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Wir haben jetzt ein Emoji für Menstruation – und es ist irgendwie verklemmt

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Kaum eine Sprache ist demokratischer und wächst weltweit schneller als Emojis. Menschen auf der ganzen Welt können sich damit über Tacos austauschen, über VHS-Kassetten, männliche Elfen, Schlafbrillen und Shrimps, sowohl paniert als auch gekocht. Doch für eine Erfahrung, die 800 Millionen Frauen und Mädchen jeden Monat eine Woche lang machen, gab es bislang kein einziges Symbol auf der stetig wachsenden Emoji-Klaviatur: die Menstruation.

Das wollte die NGO Plan International schon vor Jahren ändern. Im Rahmen einer Kampagne gestaltete sie 2017 fünf Vorschläge für Menstruations-Emojis: eine Binde mit rotem Fleck, rote Eierstöcke, ein Kalender mit Blutstropfen. 54.600 Menschen stimmten damals für das beste Symbol ab – und wählten einen Slip mit zwei Blutstropfen.

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Plan reichte das #periodemoji beim Unicode-Konsortium ein. Die gemeinnützige Organisation ist dafür verantwortlich, dass unabhängig vom Gerät jeder Mensch das gleiche Vokabular auf der Bildtastatur hat – und war gerade dabei, Vorschläge für das nächste Emoji-Update zu sammeln, das einmal im Jahr erscheint.

Doch das Konsortium lehnte den blutigen Slip ab. Erst als sich Plan International mit dem englischen National Health Service zusammentat, der fürs Blutspenden trommelte, nahm die Organisation einen schlichten roten Blutstropfen als gemeinsam genutztes Symbol auf.

Plan International feiert trotzdem: Mit dem kommenden Update 2019 steht der Menschheit in der elektronischen Kommunikation nicht nur ein Faultier-Emoji, sondern mit dem Blutstropfen nun auch endlich ein Symbol zur Verfügung, mit dem man über die Periode reden kann.

Aber kann eine winzige Grafik wirklich helfen, die Rechte von Mädchen zu stärken? Geht die Diskussion an der Lebensrealität der meisten Frauen vorbei? Wir wollten wissen, was Expertinnen aus Regionen zu der Emoji-Debatte sagen, in denen Frauen keinen Zugang zu Monatshygiene haben oder während ihrer Periode von ganz alltäglichen Aktivitäten ausgeschlossen werden.

Paula Kragten: “Immerhin ist das Tröpfchen nicht blau”

Kragten ist Gründerin und Redakteurin des niederländischen Period! Magazins, das über Frauenrechte weltweit berichtet.

Motherboard: Brauchen wir wirklich ein Perioden-Emoji?
Paula: Na klar, aus einem einfachen Grund: Wir haben ein Emoji für so ziemlich alles andere. Jede Frau blutet 3.500 Tage in ihrem Leben, das sind fast zehn Jahre – da ist so ein Symbol doch zunächst mal sehr praktisch. Praktischer als die Waffel, würde ich behaupten.

Immerhin ist das Tröpfchen rot und nicht blau wie in manchen alten Werbeclips für Tampons. Trotzdem verstehe ich die Aufregung aktuell nicht. Soll das wirklich ein Sieg für die Menstruationsbewegung sein? Das Symbol steht ja noch nicht mal exklusiv für die Periode, sondern auch für Blutspenden. Ich schlage vor, dass wir auch Produkte wie Binden oder Tampons mit aufnehmen, für die wir vielleicht manchmal keine Worte haben, zum Beispiel beim Einkaufen in anderen Ländern.

Janine Deselaers: “Emoji geht nicht weit genug”

Deselears schreibt ihre Doktorarbeit über Social-Media-Strategien von Frauenrechtsorganisationen im südlichen Afrika.

Was hältst du vom Ergebnis der Emoji-Diskussionen?
Ich finde den Perioden-Emoji einen Schritt in die richtige Richtung, so klein er auch sein mag. Vor allem, weil er so schön unverbindlich ist in der Kommunikation. Ich glaube, er könnte also vor allem für jüngere Frauen und Mädchen hilfreich sein. Viele haben echt Probleme, Themen, die ihren Körper betreffen zu artikulieren, meistens aus Scham.

