Wenn ihr eure Geschichte auch loswerden wollt oder Hilfe benötigt, schreibt uns und verzichtet auch nicht darauf, offiziell Beschwerde einzureichen.
Nachdem Anfang August ein 19-jähriger Rekrut bei einem Marsch an Überhitzung starb, haben wir beschlossen, euch nach euren Erfahrungen beim Bundesheer zu fragen. Und ihr habt sie uns geschickt. Alleine die Zahl der Einsendungen zeigt, dass das Thema bei vielen von euch schon die längste Zeit unter der Oberfläche brodelt.
Videos by VICE
Die Geschichten, die wir in den vergangenen 24 Stunden gelesen haben, sind teilweise unfassbar und sie zeigen etwas Wichtiges auf: Die Methoden mancher Bundesheer-Ausbildner und Kasernen gehören definitiv hinterfragt – und Reformen sind unabdingbar.
In einem Interview mit Ö1 erklärte Verteidigungsminister Doskozil nun, er wolle das “System hinterfragen”. Das scheint das Mindeste. Laut Falter-Chefredakteur Florian Klenk sei der Tod des jungen Rekruten vorhersehbar gewesen: Mittlerweile haben Kollegen des Verstorbenen einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie sich gegen Falschbehauptungen wehren.
Manche Geschichten ereigneten sich vor 20 Jahren, manche im Jahr 2017. Nicht alle davon sind in Horn passiert.
Unter den zahlreichen Zusendungen waren natürlich auch positive Geschichten; einige schreiben von guten Vorgesetzten, fairer Behandlung und schwarzen Schafen – manche sehen im Heer eine wichtige Teambuilding-Funktion und wollen die Institution nicht als Ganzes verteufeln. Klar ist, dass viele keine schrecklichen Erfahrungen beim Bundesheer machen mussten. Klar ist aber auch, dass Antworten wie “Das war doch schon immer so” zeigen, dass es ein strukturelles Problem gibt.
Im Verteidigungsministerium wird uns versichert, dass jeder Beschwerde nachgegangen werde und es dazu ausreichend Möglichkeiten gebe. Ein strukturelles Problem sieht man dort nicht – vielmehr weist man uns auf die vielen Grundwehrdiener hin, die auch Positives erlebt hätten.
Wir finden jedenfalls, dass Missstände wie die, von denen uns ehemalige und derzeitige Rekruten erzählt haben, es verdient haben, gehört zu werden. Lest hier, was junge Menschen beim österreichischen Heer laut eigenen Angaben erlebt haben – anonymisiert und in ihren eigenen Worten. Die Namen der Betroffenen sind der Redaktion bekannt. Wir bleiben mit allen Einsendern in Kontakt und versuchen, so gut es geht zu helfen. Manche Geschichten ereigneten sich vor 20 Jahren, manche im Jahr 2017. Nicht alle davon sind in Horn passiert.
“Er brach nach 10 Minuten auf der Treppe zusammen und hatte einen Krampfanfall.”
In der Grundausbildung hatten wir in der vorletzten Woche einen Marsch von zehn Kilometern. Einer von uns ist drei Tage in Folge beim Arzt gewesen und hat starke Magenschmerzen angegeben, Erbrechen und Appetitlosigkeit. An keinem der drei Tage bekam er eine Krankschreibung. Am Tag des Marsches hatte er nun schon drei Tage nicht viel außer ein paar Scheiben Brot gegessen und war körperlich am Ende. Er musste mitmarschieren, brach nach knapp einem Kilometer das erste Mal zusammen und übergab sich mehrmals. Die Ausbilder fingen an, ihn anzuschreien: “Schande fürs Land”, “So wird aus dir nie was”, und so weiter.
Er brach noch mehrmals zusammen und der ganze Zirkus ging von vorne los. Bis Kilometer sechs haben sie ihn getrieben. Kreidebleich, Erbrochenes im Gesicht, kaltschweißig und psychisch komplett am Ende. Er wurde mit einem Sanitäter-Fahrzeug in die Kaserne gebracht. Als wir zurückkamen, stand für uns noch etwas Sport an, er musste mitmachen und war in der Zwischenzeit bei keinem Arzt gewesen. Nach zehn Minuten brach er auf der Stiege zusammen und hatte einen Krampfanfall.
Nachdem der Grundwehrdiener von einem anderen Grundwehrdiener versorgt wurde, bestand dieser darauf, die Rettung zu rufen. Erst nachdem keiner von uns mehr auf die Befehle des Ausbildners reagierte, hat er verstanden, was er gerade zu verantworten hatte. Der Patient hatte mehrere Nierensteine und wurde nach diesem Vorfall vorzeitig aus seinem Dienst entlassen.
“Ich habe so geweint, als ich die Stimme meiner Mutter gehört habe. Ich war damals schon 21.”
Der erste Tag beim Bundesheer war schrecklich. Nachdem wir unsere Sachen bekommen hatten, wurden wir aufgefordert, in Busse zu steigen. Niemand sagte uns, wo wir hinfahren würden. Sie haben uns durchgehend angeschrien und gesagt, wir sollten den Mund halten und geradeaus blicken, niemand durfte rauchen oder auf sein Handy schauen. Wir wurden nach Horn gefahren. Die Ankunft werde ich nie vergessen.
