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Wo gewählt wird, wird auch gesoffen. Und nachdem Alkohol ja bekanntlich die optimalsten Charakterzüge des Menschen hervorbringt und in einem sanften Licht leuchten lässt, war ich im Auftrag des Herrn, nämlich des Herrn Chefredakteurs, auf den Wahlpartys Wiens unterwegs. Alleine geht da bekanntlich nichts, also rufe ich Schluesselberg an, meinen vertrauten Chefdirigenten, dessen silbern schimmerndes Haupthaar einen signifikanten Kommunikationsbonus bei zumindest Grünen, NEOS und Sozialdemokraten verspricht.
Die Wahlparty der Grünen:
Erster Stop: Volksgarten. Es ist knapp nach 17 Uhr und wir fühlen uns ein wenig schmutzig, weil wir just eine der netteren Parteien quasi im Vorbeigehen abfrühstücken. Die Stimmung allerdings ist recht annehmbar, also, wenn man anfällig für Leidenschaften wie Bilanzen oder Briefmarken ist. Zwei Getränkegutscheine gibt es außerdem. Zu früh, um ein zuverlässiges Stimmungsbild zu zeichnen.
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Die Wahlparty der ÖVP:
Schluesselberg, offenbar weit besser vorbereitet als ich, will unbedingt zur ersten Hochrechnung um 18 Uhr „bei den Losern“ sein, einer politischen Bewegung also, die sich „Volkspartei“ nennt—oder so ähnlich—und von der in Wien offenbar noch niemand recht gehört hat. Es gibt Brötchen. Und Freibier. Die Stimmung ist etwa so ausgelassen, wie bei einem Vortrag über „Johannes Mathesius und die Betrachtung früher Handsteine aus St. Joachimsthal“. Schluesselberg erkundigt sich noch während die erste Hochrechnung läuft nach dem Adjektiv von „Antiklimax“. Beim Verlassen der „Party“ schnappen wir noch einen Kommentar eines JVPlers auf: „Jetzt wird der Gürtel sicher auch zur Begegnungszone.“ Aber Jungs: für euch ist er das doch längst, zwinker-zwinker.
Die Wahlparty der NEOS:
Die rosa Alternative mit den halbgaren Wahlplakaten feiert sich im Künstlerhaus. Völlig enthemmt von den ersten Hochrechnungen lässt die Parteiführung ein (sic!) Seidl pro Nase springen. Wirtschaftsliberal, suckers. Die Leute sind recht nett und so bin ich fast ein wenig traurig, wenn ich darüber nachdenke, was unweigerlich passieren muss, wenn die draufkommen, dass es für all die aufgestellten PolitikerInnen nur fünf Sessel im Rathaus gibt. Aber die NEOS sind ja kreativ, denen wird schon was einfallen. Ein Ritterturnier vielleicht. Apropos Lanzen: wieder fast nur Herren hier.
Die Wahlparty der SPÖ:
Gegen 19 Uhr erreichen Schluesselberg und ich die Quelle allen Spritzweins am Fuße des Burgtheaters. Damit das aus dem Weg ist: es gibt Brötchen. Und Freibier. Das Auffälligste jedoch: es gibt einen DJ, der von Tina Turner bis Lou Bega alles ins Zelt bläst, dass er aus der Radio Energy Mülltonne fischen konnte. Tjaha, für´s Auflegen brauchst halt a G´spür. Das erste Mal heute: gute Stimmung. Auch das Geschlechterverhältnis ist nicht gar so traurig wie bei den politischen Mitbewerbern. Man kennt sich, man schätzt sich, man schreit sich an. Mittlerweile ist es 19:45h und die erste Verstärkung trifft in Gestalt von Harfenistin Sara ein, die so hinreißend blondierte Haare hat, dass Schluesselberg und ich ein wenig die Angst davor verlieren, später bei den Freiheitlichen so richtig auf´s Maul zu kriegen. Renate Brauner stürmt wehenden Gewandes heran, packt mich an der Schulter und sagt „Griaß di!“, was ich einigermaßen verstörend finde. Irgendwann lässt sich auch der alte neue Bürgermeister anschauen und extemporiert eine Rede, in der er Lieblingsfeind Strache bereits in einem Urlaubsbomber richtung Ibiza wähnt. Kleine Lügen erhalten die Freundschaft, Genossen.
