen aber eher in der Richtung von dem, was du in einem Erotikroman oder anderen fiktiven Werken finden würdest. Die einzige Bedingung ist die, dass es nichts mit mir zu tun hat. Jede Fantasie handelt von fiktionalen Charakteren, selbst wenn ich sie mir selbst ausdenke.

Was bringt dir diese Fantasie denn?
Wenn ich selbst von diesen sexuellen Inhalten losgelöst bin, wird das mehr zu einem Gedankenexperiment oder einer spielerischen Erfahrung. Wer macht was? Wie sind die äußeren Umstände? Welche Geschichte könnten diese Menschen haben und wie spielt das in ihre Beziehung zueinander mit rein? Wie entwickelt sich das weiter? Am meisten Spaß macht das Schreiben oder sich durch diese Details zu denken – selbst wenn sich Sexualität wie ein roter Faden hindurchzieht. Es macht mir Spaß und am Ende habe ich ein Word-Dokument oder verfrachte sie wieder in meinen Hinterkopf und brate mir ein paar knusprige Hähnchenteile.

Wie haben die Menschen um dich herum reagiert, als du dich als asexuell geoutet hast?
Ich hatte großes Glück. Die allermeisten, mit denen ich darüber gesprochen habe, haben mich total unterstützt. Das heißt aber nicht, dass es jedem so geht. Ich bin ein weißer Cis-Mann. Dass ich keinen Sex habe, ist nur bedingt interessant, aber wenn du nur eins dieser Attribute ändern würdest, wäre alles anders. Intersektionalität spielt eine wichtige Rolle bei Asexualität.

Miller, 20

Foto mit freundlicher Genehmigung von Miller

VICE: Was ist das gängigste Missverständnis bezüglich Asexueller?
Miller: Asexualität ist eine echte sexuelle Orientierung. Ich bin nicht Halb-Pflanze, genau so wenig kann ich mich asexuell fortpflanzen – auch wenn ich überhaupt kein Problem damit hätte, wenn es so wäre. Ich habe keinen unausgeglichenen Hormonhaushalt und wurde auch nicht sexuell missbraucht. “Heimlich homosexuell” bin ich auch nicht.

Warst du jemals in einer Beziehung?
Nie. Ich habe einfach keinen Bedarf gehabt, mit jemandem zusammen zu sein. Es schien mir nur zusätzlicher Aufwand und unnötiges Drama zu sein. Ich kann mir auch nicht vorstellen, in nächster Zeit in einer Beziehung zu sein, weil es extrem schwierig ist, jemanden zu finden, der zu einer Bindung bereit ist, ohne vielleicht jemals sein oder ihr sexuelles Verlangen erfüllt zu bekommen.

Ist es schwer, sich damit abzufinden?
Ich sehe Asexualität sogar als Vorteil. Ich treffe keine dummen Entscheidungen, weil ich in einem bestimmten Moment erregt bin. Du weißt schon, wenn man eher zwischen den Beinen und nicht mit dem Kopf denkt. Ich habe das Gefühl, dass ich immer einen klaren Kopf habe und nicht von primitiven sexuellen Instinkten abgelenkt werde.

Hast du dann überhaupt sexuelle Fantasien?
Ich fantasiere darüber, ein schönes Haus zu haben, ein paar Enten im Garten und einen Beruf, den ich mag. Manchmal frage ich mich auch, wie es wäre, auf dem Mars zu leben oder das Land zu führen. Etwas Sexuelles geht mir aber nie durch den Kopf.

Masturbierst du?
Ich masturbiere nicht, aber ich verstehe, dass einige Asexuelle das tun. Ich habe es ein-, zweimal ausprobiert, aber es fühlte sich sinnlos und wie totale Zeitverschwendung an. Ich verstehe nicht, wie Menschen solche Sachen Spaß machen können. Ich habe viel mehr davon, ein Buch zu lesen oder eine meiner Katzen zu streicheln.

Wurde schon mal überlegt, ob du vielleicht ein Art Hormonmangel hast?
Ich nehme Testosteron und das seit fast fünf Jahren. Eine der möglichen Nebenwirkungen ist eine zwei- oder dreifache Steigerung der Libido. Das mag vielleicht für nicht-asexuelle gelten, aber für mich ist dreimal null immer noch null. Du kannst nichts verdreifachen, was nicht da ist. Wenn ich meine Genitalien und alle sekundären Geschlechtsmerkmale loswerden und komplett Nullo werden könnte, fände ich das super. Ich sehe keinen Sinn in ihnen, wenn ich sie eh nicht benutze. Die sind mir nur im Weg.

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