Wir wussten überhaupt nicht, weshalb wir nach Horn in die Kaserne kamen und niemand sagte uns, weshalb wir plötzlich hier unseren Grundwehrdienst absolvieren mussten. Die Stimmung war gedrückt und niemand sprach miteinander, man befahl uns, sich in Reih und Glied aufzustellen. Es war spät abends, wir hatten 10 Minuten Zeit, das Zimmer zu beziehen, und hatten dann drei oder vier Stunden Unterricht. Wir waren alle sehr müde und einige schliefen ein. Die, die eingeschlafen waren, mussten die restliche Zeit stehend verbringen. Sie schliefen sogar im Stehen ein.
Nach dem Unterricht rief mich meine Mutter an. Ich musste richtig weinen, als ich ihre Stimme gehört habe, obwohl ich damals schon 21 war.
Nach ein paar Wochen gewöhnt man sich an den Alltag. Man steht auf, stellt sich in Reih und Glied auf, wird angeschrien und beschimpft, muss stehen, manchmal acht Stunden, muss stundenlang gehen. Bis auf den ersten Tag war schließlich alles halbwegs OK. Man muss sich halt einfach daran gewöhnen, dass man immer wieder angeschrien und erniedrigt wird.
“Den Kameraden wurden bei den Schießübungen Zigarettenstummel als Gehörschutz in die Ohren gesteckt.”
Nach einem stundenlangen Marsch wurde uns Knallmunition ausgehändigt, um einen sogenannten “Kontaktdrill” zu üben. Manche Rekruten hatten ihren Gehörschutz – handelsübliche orange Ohropax – vergessen. Also wurden alle Raucher aufgefordert, sofort eine Zigarette zu rauchen und die vergilbten Zigarettenstummel in ihre eigenen Ohren oder die ihrer Kameraden zu stecken.
Die, die sich weigerten, mussten in Baumwollhosen im Schnee Liegestützen machen. Der Gehörschutz erfüllte seinen Zweck nicht, so dass mehrere Rekruten später über starke Ohrenschmerzen klagten.
“Zwei Ausbilder kamen regelmäßig zu mir und sagten mir, wie sie meinen erwarteten Suizid feiern würden.”
Ich habe noch heute Albträume von meiner Zeit beim Bundesheer. Ich wache dann jedes Mal schreiend auf. Es hat mich schon mehrere Beziehungen gekostet.
Ich hatte von Anfang an starke Knieprobleme. Später stellte sich heraus, dass es eine Entzündung war, die mit etwas Ruhe schnell abgeheilt wäre. Ich bekam beim ersten Arztbesuch eine vorübergehende Exerzierdienst-, Sport- und Stehbefreiung, sofern die Tätigkeit länger als 10 Minuten am Stück dauerte.
Das meldete ich wie befohlen meinem direkten Vorgesetzten, der mir riet, mich nicht an diese Befreiung zu halten, weil ich sonst jede Woche Strafdienst leisten müsse. Ich würde die ganze Gruppe runterziehen. Also wurden wegen mir alle anderen bestraft und es wurde ihnen auch so gesagt. Ich war ab dem vierten Tag bei 200 Personen verhasst.
Ich musste dann bei jeder Übung mitmachen. Nach 9 Minuten und 3 Sekunden piepste die Stoppuhr eines Vorgesetzten, ich musste mich 30 Sekunden hinsetzen und dann weitermachen. Er verfolgte mich überall hin. Wenn ich in Pausenzeiten, also zum Beispiel bei der Essensausgabe, länger als 10 Minuten stand, schrieb er einen Bericht, dass ich meine soldatische Pflicht, auf meine Gesundheit zu achten, vernachlässigt hätte. Oft bekam ich kein Essen, weil er mich zwang, ganz hinten in der Schlange zu stehen. Fast einen Monat nahm ich pro Tag fünf bis zehn Schmerztabletten.
Mittlerweile war die Entzündung so schlimm, dass ich neue Hosen brauchte, die vier Nummern größer waren, weil ich aufgrund der Schwellung nicht mehr in Hosen meiner Größe passte. Ich musste daraufhin bei minus 10 bis minus 20 Grad draußen auf einem Holzschemel sitzen und durfte mich nicht bewegen. Die anderen mussten immer mehr machen und ihnen wurde gesagt, dass ich daran schuld sei.
Nachts wurde ich von Gruppen verprügelt. Untertags bespuckt. Zwei Ausbilder kamen regelmäßig zu mir und sagten mir, wie sie meinen erwarteten Suizid feiern würden, dass sie auf mein Grab urinieren und Scherzanrufe bei den Hinterbliebenen machen würden.
“Da bekommt man das Gefühl, Dreck zu sein, aber genau das schweißt die Rekruten zusammen.”
