Wir haben ein Jurymitglied gefragt, warum „Smombie“ das Jugendwort des Jahres geworden ist

Foto: Nan Palmero | Flickr | CC BY 2.0

Smombie ist das Jugendwort des Jahres, doch keiner benutzt es. Wieder einmal wird rumgehackt auf dem Langenscheidt Verlag, der versucht, das Phänomen Jugendsprache in Buchform zu pressen und jedes Jahr den wichtigsten Begriff der Jugend finden möchte. Repräsentativ sind die Worte selten. Es kommt einem so vor, als wären die Verantwortlichen vieles, aber definitiv nicht am Puls der Zeit. Vielleicht „merkeln” sie aber einfach nur zu lange rum, und die Sprache hat sich längst weiterentwickelt. Da bekommt man fast einen „Augentinitus” von den „rumoxidierenden” Juroren, Alter. Prinzip verstanden?

Einer von denen, die für die Prämierung der hippesten Wortneuschöpfung zuständig sind, ist Christian Paga, 33, Sprachwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, der gerade im Themengebiet „Einfluss kontemporärer Medien auf den Sprachgebrauch der Jugend” promoviert. Neben Leuten wie den Lochis, Journalisten, Schülern und Mitgliedern der wohltätigen Einrichtung Arche ist er mitverantwortlich für Smombie, eine Kreuzung aus Smartphone und Zombie. Eigentlich wollte er für seine Forschung nur den Verlauf des letztjährigen Jugendwort-Votings nachvollziehen, doch plötzlich war er mittendrin im Jury-Wahnsinn. Weil es also kaum einen geeigneteren Kandidaten gibt, um uns zu erklären, was das mit diesen vermeintlichen Jugendwörtern eigentlich soll, haben wir Herrn Paga einfach mal angerufen. Wie echte Alpha-Kevins.

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VICE: Wie lange hängen Sie täglich am Smartphone?
Christian Paga: Dazu haben wir bei uns an der Uni letztens sogar eine Studie gehabt, an der ich teilgenommen habe. Das kann ich also ganz genau sagen: zweieinhalb Stunden.

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Sind sie da schon ein Smombie?
[Lacht] Wahrscheinlich. Wobei es bei dem Wort eher darauf ankommt, wie sich Menschen als Smombies durch ihre Umwelt bewegen. Ob sie zum Beispiel durch die Gegend laufen und dabei nicht nach vorne, sondern nur aufs Handy schauen. Dann gibt es ja schon lustige Unfälle zwischendurch.

Smombie ist das Jugendwort des Jahres, aber benutzt hat das vorher doch niemand. Wieso wurde es dann gewählt?
In der Diskussion mit der Jury haben sich die Wörter „Earthporn” und „Smombie” schnell als die Favoriten für das Jugendwort herauskristallisiert. Am Ende gab es eine Front zwischen den beiden Wörtern. Für Smombie hat gesprochen, dass es für das vom Begriff beschriebene Phänomen bisher noch keinen Ausdruck gab. Deswegen konnten wir uns mit einer großen Mehrheit darauf einigen.

Es geht gar nicht darum, einen oft von der Jugend genutzten Begriff zu wählen, sondern um neue Bezeichnungen für Phänomene der Jugend?
Das ist natürlich auch ausschlaggebend, denn dieses Phänomen geht, wie man beobachten kann, durch alle Generationen. Ich war vor der Jurysitzung in München unterwegs und habe da eine Dame um die 50 gesehen, die genauso als Smombie unterwegs gewesen ist. Ich würde trotzdem sagen, dass es ein Begriff der Jugendsprache ist, denn er wurde ja eingereicht. Wenn jemand ein Wort einreicht, dann muss er sein Alter angeben und es wird sichergestellt, dass es wirklich ein Jugendlicher ist. Wenn das Wort nicht im Sprachgebrauch bekannt ist, kann man es auch darauf zurückführen, dass Jugendsprache keine uniforme Einheit ist. Sie entwickelt sich nicht an jedem Ort gleich oder vollzieht dieselben Schritte. Smombie könnte sich zum Beispiel auf einem Berliner Schulhof entwickelt haben, hat sich von da aus im Stadtteil verbreitet und wurde von jemandem aus dieser Region eingereicht. Dann ist es anderen natürlich nicht bekannt.