Die Wahlparty der FPÖ:
Irgendwann helfen selbst fortgeschrittene Prokrastinationsstrategien (Gespräche über das Wetter, Spritzwein, Füße zählen) nicht mehr. Wir müssen zu den Freiheitlichen, es hilft ja nichts. Wir denken uns glaubwürdige Backstorys aus, die uns bei Bedarf als eiserne Rassisten ausweisen sollen. Gar nicht so schwer, eigentlich. Bloß nicht darüber nachdenken, dann geht das ziemlich gut. Schluesselberg und Sara stellen sich am Bierstand an, ich warte am Eingang auf Schauspielerin Magdalena, die dann auch sofort nach ihrem Eintreffen das Geschehen lapidar mit „Da hätt ich doch das Dirndl anziehen sollen“ genau auf den Punkt bringt.
Gelernt ist eben doch gelernt. Die Freiheitlichen machen es genau richtig: die erste Party mit warmem Buffet. Schweinsbraten, Schnitzel, Grillhendl, schön mit fetten Saucen und Knödeln und überall sattes und beseeltes Stimmvieh, es darf auch geraucht werden. Die John Otti Band, der ich mit großem Missvergnügen zum ersten Mal zuhören muss, spielt laute Trottelmusik und zum sogenannten „Fliegerlied“ (Fachpresse) windet sich die erste Partyschlange durch das Zelt. „Prolonaise“ kommentiert Schluesselberg. Jüngst hat ja Werner Otti, der feiste Sänger und Schöpfer zeitloser Tondichtungen wie „Immer wieder Österreich“ in einer bekannten Tageszeitung moniert, er würde falsch wahrgenommen werden, wäre gar kein Rechter, hätte auch schon für die SPÖ gesungen.
Eine Aussage, die er natürlich am Wahlabend gleich selbst zertrümmert, gibt er doch den gnadenlosen Chefeinpeitscher, der die blauen Intelligenzallergiker auf die Ankunft des Heilands mit unzähligen „Die Hände hoch für unseren HC“ (enttäuschend: nur sehr vereinzelt Hitlergrüße) in die rechte Stimmung bringt. Wir weinen in unser Bier, müssen aber dann doch kurz schmunzeln, als die Band zu „YMCA“ anhebt. Young man, there´s a place you can go. In Oasch, zum Beispiel. Der Gudenusjoschi schließt seine weinerliche Rede mit einem beherzten „Glück auf“, was in diesem Kontext nicht nur auf mich befremdlich wirkt. Sara sagt: „So tief sind wir also gesunken“ und ihre Stimme hat in diesem Moment etwas ehrlich Trauriges. Dann kommt ER endlich, es ist 22:40, unter frenetischen „HC“-Rufen, flankiert vom kleinen Kickl und der Stenzel, die mich immer ein bisschen an die böse Meerhexe aus Arielle erinnert. Der übliche Strache—Bullshit, es ist entwürdigend. Komisch wird’s dann nur noch, als der Doch-nicht-Bürgermeister den veritablen Schlag in die Fresse, als der sich sein Plan für den ersten Bezirk dann doch herausgestellt hat, zum epischen Wahlsieg hochjazzen will. Schluesselberg hat genug gesehen, verschwindet in der U-Bahn. Sara, Magda und ich brauchen jetzt dringend ein wenig Altruismus.
Die Wahlparty der Grünen (Epilog):
Wieder im Volksgarten. Die Party tobt, die Leute sind freundlich und ausgelassen, das Bier kostet 4,80€ (wtf!?!), Kürbisrisotto ist aus. Geraucht wird wieder vor der Tür und all die Missgunst und Hetze sind auf einmal weit weg. Zeit für ein Fazit? Ich mag Bier. Ich mag die Blauen nicht. Ich bin aber auch, pardon: eine Zecke. Glück auf!
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