Ich war bei der 1. Garde, gleiche Kompanie, gleiche Ausbildner, gleiche Kaserne wie der Kamerad, der vor ein paar Tagen verstorben ist. Ich hab euren Artikel gelesen und konnte mir die zitierten Sprüche des Exerziermeisters sehr bildlich vorstellen, der aber eigentlich ein wirklich guter Typ gewesen ist. Die ersten paar Wochen in der Grundausbildung in Horn sind wirklich nicht schön, da bekommt man echt das Gefühl, Dreck zu sein, aber genau das schweißt die Rekruten zusammen und zeigt ihnen die Hierarchie auf, die beim Heer ganz einfach notwendig ist.
Wie die Rekruten behandelt werden, ist sehr einfach: Stellen sie sich schlecht an, gibt es Bestrafungen und Geschrei, stellen sie sich gut an, gibt es Belohnungen und das Ganze wird sehr viel angenehmer. Als wir mit der Zeit besser geworden sind und unsere Aufgaben gut gemacht haben, sind auch die Ausbildner viel menschlicher und freundlicher geworden.
Ich möchte die Zeit beim Heer weder vergessen noch finde ich, dass sie verschwendet war. Unserer verweichlichten Generation schadet es nicht, auch mal zu erfahren, wie es ist, mal aus der Safezone rauszukommen. Dass ein Rekrut stirbt, ist schrecklich, aber das passiert alle zehn Jahre einmal, da ist die Sterberate in anderen Berufen sicher höher.
“Von ihm wurden Rekruten unter der eiskalten Dusche stundenlang stehen gelassen.”
In Foren geistern bis heute Namen herum, die Angst und Schrecken verbreiten. Ein Vizeleutnant, der mittlerweile zum Glück verstoben ist, hat Rekruten stundenlang unter der eiskalten Dusche stehen lassen. Vieles habe ich auch selbst erlebt. Dass das Bundesheer nicht schön ist, ist natürlich allen klar, aber die ersten Wochen sind die Hölle auf Erden. Es regiert Angst und Panik, die einzig und allein von den Ausbildnern verbreitet wird. Ich habe damals das Gefühl bekommen, wie sich Menschen in den Internierungslagern in den 30ern und 40ern gefühlt haben müssen.
In den Küchen wird enorm viel gestohlen und unter der Hand verkauft – von Vertragsbediensteten wie Soldaten. Das Essen für Muslime wird zusammen mit dem Schweinefleisch gekocht und nur anders ausgewiesen. Bei den Unteroffizieren kann man immer wieder rechte Symbole sehen, einige haben die Kaserne in Thor-Steinar-Kleidung verlassen.
Drei Vorteile hat das Bundesheer trotz alledem: Man lernt zu saufen und wie man Drogen unter ständiger Beobachtung verkaufen und kaufen kann. Und wenn es mir heute schlecht geht – wegen meines Berufs oder einer Beziehung –, dann erinnere ich mich an diese schlimme Zeit zurück und es geht mir wieder besser.
“Es gab eine funktionierende Gemeinschaft und unser gemeinsamer Gegner war der Ausbildner.”
Vor zirka vier Jahren habe ich in Horn meine Grundausbildung gemacht. Ich erinnere mich zurück an eine Zeit der physischen und psychischen Grenzerlebnisse. Unsere Kompanie hatte 300 Mann, ich war im 3. Zug, dieser Zug bestand nicht aus “Gewehrprakern”, das heißt, nicht aus denen, die exerzieren. Der 3. Zug bildete die Wachen aus und hatte die strenggläubigen Muslime und auch die Gardemusiker in ihrer Ausbildung. Ich war durchaus erstaunt darüber, wie korrekt die strenggläubigen Muslime behandelt wurden. Ich achtete darauf, weil ich vermutet hatte, dass vielleicht abfällige Bemerkungen oder sonstige Gemeinheiten kommen könnten. Aber die Ausbildner waren sehr korrekt, räumten ihnen die Gebetszeiten ein, und das ohne jegliche Drangsalierung.
Das Wunderschöne war, dass wir zusammenhielten. Es gab eine funktionierende Gemeinschaft, und unser gemeinsamer Gegner war der Ausbildner. Und dieser spielte seine Rolle, das war mir klar.
Ich wurde anfänglich mehrfach gefragt, ob ich an irgendetwas leiden würde, Beschwerden habe oder sonstiges melden wolle und ich hatte tatsächlich etwas zu Melden. Ich litt an normalem Vitamin D-Mangel. Man hat mich daraufhin jeden Monat ins Spital gefahren und ich fühlte mich dadurch echt umsorgt. Uns wurde auch die Visitenkarte und Nummer eines Psychologen gegeben, nicht im Haufen der Unterlagen, sondern gesondert bei einer Schulung. Ich war trotz allem sehr froh, als meine Zeit im Bundesheer wieder vorbei war.
Eine persönliche Bitte: Zeigen Sie auf, was falsch läuft, zeigen Sie, wo man Kontrollen einbauen muss. Ich glaube, man muss immer an der Wurzel anpacken. Aber überhören Sie nicht die guten Erfahrungen.
“Während man so brutal körperlich misshandelt wird, hat man recht viel Zeit nachzudenken.”
