Wir haben im Innenministerium gefragt, was wir dank Verhüllungsverbot jetzt nicht mehr tragen dürfen

Wir sind verwirrt. Noch nicht einmal eine Woche ist das Verhüllungsverbot in Kraft und schon im Vorfeld war niemandem so wirklich klar, was das bedeuten würde. Jetzt zeigt sich in der Vollziehung: Irgendwie wissen auch das Innenministerium und die Polizei nicht so genau, was eigentlich noch erlaubt ist und was nicht.

Laufend gibt es Erklärungen, was weshalb verfolgt wird oder was aus welchem Grund nicht, Aussagen von vor wenigen Stunden werden revidiert, das Innenministerium twittert in einem Moment das eine, die Polizei vollzieht im nächsten Moment das andere. Wir kennen uns nicht mehr aus. Also haben wir dem Innenministerium eine Mail geschickt und im Detail nachgefragt. Es waren dann doch mehr konkrete Fälle, als wir uns selbst gedacht hätten:

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– Dürfen Straßenmusiker, die beim Musizieren eine Maske – oft ist es eine Pferdemaske – tragen, das auch weiterhin tun?

– Ein Imker darf sich aus beruflichen Gründen verhüllen, aber was, wenn er nur Hobby-Imker ist?

– Wie viel Gesichtsbehaarung ist einem Mann erlaubt, bevor es zur Maske wird?

– Wie viel Gesichtsbehaarung ist es bei einer Frau?

– Im November wird der “Musiker” Cro nach Wien kommen, der immer eine Panda-Maske trägt. Muss er seine Maske an der österreichischen Grenze ablegen?

– Wie ist das mit der Band Daft Punk?

– Dürfen sich Menschen an Halloween als Geister verkleiden? Als was dürfen sie sich nicht verkleiden? Sind Burka oder Niqab zulässige Kostüme?

– Wie steht es um Masken, auf denen das eigene Gesicht abgebildet ist?

– Darf eine trauernde Witwe auf einem Begräbnis einen Schleier tragen?

– Darf eine Braut während der Hochzeit einen Schleier tragen?

– Wie schnell nach der Hochzeit muss sie den Schleier ablegen? Auf dem Weg in die Kirche, in der Kirche, im Restaurant?

– Müssen die Clowns, die man immer wieder auf der Mariahilfer Straße sieht, jetzt ungeschminkt Luftballons verknoten?

– Müssen sie es nur, wenn sie ehrenamtliche Clowns sind?

– Ab wann ist ein Clown ein Clown?

– Wenn ein Motorradfahrer/eine Motorradfahrerin von seinem/ihrem Motorrad absteigt, wie schnell muss er/sie den Helm dann absetzen, um nicht von einem Mitglied einer verfeindeten Motorradgang angezeigt werden zu können?

– Wie weit darf man sich beim Tragen eines Helms vom Motorrad entfernen?

– Da er/sie in diesem Moment Sport betreibt und es zusätzlich vermutlich kalt ist, darf ein Skifahrer/eine Skifahrerin sein/ihr Gesicht verhüllen. Aber was, wenn er/sie später in einer geheizten Gondel wieder auf den Gipfel fährt?

– Dürfen sich Besucher des Life Ball, der Regenbogenparade oder der Comic Con erst vor Ort verkleiden?

– Welche Verkleidungverbote gelten für Kindergartenkinder? Welche für ihre BetreuerInnen?

– Darf ein Nikolaus oder Weihnachtsmann, der von Haus zu Haus geht, einen Bart in einer Größe tragen, sodass sein Gesicht zu einem Teil verdeckt ist?

– Wenn ja, darf er das zu jeder Jahreszeit oder gibt es eine genaue zeitliche Einschränkung?

– Wie ist das mit einem Krampus?

– Ist es erlaubt, mit Schnorchelmaske an einer Strandbar zu sitzen?

– Ab wann ist Schnorcheln sportliche Betätigung? Ist es erlaubt, mit einer Schnorchelmaske im Wasser zu sitzen, ohne aktiv zu schnorcheln?

– Wie viel Sonnencreme im Gesicht ist erlaubt?

– Ist es erlaubt, eine Papiertüte über dem Kopf zu tragen?

– Wie ist es mit einer durchsichtige Plastiktüte?

– Wie ist es mit einer durchsichtigen Strumpfhose?

– Wie ist es mit einer schwarzen Strumpfhose?

– Darf eine Privatperson beim Schweißen in der Öffentlichkeit eine Schweißmaske tragen?

– Ist Blackfacing jetzt endlich strafbar?

Die kurze Antwort: Keiner weiß es so genau. “Der Gesetzgeber hat zu den Ausnahmen keine detaillierte Liste beschlossen”, erklärt man beim Innenministerium. Das heißt: Das Gesetz, das hier verabschiedet wurde, ist nicht viel mehr als ein paar Headlines. Denn was genau jetzt erlaubt ist und was nicht, hat er nie bestimmt.

Eine ganz grobe Formulierung gibt es:

“Ein Verstoß gegen das Verhüllungsverbot gemäß Abs. 1 liegt nicht vor, wenn die
Verhüllung oder Verbergung der Gesichtszüge durch Bundes- oder Landesgesetz
vorgesehen ist, im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller
Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung erfolgt oder gesundheitliche
oder berufliche Gründe hat.”

Außerdem darf man einen Schal tragen, wenn es kalt ist. Viel mehr weiß man dann aber auch nicht über das Verbot. Denn einmal sind Musiker mit Pferdemasken in Ordnung, dann wieder nicht. Mal will man das Verbot an Halloween exekutieren, dann wieder nicht. Wo sich der Gesetzgeber gedrückt hat, muss nun die Exekutive interpretieren. Und dieses Chaos wird nun sichtbar. Am Ende wird es einer klären müssen: Die Judikatur. Dort wird nämlich schließlich im Einzelfall entschieden werden, was nun tatsächlich erlaubt ist und was nicht. Bis dahin fehlt allen Beteiligten sämtliche Rechtssicherheit: Die Menschen wissen nicht, was verboten ist und die Exekutive weiß es genau so wenig.

So hat nun jeder Polizist den Einzelfall zu beurteilen, was er dabei aber beachten muss, weiß er auch nur bedingt. Denn Polizei und Innenministerium können nicht definieren, wovor sich der Gesetzgeber gedrückt hat. Ist Halloween nun Brauchtum oder nicht? Hat das Tragen von Masken während des Musizierens berufliche Gründe? Wie kalt ist kalt genug, damit man sich einen Schal über die Nase ziehen darf.

Beantworten werden das vielleicht irgendwann Gerichte, bis dahin muss ausprobiert werden. Um es mit den Worten des Anwalts Georg Bürstmayr zu sagen: “Ein Gesetz, das laufend solche Klarstellungen braucht, ist und bleibt Mist.”

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