Die eine Jugendsprache existiert also gar nicht. Warum versucht der Langenscheidt Verlag dann in 100% Jugendsprache etwas zu beschreiben, das es nicht gibt?
Das Buch ist eine Ansammlung von Begrifflichkeiten, die relativ innovativ und auffällig waren. Ich würde aber sagen, dass 60% der Begriffe überregional sind. „Realtalk” oder „safe” kenne ich mit 33 auch noch.

Wenn auch Sie mit 33 noch die Jugendsprache nutzen, wo hört dann „Jugend” auf?
Ich denke, alterstechnisch kann man das gar nicht eingrenzen. Ich promoviere im Bereich Jugendsprache und habe dafür auch mit 37-jährigen „Untersuchungsobjekten” gesprochen, die genauso geredet haben wie 15-Jährige. Jugendsprache ist eine Einstellungssache und eine Sache vom Erfahrungs- und Erlebnishorizont. Wenn man mit 16 eine Ausbildung zum Bankkaufmann macht und sich seriös geben muss, geht der Einfluss der Jugendsprache schnell verloren. Wenn sich ein Musiker aber den ganzen Tag mit kreativen, innovativen Menschen umgibt, wird er seinen Sprachgebrauch wahrscheinlich nicht so schnell ändern. Das Bo wird mit 40 vermutlich nicht damit aufhören, „Digger” zu sagen.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Christian Paga

Ist die Bezeichnung „Jugendsprache” überhaupt noch zeitgemäß, wenn sie nicht vom Alter, sondern eher von der Lebenssituation abhängt?
Das wird gerade diskutiert und ist schwer zu sagen. Es gibt die Front, die sagt: Jugendsprache wird klar abgegrenzt. Ich bin der Meinung, dass diese Altersgrenzen im Zeitalter der sozialen Medien, der Verfügbarkeit aller Medien zu jeder Zeit immer und überall, verwischen. Eine klare Abgrenzung gibt es nicht mehr. Das ist dann eher eine Einstellungsabgrenzung.

Von Smombie und Co. fühlt sich kaum jemand repräsentiert und viele machen sich gerade darüber lustig. Ist das gewollt?
Ich denke, dem Verlag ist es erstmal egal, wie Interesse generiert wird. Selbst wenn negativ berichtet wird oder das Ganze ins Lächerliche gezogen wird, ist es ja immer noch Aufmerksamkeit. Zum einen für das Produkt, also das Buch, aber auch für die Jugendsprache. Vielleicht sind neben den Leuten, die sich darüber lustig machen, auch einige dabei, die in der Sprachforschung später diesen Weg einschlagen. Ich weiß gar nicht, ob man das viel besser machen kann. Der Unterhaltungsaspekt ist ja nicht von der Hand zu weisen. TV Total hat es zum Beispiel sofort aufgegriffen. Ich würde es trotzdem auch als Schlüssel zum Interesse am Thema sehen.

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Jugendsprache ist also Unterhaltung?
Originalität ist bei der Jugendsprache ein großes Thema. Trotzdem würde ich es nicht nur auf die Unterhaltung reduzieren. Man sieht ja, dass sich die Jugendlichen durch Sprache auch mit ernsten kulturellen und politischen Themen auseinandersetzen. „Merkeln” war zum Beispiel auch ein Kandidat ziemlich weit vorn im Voting. Obwohl ich das Wort vorher, um ehrlich zu sein, auch noch nicht kannte. Am Ende gibt es dann ein paar Begriffe, die sich dauerhaft durchsetzen. „Cool” zum Beispiel. Das hat man schon gesagt, als ich noch in der Schule war. Es wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, welche Wörter Bestand haben.

Welches gefällt Ihnen denn am Besten?
[Lacht] Mein Favorit war in diesem Jahr „Alpha-Kevin”. Dann hat der Verlag sich aber dafür entschieden, es aus Gründen der Diskriminierung auszuschließen, was man akzeptieren muss. Smombie sehe ich auch ganz vorne, weil damit eine Lücke geschlossen wurde. Ansonsten ist mein absoluter Lieblingsbegriff „Läuft bei dir”. Das hat sich wirklich durchgesetzt und ist inflationär oft gebraucht worden.

Vielen Dank für das Gespräch.