Meine Zeit beim Heer ist zwar schon fünf Jahre her, aber einige Situationen haben so krasse Erinnerungen hinterlassen, dass sie mir immer noch hin und wieder unfreiwillig in den Kopf schießen.
Als ich die Geschichte des verstorbenen Rekruten gehört habe, musste ich sofort an ein eigenes Erlebnis denken: Ein Ausbildner entdeckte damals in einem Klo eine schwimmende Schokoriegelverpackung. Zwei Kameraden mussten das Klo von Grund auf reinigen, der Rest musste bei 30 Grad in schwerer Kampfausrüstung zu laufen beginnen. All das war natürlich begleitet von den typischen Beschimpfungen, wir seien Weicheier und Schwanzlutscher und sollten gefälligst schneller laufen. Zwei Rekruten brachen kotzend am Straßenrand zusammen. Während man so brutal körperlich misshandelt wird, hat man recht viel Zeit nachzudenken.
Bei solchen Vorgehensweisen war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis jemand an den Folgen dieser körperlichen Anstrengung sterben würde. Es wundert mich überhaupt nicht. Solche Gruppenbestrafungen, die natürlich offiziell verboten sind, sind körperliche Misshandlung, da Rekruten immer wieder körperliche Schäden davon ziehen.
Die Zeit hat so tiefe Spuren hinterlassen, dass es mir echt ein Bedürfnis war, von meinen Erlebnissen zu erzählen.
“Weil einer meiner Kameraden Schimmel im Spind hatte, wurde ich als Zimmerkommandant viel härter bestraft als er. Kameradschaft nennen sie das.”
Weil einer meiner Kameraden Schimmel im Spind hatte und allgemein eine Drecksau war, wurde ich als Zimmerkommandant viel härter bestraft als er. Ich hab zwei Wochen Ausgangsverbot bekommen, er nur eine. In der Grundausbildung hatten wir wegen eines Soldaten in unserem Zug, der Scheiße gebaut hat, eine Woche lang jede Nacht nur vier Stunden Zeit zum Schlafen und fast keine Pausen. Kameradschaft nennen sie das beim Bundesheer.
“Einer der Ausbildner hatte es besonders auf mich abgesehen und mein Facebookprofil gestalkt.”
Ich bin eine junge Frau und war für einige Monate beim Österreichischen Bundesheer. Ich rückte damals mit einer weiteren Frau ein und erfuhr schon bald erste Diskriminierungen gegenüber uns Soldatinnen. Einer der Ausbildner hat es besonders auf mich abgesehen und mein Facebookprofil gestalkt, wobei man bei mir nur Titelbild und Profilbild sehen kann. Er verwendete sie, um mich nieder zu machen.
Abgesehen hatte er es auf mein Hobby, Fußball, das aus meinem Titelbild ersichtlich war, versuchte mich mit Beschimpfungen nieder zu machen und sagte, dass Frauen weder Fußball spielen noch zum Heer gehen sollten. Das konnte er so lange tun, bis ich bei einem 20-Kilometer-Marsch mit 30 Kilo Gepäck kurz vor dem Ziel zusammenbrach. In der Situation meinte ich nur zu einem Ausbildner, dass ich weitermachen müsse, weil der besagte Ausbildner mich sonst wieder niedermachen würde.
Der Ausbildner, dem ich mich anvertraute, meldete es noch gegen Ende des Tages und der besagte Ausbildner musste später mit Konsequenzen leben. Ich machte damals die Erfahrung, dass es sowohl schwarze als auch weiße Schafe beim Österreichischen Bundesheer gibt.
“Man versucht hier, eine Eliteeinheit mit Grundwehrdienern aufzubauen. Das kann nicht gut gehen!”
Ich war bei eben jener Kompanie, in der der junge Grundwehrdiener vergangene Woche gestorben ist. Ich habe erlebt, dass die Ausbildner die Kompanien perfekt machen wollen. Viele sehen die Garde als “Eliteeinheit”. Man versucht, die Soldaten durch psychischen Drill dazu zu kriegen, auf ihre Rechte – wie etwa das Recht auf eine Beschwerde – zu verzichten, weil man glaubt, das würde die Disziplin aufrecht erhalten. Die Rekruten fürchten sich zum Teil so sehr, dass sie sich nicht trauen, etwas zu sagen. Man versucht hier, eine Eliteeinheit mit Grundwehrdienern aufzubauen. Das kann nicht gut gehen!
“Während einer Pause löste sich ein Schuss von einem Kameraden und das Mündungsfeuer zog knapp an meinem Kopf vorbei.”
Während einer Gefechtsausbildung mit Knall-Munition gab es einen Zwischenfall. Knall-Munition ist leiser als scharfe Munition und relativ ungefährlich, da es zwar nur zu einem Knall kommt. Trotzdem aber ein Mündungsfeuer entsteht. Diese kleine “Explosion” kann aus nächster Nähe zu ernsthaften Verletzungen führen. Während einer Pause löste sich ein Schuss von einem Kameraden und das Mündungsfeuer zog knapp an meinem Kopf vorbei. Wegen des Drucks neben meinem Ohr verlor ich kurzzeitig die Orientierung, wäre der Gewehrlauf mehr in meine Richtung gerichtet gewesen, hätte mich das Mündungsfeuer ernsthaft verletzten oder gar töten können. Der Rekrut wurde ein wenig zusammengeschissen, mehr passierte aber nicht.
