Wir haben Azubis gefragt, wie sie in der Ausbildung ausgenutzt wurden

Tasse, auf der steht: Lass das mal den Azubi machen

Jeder, der im Arbeitsleben steht, muss manchmal nervige Dinge tun. Das gehört leider dazu, man lernt im besten Fall, damit umzugehen. Bei jungen Menschen, die noch keine Ahnung haben von der Arbeitswelt, sieht das anders aus: Die stehen den Schikanen oft eher wehrlos gegenüber. Also liebe Arbeitgeber, seid doch in der Stellenbeschreibung mal ein bisschen ehrlicher. Wenn man weiß, worauf man sich einlässt, fühlt man sich am Ende auch nicht komplett verarscht.

2017 gab es deutschlandweit 1.323.894 Auszubildende. Der Großteil (70,2 Prozent) ist auch grundsätzlich zufrieden in seinem Betrieb. Trotzdem müssen laut Ausbildungsreports des Deutschen Gewerkschaftsbundes 11,9 Prozent “immer” oder “häufig” Dinge tun, die nicht Teil ihrer Ausbildung sind. Gerade mal bei weniger als einem Drittel kommt das “nie” vor.

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Wir haben ehemalige Azubis gefragt, wie sie in ihrer Ausbildung ausgenutzt wurden.


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Nora, 27, Kauffrau für Marketingkommunikation

Ich habe meine Ausbildung in der Firma gemacht, in der ich heute noch arbeite. Wir sind auf den Vertrieb von Unternehmensbekleidung spezialisiert. Meine erste Vorgesetzte und ich haben von Anfang an nicht besonders gut harmoniert. Sie gab mir Aufgaben, die mir oftmals sinnlos erschienen. Ich musste zum Beispiel die Kataloge unserer Partnerfirmen alphabetisch sortieren. “Damit du einen Überblick bekommst”, meinte sie. Genau so hätte ich auch zu realen Aufträgen recherchieren können, oder Angebote schreiben. Dadurch hätte ich ebenfalls einen Überblick erhalten. Mein Chef war zum Glück bereit, mich jemand anderem zuzuteilen. Ich weiß nicht, ob ich meine Ausbildung sonst dort beendet hätte.

Benjamin, 29, Fachkraft für Veranstaltungstechnik

Ich musste während meiner Ausbildung mit einem anderen Azubi zusammen Unkraut auf dem Firmengelände rupfen. Mein Chef nannte solche Aufgaben immer “Spezialaufträge”. Gartenwerkzeug gab es keins. Weil wir nicht den ganzen Tag damit verbringen wollten, kamen wir auf die Idee, Spiritus und Feuerzeug zu benutzen. Während ich noch dabei war, den Spiritus zu versprühen, zündete mein Kollege schon das Feuerzeug. Es gab eine Stichflamme und die Hälfte meiner Gesichtsbehaarung fackelte ab. Getoppt wurde diese Geschichte nur vom “Spezialauftrag Kerzenwachs”. Für seine Geburtstagsfeier verteilte mein Chef im ganzen Hof Kerzen. Im Laufe des Abends brannten die logischerweise ab. Am nächsten Tag durfte ich dann das zerlaufene Wachs von 100 Kerzen vom Beton abkratzen. Nach Ausbildungsende wechselte ich sofort den Betrieb.

Tim, 23, Kaufmann für Groß-und Außenhandel

Im Empfangsbereich meines Ausbildungsbetriebs standen Blumenkübel. Die sollten natürlich immer ansprechend für die Kunden aussehen. Mein Chef war der Meinung, dass ich das “besonders gut” machen würde. Somit hatte ich die Aufgabe, für eine regelmäßige Neubepflanzung zu sorgen. Auch Bockwurst von der Tankstelle durfte ich ihm mehr als einmal holen.

Svenja, 24, Medizinische Fachangestellte

Mit 16 Jahren habe ich meine Ausbildung bei einem Gastroenterologen begonnen. Den besucht man zum Beispiel, wenn man Probleme im Magen-Darm-Bereich hat. Zum Alltag gehören Routineuntersuchungen wie das Absaugen von Darmpolypen. Das sind kleine Warzen, die im Darmtrakt sitzen. Beim Absaugen gibt es am Schlauch eigentlich eine “Falle” für die Polypen. Bei der letzten Untersuchung des Tages wurde allerdings vergessen, die anzubringen. Die Polypen wurden in den bereits vollen Scheiße-Kanister gesaugt. Der Blick meines Chefs fiel schnell auf mich. Ich musste den gesamten Eimer voller Scheiße sieben und nach den Polypen absuchen – umsonst. Die Dinger sind in der Regel ein bis zwei Zentimeter groß. Meine Erfolgschancen waren von Anfang an gering. Die Ausbildung war auch sonst die Hölle. Da der Arzt für seine langen Öffnungszeiten bekannt war, kam ich selten vor 22, 23 Uhr aus der Praxis. Jeden Donnerstag musste ich die Hämorrhoiden-Sprechstunde alleine übernehmen, weil das niemand machen wollte. An einem Tag musste ich so lange in der Praxis bleiben, dass kein Bus mehr zu mir fuhr. Also habe ich in der Praxis geschlafen. Danach hat meine Mutter die Reißleine gezogen. Ich habe die Praxis gewechselt und musste seitdem nie wieder Scheiße-Kanister putzen. Es gibt nämlich auch Einmalbeutel dafür.

Jasmina, 26, Kauffrau für Marketingkommunikation

In meinen zweieinhalb Jahren Ausbildung kam es regelmäßig vor, dass ich die One-Night-Stands meines Chefs an der Firmentür abwimmeln musste. Wenn ich mich weigern wollte, hat er so lange gebettelt, bis ich es dann doch wieder gemacht habe. Firmengelder wurden vor allem für “Geschäftsessen und Reisen” ausgegeben. Für eine Putzkraft war kein Geld mehr übrig. Staub zu saugen und Klos zu putzen, gehörte ein Jahr zu meinen Aufgaben, bis mein Chef doch irgendwann eine Putzfrau eingestellte. Außerdem war Sexismus am Arbeitsplatz ein Thema. Ich habe mir regelmäßig Kommentare zu meinen Brüsten oder meinem Po anhören müssen. Ich war froh, als ich nach bestandener Prüfung nie wieder dort hin musste.

Lena, 23, Friseurin

Ich habe meine Ausbildung bei einem relativ bekannten Friseur gemacht. Zu seinen Kunden gehören auch viele Prominente. An einem Tag hatte sich eine sehr bekannte Person bei uns angekündigt. Das wussten auch die Paparazzi, die morgens vor unserem Laden standen. Damit unsere Kundin ungesehen den Laden verlassen konnte, musste ich mich so verkleiden, dass ich ihr ähnlich sah, um die Fotografen abzulenken. Sie ist in der Zeit durch den Hinterausgang raus. Ich musste vorher eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen, deshalb darf ich leider nicht sagen, wer es war. Das war schon eine außergewöhnliche Aufgabe. Genauso wie die Tatsache, dass ich während einer Steckprobe für ihre Hochzeitsfrisur mit der Braut zusammen Torte gegessen habe. Sie hatte keinen anderen Termin gefunden, weshalb sie die Kuchenprobe mit 50 verschiedenen Sorten in unseren Laden verlegt hatte. Weil sie Unterstützung bei der Auswahl brauchte, half ich ihr. Der vorletzte Kuchen ist es dann geworden. Mir war danach unglaublich schlecht, aber die Braut immerhin glücklich.

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