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​Wir haben die deutsche Polizei gefragt, wie das mit dem „Indianer-Türken“ gemeint war

Wir haben dabei einiges über die verschiedenen Ethnien der Türken, aber auch der Indianer gelernt.

Es ist jetzt schon eine Weile her, dass Deutschlands Polizeibehörden Twitter für sich entdeckt haben, und seitdem hat der Umgang der Strafverfolger mit dem neuen Medium immer wieder für Aufsehen gesorgt. Mal im positiven Sinne, wenn die Berliner Polizei zum Beispiel über 24 Stunden einen einzigartigen Einblick in das Leben der Hauptstadt gab, mal im negativen, wenn die Frankfurter die öffentliche Wahrnehmung der Blockupy-Proteste über das soziale Netzwerk mitbestimmen wollen.

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Hin und wieder sorgt die Mitteilungsfreudigkeit der Behörden auch einfach für einzigartige WTF-Momente. So bei einem Tweet der Polizei Schwerin vom 23. Februar, als die Beamten bekannt gaben, wegen einer Einbruchserie nach „2 türkischen Tätern" zu suchen, von denen einer „wie ein Indianer" aussehe.

Der Tweet erlangte schnell eine gewisse Berühmtheit. Auf Twitter reagierten schnell zahlreiche Nutzer auf typische Twitter-Manier—indem sie sich entweder darüber aufregten oder schnell irgendwelche lustigen Fotos bastelten und an die Polizei schickten. Die Behörde löschte den Tweet dann relativ bald, entschuldigte sich und veröffentlichte eine etwas gewöhnlichere Täterbeschreibung. Nie geklärt wurde allerdings, welche Geschichte sich eigentlich hinter dem Original-Tweet verbirgt. Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Um das zu klären, habe ich Steffen Salow, den Pressesprecher der Polizeiinspektion Schwerin angerufen.

Herr Salow, wie ist es denn zu diesem Tweet gekommen?
Steffen Salow: Wir nutzen die sozialen Medien auch zur Fahndung nach Tätern und vermissten Personen. Unsere Pressestelle ist aber nicht 24 Stunden besetzt, deshalb haben wir unsere Kollegen im Streifendienst gebeten, auch die sozialen Medien zu nutzen. Das hat der Dienstgruppenleiter, der diesen bedauerlichen Tweet abgesetzt hat, auch genutzt und hat einfach eine blanke Zeugenaussage zur Beschreibung der Täter verwendet, ohne eine vernünftige Versachlichung reinzubringen. Da haben wir dann auch gesagt, das kann man so nicht schreiben. Hat er aber gemacht, das ist draußen, das ist nicht mehr zurückzuholen.

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— Dя. Rοιf вειмоηdσ (@rolf_belmondo)24. Februar 2016

Kriegt der Kollege jetzt Ärger?
Na ja. Er wollte ja alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um diese Täter zu bekommen—die haben zuvor drei Einbrüche begangen. Wir haben es mit dem Kollegen ausgewertet, der war sich in den Moment gar nicht so recht bewusst, was er da anrichtet.

Wie war das eigentlich gemeint, dass einer „wie ein Indianer" aussieht?
Die Zeugenaussagen waren sehr einheitlich, die haben eben die Täter so beschrieben. Der eine Täter sah aus wie ein Indianer, so wortwörtlich. Das können Zeugen natürlich machen, wir in der Öffentlichkeit als Polizei aber eben nicht.

Aber haben Sie eine Vorstellung, was das konkret heißen sollte? Trug der einen Federschmuck?
Nein, nein, das nicht. Also, ich habe ihn ja nicht gesehen, aber das hat mehr mit seinen Haaren und seiner Hautfarbe, möglicherweise seiner Gesichtsform zu tun gehabt. Ich habe mich dazu mal mit jemandem über die verschiedenen Ethnien in der Türkei unterhalten, wahrscheinlich gibt es da auch irgendeine Bevölkerungsgruppe, die ein Stückweit auch Ähnlichkeiten hat.

Aber das ist natürlich egal, wir können das so nicht schreiben. Man muss schreiben, das der mutmaßliche Täter lange schwarze Haare hatte und vielleicht südeuropäisches Aussehen. Aber ich kann nicht schreiben, das ist ein Indianer—das ist sowieso eine subjektive Sichtweise. Also, wie will man einen Indianer beschreiben? Es gibt ja auch innerhalb der Indianerstämme die unterschiedlichsten Ethnien, die sehen ja auch sehr differenziert aus.

Können Sie den Vorwurf nachvollziehen, bei dem Tweet handele es sich um Racial Profiling?
Nein, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Racial Profiling bedeutet ja, dass das äußere Erscheinungsbild die Entscheidungsgrundlage ist. Das war ja nicht die Entscheidungsgrundlage, nach den Tätern zu fahnden—das waren die Einbrüche. Wir haben die Täter ja nicht verfolgt, weil sie—wie hier leider beschrieben—wie „Türken" oder „Indianer" aussehen, sondern weil sie einen Einbruch begangen haben. Dann ist halt die Beschreibung in die Hose gegangen, das ist kein Racial Profiling. Ich kenne die Kollegen, die haben damit überhaupt nichts zu tun. Dass wir uns jetzt Rassismusvorwürfe machen lassen müssen, tut auch weh, weil das nicht der Realität entspricht.

Können Sie die Belustigung verstehen, die der Tweet ausgelöst hat?
Das kann ich absolut verstehen. Als ich das in meinem Urlaub gelesen habe, habe ich auch gedacht: „Um Gottes Willen." Wir haben uns da sehr drüber geärgert, wir sind damit bundesweit unrühmlich bekannt geworden. Aber nun, das ist geschehen, das ist nicht wiedergutzumachen. Wir können das nur bedauern. Wir haben es ja dann gelöscht, um ein Zeichen zu setzen, dass wir das bemerkt haben und bedauern.

Haben Sie die Täter mittlerweile gefasst?
Nein. Da laufen die Ermittlungen noch.