Wenn man beim Marschieren nicht mehr weiterkonnte, wurde man zuerst aufgefordert, sein Marschgepäck einem kräftigeren Kameraden abzugeben, sollte das nicht ausreichen, wurde man zurück in die Kaserne oder ins Lager gefahren. Vor allen anderen Kameraden. Das führt dazu, dass man sich vor den anderen Kameraden nicht “blamieren” will und man noch einmal “sein Letztes” geben will – auch wenn der Körper schon längst sagt, dass es nicht mehr geht.
Neben dem Blamieren kann es aber auch dazu kommen, dass man nach Dienstschluss von seinen Kameraden gemobbt wird. So ist es einem Kameraden passiert und ich muss zugeben, dass ich tatenlos zugesehen habe, wie er fertiggemacht wurde. Wenn ich mich für ihn eingesetzt hätte, dann hätten sie mich wohl auch im Visier gehabt.
“Aufstehen durfte ich wegen meiner Blasen nur, wenn ich duschen oder auf die Toilette gehen wollte. “
Ich musste meine Grundausbildung in Horn absolvieren, weiß also ziemlich genau, wie es dort so abgeht. Neben kräfteraubenden Läufen und diversen Militärübungen an heißen Sommertagen war der Abschlussmarsch am Ende einer Feldwoche (bei der wir in provisorischen “Zelten”, aus denen unsere Füße rausschauten, übernachten mussten) definitiv mein “Highlight”: In voller Montur und mit schwer beladenem Rucksack mussten wir in Kleingruppen stundenlang durch die waldviertlerische Einöde marschieren und bei verschiedenen Stationen unser in den Wochen zuvor erlerntes Wissen unter Beweis stellen.
Jedenfalls hatte Dutzende Rekruten keine Lust, an diesem lustigen Marsch teilzunehmen und meldeten sich tags zuvor im Krankenrevier krank. Fand ich ziemlich arschlochhaft uns gegenüber, denen versprochen wurde, dass die schnellste Gruppe einen Tag dienstfrei bekäme. Die Vorstellung davon, einen ganzen militärfreien Tag geschenkt zu bekommen, war schöner als alles andere in jenem Moment.
Nach einem erholsamen Wochenende zuhause meldete ich mich darauffolgenden Montag beim Krankenrevier, da sich auf beiden Fersen Blasen gebildet hatten. Nicht weiter schlimm, dachte ich. Weit gefehlt: Sofort wurden meine Blasen aufgestochen und verbunden, mehrere Sanitäter standen um mich herum, so, als hätte ich eine seltene und schwere Krankheit. Mir wurde dann gleich mehrmals eingebläut, dass diese Prozedur absolut notwendig sei, da ich möglicherweise eine Blutvergiftung davontragen hätte können und mir dann beide Füße amputiert hätten werden müssen.
Das weitere Highlight folgte dann gleich, als ich wegen meiner Blasen eine Woche im Krankenrevier in Allentsteig verbringen musste, sicherlich eine der schönsten Wochen meines Lebens. Nach meiner Antwort auf die Frage einiger Korporäle, wieso ich eine Woche gefehlt hätte, wurde mir nur abfällig ins Gesicht gelacht, dumme Kommentare inklusive.
“Dort geht es wirklich darum, die Menschen zu brechen, um sie danach neu zu formen.”
Die meisten Unteroffiziere waren jung (20 bis 26) und haben uns immer respektvoll behandelt. Ja, sie haben vulgär gesprochen, aber wir wussten alle, dass das nur 6 Monate lang dauern würde und haben zumeist alles mit Spaß genommen und wussten immer, was von uns erwartet wird. Aber die Ausbildung in Horn ist eben ein Schock.
Die Garde ist sowieso heftig. Disziplin ist das A und O und dort geht es wirklich darum, die Menschen zu brechen, um sie danach neu zu formen. Ich war in minus 25 Grad draußen nach Sonnenuntergang und musste mein Sturmgewehr auf Kommando immer und immer wieder schnell auseinanderbauen und wieder zusammensetzen. Ich hatte danach Brandwunden. Vom Exerzieren hatte jeder blaue und schwarze Flecken. Hast du dein STG 58 nicht laut genug eingeschultert, warst du schon mal Fixstarter für die Nachausbildung.
Die anderen Kompanien wurden gequält und gedrillt bis zum geht nicht mehr. Ständig exerzieren. Hast du einen kleinen Fehler gemacht, wurdest du bloßgestellt. Bei uns gab es sowas nicht. Zwar hat der Exerziermeister genauso geschimpft, wie es im Falter steht, aber er hat nie jemanden persönlich beschimpft.
Mit Humor geht alles viel leichter. Wir haben überall was Lustiges gesucht. Meine Gruppe hatte sehr gute Leute, die sich gegenseitig unterstützt haben, aber einige haben sich da wirklich stark verändert. Menschen, die beim Einrücken die nettesten auf Erden waren, waren auf einmal grantig und gemein.
“Wie ist es so als Rekrut beim Bundesheer? In der Grundausbildung schrecklich.”
Wie ist es so als Rekrut beim Heer? In der Grundausbildung schrecklich. In dieser Zeit passieren viele Dinge, da kann man sich auch mal verletzten oder krank werden. Der Truppenarzt bei uns untersuchte die Erkrankten nicht ordentlich und gab uns für fast alles ein Gel gegen Muskelkater und Prellungen.
Das war so bescheuert, dass wir es schon wieder lustig fanden. Ein Kamerad fand es aber weniger unterhaltsam. Er fühlte sich sichtbar scheiße und hatte angeschwollene Füße. Das Gel sollte ihm helfen. Weil es aber nicht half, musste er außerhalb der Dienstzeit ins Spital gebracht werden. Die Ärzte dort stellen eine Blutvergiftung fest.
“Wir durften viel in leichter Kleidung draußen sein, weil wir ja Männer seien und keine ‘Schwuchteln’.”
Bei der ärztlichen Untersuchung wurde bei mir Asthma festgestellt (ich wusste vorher nichts davon). Somit wurde mir verboten, weiter als einen Kilometer zu laufen oder 3,5 Kilometer zu marschieren, da sonst meine Lunge kollabieren könnte. Soweit die Theorie, in der Praxis wurde ich des öfteren über sechs Kilometer gehetzt, immer wieder denselben Berg hinauf und wieder hinunter.
Meine Schnürsenkel gingen auf, aber stehen bleiben ist strengstens untersagt. Als wir dann endlich eine kurze Pause hatten, wollte ich meine Schnürsenkel binden, wurde natürlich sofort angesprochen und da ich weiter gebunden habe, wurde ich für diese “bodenlose Frechheit” dazu verdonnert, Liegestütze zu machen, bis wir weiterlaufen würden. Die Schnürsenkel durfte ich nicht binden, kann ja auch nichts passieren, wenn man völlig erledigt und kurz vor dem Kollaps mit offenen Schnürsenkeln rumläuft.
Auf meinen Hinweis, dass ich nicht weiter als einen Kilometer laufen dürfe, kam grinsend die Antwort: “Das waren erst 700 Meter, du Memme!” Genau, deswegen laufen wir auch schon seit 40 Minuten, hab ich mir nur gedacht. In der Mittagspause danach konnte ich nichts essen, ich bin am Boden gelegen und sah Sterne.
Ich bin im Jänner eingerückt und dass man krank wird, wenn man fast den ganzen Tag bei kräftigen Minusgraden draußen ist und die befohlene Kleidung nicht warm genug ist, sollte den Herrn in Horn eigentlich klar sein. Wir durften viel in leichter Kleidung draußen sein, weil wir ja Männer seien und keine “Schwuchteln”. Mich hat es dank der Aktion so richtig erwischt und ich bekam eine Hodenentzündung von der Kälte. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass es sowas gibt.
Als ich wieder zur Truppe musste, natürlich immer noch auf Antibiotika und nicht voll genesen, wurde ich von dem “Ausbildner” wegen dem ich im Spital war, grinsend gefragt: “Wie gehts Ihren Eiern? Sie müssen mehr wichsen, dann tun die auch nicht weh.”
“Ich konnte nicht verstehen, wieso ich meinen Kollegen am Boden liegen lassen sollte.”
Wir wurden um 6 Uhr Morgens aus den Betten geschrien und mussten uns im dritten Stock zur Zählung aufstellen, einer meiner Kollegen hatte direkt neben mir einen Kreislaufkollaps und ich wollte mich natürlich sofort um ihn kümmern. Die Zugsführer befahlen mir, ihn liegen zu lassen. Diesen Befehl wollte und konnte ich nicht befolgen, was mir meine erste Nachschulung bescherte. Ich konnte nicht verstehen, wieso ich meinen Kollegen am Boden liegen lassen sollte. Er wurde erst nach der Befehlsausgabe rund zehn Minuten später ärztlich versorgt.
Es gab mehr als zwei “Schleifer”, wie verschiedene Medien die besonders harten Ausbildner nennen. Wir wurden beschimpft, unsere Familien wurden beleidigt, für mich kein großes Problem, aber für viele andere natürlich schon.
Wir hatten zwei Feldtage und mussten zu Fuß mit voller Montur zu unserer Gefechtsübung – und das bei 32 Grad. Mit dabei hatten wir unsere Feldflaschen und wie es an heißen Tagen eben so ist, haben viele ihr Wasser ziemlich rasch aufgebraucht. Auf die Nachfrage, ob wir denn noch Wasser bekommen könnten, kam die kalte Antwort “Im Krieg muss man sich sein Wasser auch einteilen.”
Ich möchte niemanden daran hindern, das Bundesheer zu besuchen, allerdings sollte man sich ernsthaft überlegen, ob es immer noch nötig ist, solche Methoden anzuwenden. Der einzig positive Aspekt sind die Leute, die ich durch das Bundesheer kennen gelernt habe, meine Zimmerkollegen sind sehr gute Freunde von mir geworden, die so nicht mehr missen möchte.
“Wenn ja, möge er sich bitte nachher zum Abrüsten melden, weil er keine Homosexuellen duldet.”
In der Grundausbildung hat ein Ausbildner vor versammelter Menge gefragt, ob wer von uns homosexuell sei. Wenn ja, möge er sich bitte nachher zum Abrüsten melden, weil er keine Homosexuellen duldet. Es war natürlich allen klar, dass er nur rausfinden wollte, wer sich meldet, um denjenigen dann extra zu schikanieren.
Später im Sanirevier war, hat ein Ausbildner, der ausgebildeter Krankenpfleger war, nach einem Unfall in der Kaserne gesagt: “Und? Ist wer gestorben? Nein? Wie fad…”
“Ich lebte in den vier Wochen Grundausbildung in ständiger Angst. Angst, welche Scheiße als nächstes kommen würde”
Beim Marsch, den wir in unserer Grundausbildung absolvierten, gingen wir um zirka 20 Uhr weg, es war stockfinster und im Februar hatten wir bis zu minus 25 Grad. Jeder von uns rutschte dauernd aus und fiel mit 30 Kilo Marschgepäck hin. Zwei Leute gaben im ersten Drittel an, nicht mehr zu können, weil das Gepäck zu schwer war, daraufhin mussten die anderen abwechselnd ihr Gepäck tragen.
Bei der ersten Pause trugen sie ihr Gepäck wieder selber, teils aus Kameradschaft, teils, weil sie Angst davor hatten, dass sich die anderen rächen würden. Im letzten Drittel des Marsches bestimmte der Ausbildner, dass die zwei dicksten Kameraden “angeschossen wurden” und wir mussten sie mit der Trage bis in die Kaserne tragen.
Wir hatten sehr oft das, was gemeinhin als “Maskenball” gilt. Einmal mussten wir mit vollem Marschgepäck um die Kaserne gehen, irgendjemand sprach in der Einteilung und es hieß: “Wenn ihr reden könnt beim Gehen, könnt ihr auch Laufen”. Darauf liefen wir um die Kaserne, als wir halt machten, musste sich jemand vor Anstrengung übergeben.
Ich lebte in den vier Wochen Grundausbildung in ständiger Angst. Angst, welche Scheiße als nächstes kommen würde.
Ich bezeichne mich als emotional gefestigt und kann mit Schicksalsschlägen gut umgehen, aber eines Tages während der Grundausbildung kam ich Heim und fing zu weinen an. Der Auslöser war einfach, dass ich die letzte Folge von Scrubs gesehen hatte. Ich war emotional so fertig, dass ich wegen de facto nichts zu weinen begann. Mich hat die Zeit beim Bundesheer nachhaltig verändert.
Ich wollte das schon immer loswerden.
Update: Da wir noch immer laufend Geschichten bekommen, haben wir uns entschlossen, weitere zu ergänzen.
“Als zur Sonntagmorgenwache die Militär-Autos einfuhren, schoss er frisch erwacht auf sie, weil er meinte, die Russen kämen.”
Als ich Ende der 80er in der Maria Theresien-Kaserne war, gab es auch bereits einen solchen Todesfall aus Schikane. Das hat lange Tradition. Damals war es ein Kollaps nach stundenlangen Liegestützen im Winter unter der Eisdusche. Derjenige, der in der Kaserne als Verantwortlicher genannt wurde, gilt mittlerweile als Aushängeschild des österreichischen Bundesheers.
Damals war der Todesfall in den Medien bekannt, wurde aber vorsorglich vertuscht. Ich war ja selbst als junger Punk und Erzlinker auf der Abschussliste, konnte mir aber den Rücken durch ständige Beschwerdeschreiben an die Kommandantur freihalten. Aber die Schikanen, willkürlichen Strafen und Herabwürdigungen waren allgegenwärtig. Ebenso die Nazi-Devotionalien, die vorsorglich im Unteroffizier-Schreibtisch weggesperrt waren. Schönste Episode war, als ein solcher Unteroffizier die Nachtwache über die Kaserne hatte und sich die Nacht ordentlich mit Wodka streckte. Als zur Sonntagmorgenwache die Militär-Autos einfuhren, schoss er frisch erwacht auf sie, weil er meinte, die Russen kämen.
Einmal wurde mein Zimmer hinter meinem Rücken angehalten, mir eine nächtliche Seifentherapie zu verabreichen, weil ich als goschert und subversiv bekannt war. Bis auf zwei, die das durchgezogen hätten, verbündete sich aber der Rest mit mir. Einen Soldaten schlossen sie mal zum Spaß mit dem Schwanz an eine Melkmaschine an, damit er zeigen könne “was er drauf hat”. Einige labilere Seelen in meinem Zug sah ich aber vor mir zerbrechen. Mich wollten dann einige Offiziere bei einer Gletscherwanderung “umbringen”. Natürlich wusste ich, dass das nur im übertragenen Sinn gemeint war. Aber ich wusste auch, das wird hart. Also nutzte ich den nächsten Freigang, um über “eine Treppe zu fallen” und konnte mit der vorsorglich gebrochenen Hand leider nicht mitkommen.
“Einmal montierte mir einer meiner Ausbildner meine Zimmertürschnalle ab und sagte, dass sie unter meinem Bett sei und ich mich nur tief hinunterbeugen müsse, um sie zu finden.”
Ich rückte als junge Frau ein und bekam den Sexismus unter den Soldaten sofort zu spüren. Mir wurde meine Unterwäsche aus dem Zimmer gestohlen, beim Duschen kamen laufend Ausbildner rein oder es wurde einfach die Tür geöffnet. Als sich einmal ein Rekrut einer anderen Einheit in mein Zimmer schlich (ich bekam keinen Schlüssel für mein Zimmer, auch auf mehrere Anfragen nicht), wandte ich mich an meine Mentorin, die nur meinte, dass eine Meldung nichts bringen würde. Sie erzählte mir gleich darauf, was sie alles erleben musste. Ich war schockiert und fühlte mich so hilflos.
Einmal montierte mir einer meiner Ausbildner meine Zimmertürschnalle ab, rief mich zu sich und behauptete, dass sie unter meinem Bett sei und ich mich nur tief hinunterbeugen muss, um sie zu finden. Er hielt sie aber die ganze Zeit in seiner Uniform versteckt.
Mit der Zeit entstand eine gewisse Gruppendynamik in meiner Einheit. Ich begann schon tagsüber viel zu trinken und konnte keine zwei Stunden mehr durchschlafen. Ich machte im Dienst immer wieder Fehler und wurde dafür hart bestraft. Als die ganzen Schikanen ans Tageslicht kamen, wurde alles daran gesetzt, die Vorfälle zu vertuschen. Ich bekam niemals Unterstützung oder eine Entschuldigung – ganz im Gegenteil. Es wurde nur darauf abgezielt, mein Aussehen zu kommentieren. “Selber Schuld, man sollte halt im Dienst keine Wimperntusche tragen” bekam ich zum Beispiel zu hören.
Auch ein zweiter Vorfall begab sich zur gleichen Zeit in meiner Kompanie. Grundwehrdiener wurden mit geladenen Sturmgewehren bedroht und mussten stundenlang in Formation am Antreteplatz im Regen stehen, während der Ausbildner vom Fenster aus lachend Fotos machte.
Als ich diese Vorfälle bei der Militärpolizei meldete, wurde zwar ermittelt, doch außer einer Beurlaubung passierte nichts und jetzt ist besagter Ausbildner wieder im Dienst und hat wieder Grundwehrdiener unter sich.
“Der Offizier schrie ihn dabei an: ‘Normalerweise waratn’S jetzt tot!’”
Wir Grundwehrdiener waren in einer relativ kleinen Kaserne als Systemerhalter eingeteilt. Mein Job als Maturant, der sonst nichts konnte: Wache. Mit mir in meiner Wachgruppe auch Andy, der im Lauf dieser Zeit zu einem guten Freund wurde. Andy stand im Mittelpunkt eines Vorfalls, der sich während eines unserer Wachdienste zutrug. Die Jungmannschaft hatte ihre Angelobung, aus logistischen Gründen fand sie direkt im Ort statt, wo die Kaserne war. Als Teil der Angelobung begleiteten auch Kader die Truppe, die Offiziere führten dabei die Glock 17 als Seitenwaffe.
Die Angelobten kamen bald wieder heim, die Offiziere aber waren dem Vernehmen nach noch etwas trinken. Nach und nach ließen wir von der Wache die Heimkehrer ein, ich als Wachkommandant legte mich dann gegen 1 Uhr hin. Plötzlich wurde ich von riesigem Geschrei geweckt. Ein völlig verstörter Andy saß im Wachlokal, während ein Oberleutnant gestikulierte und herumschrie. Es stellte sich heraus, dass die Kasernentür nicht ordentlich versperrt war und der sichtlich angetrunkene Oberleutnant der Wache eine Lektion erteilen wollte. Er schlich durch das offene Tür bis zum Wachlokal, zog seine Waffe und richtete sie auf die Türe. Dann klopfte er, und als Andy öffnete, blickt er in den Lauf der geladenen Waffe. Der Offizier schrie ihn dabei an “Normalerweise waratn’S jetzt tot!”
Nachdem wir alle beruhigt hatten, Meldung beim Offizier vom Tag gemacht hatten und sich der Betrunkene wieder entfernt hatte, wurde das Ganze am nächsten Tag auch dem Kasernenkommandanten gemeldet. Kurz danach holte die Militärpolizei den Oberleutnant ab, der Kasernenkommandant entschuldigte sich für den Vorfall bei uns allen. Er wurde strafversetzt, bekam ein Disziplinarverfahren und eine Beförderungssperre. Wir sahen ihn während unserer Wehrzeit nicht mehr.
Ein paar Wochen nach dem Abrüsten erhielt ich eine Zeugenvorladung zu einem Zivilprozess, der Offizier war vom Bundesheer außerdem wegen gefährlicher Drohung angeklagt worden. Zu einer Zeugenaussage von mir kam es nie. Offenbar war der Fall auch ohne meine Stellungnahme sonnenklar.