Erfährst du das auch in deiner Arbeit vor Ort?
Ich kenne viele Frauen hier in Namibia, aber auch lateinamerikanischen Staaten, die – selbst nachdem sie Kinder geboren haben – immer noch zu schüchtern sind, über ihre Periode zu sprechen. Das alte Stigma scheint sich zu halten.

Für mich geht dieses Emoji als Repräsentation dieser sehr natürlichen Sache aber nicht weit genug. Der Blutstropfen kann ja auch in anderen Kontexten benutzt werden. Menstruation und ihr Einfluss auf die Psyche von Mädchen und Frauen, auf ihren Alltag und ihre Hygiene – das verdient alles viel mehr Aufmerksamkeit in allen Gesellschaften.

Ist die Diskussion um ein Emoji nicht vielleicht nur ein Erste-Welt-Problem?
Das ist für mich absolut kein “Erste-Welt-Problem”. Ganz besonders in Entwicklungsländern ist die Periode ein Riesenthema, allein weil Frauen sich oft keine Binden oder Tampons leisten können. Aber auch in ach-so-entwickelten Ländern wie Deutschland sollten die Menschen daran erinnert werden, dass man über die Regel sprechen muss – gerne auch mit einem Emoji. Ich konnte es gar nicht glauben, als ich gelesen habe, dass eine Studentin 2018 für ihr Recht kämpfen musste, ihre Bachelor-Arbeit über Menstruation zu schreiben, weil ihren Profs das zu unangenehm war! Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr merke ich, wie sehr mich die Ignoranz vieler Menschen zu diesem Thema ärgert.

Inge Bell: “Der Tropfen ist ein verschämtes Emoji”

Bell ist die stellvertretende Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes, die sich weltweit unter anderem gegen Zwangsheirat, häusliche Gewalt und Genitalverstümmelung einsetzt.

So, jetzt haben wir also ein Menstruations-Emoji und es ist ein roter Tropfen. Geht Ihnen das weit genug?
Alles was die Periode destigmatisiert, ist erstmal super. Aber wir kritisieren, dass das Consortium das Symbol abgeschwächt hat. Der Blutstropfen ist beliebig und ein geradezu verschämtes Emoji.

Was man auch daran sieht, dass das Consortium ihn mit ambivalenten Begriffen wie “Medizin, Blut, Spende, Menstruation” verschlagwortet hat. – Das Unicode Consortium hat sich damit selbst zum Opfer der Stigmatisierung gemacht, die es zu bekämpfen gilt.


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Kann denn ein Emoji überhaupt helfen, Tabus zur Menstruation zu beseitigen?
Selbst in Deutschland ist es manchmal noch ein Tabu: Wer traut sich denn von uns, seinen Tampon ganz selbstverständlich auf den Tisch in der Schule zu legen? Wenn man sich Regionen anschaut, in denen Tampons nicht verfügbar sind oder sogar Binden mit Lappen improvisiert werden müssen, kann das Symbol in der nonverbalen Kommunikation ein wunderbares Mittel sein, Tabus zu brechen. Ob die Betroffenen aber wirklich via Internet über etwas reden, das im privaten Austausch schon mit extrem starken Stigmata belegt ist, muss letztlich die Zeit zeigen.

Sabrina Rubli: “Riesenschritt nach vorn”

Rubli ist Mitgründerin von Femme International, einer NGO für Frauenrechte in Kenia und Tansania.

Was hältst du von dem Blutstropfen-Symbol?
Ich finde, das ist ein Riesenschritt nach vorn in der Mission, das Menstruations-Tabu auf der ganzen Welt zu beseitigen. Ein Perioden-Emoji macht es leicht, über Menstruation in einer sehr lässigen und beiläufigen Art zu sprechen, und das wird das Thema normalisieren, insbesondere in jüngeren Generationen, die Emojis Tag für Tag benutzen. Ich freue mich schon, irgendwann noch mehr Perioden-Emojis auf meiner Tastatur zu sehen.

Was für ein Symbol würdest du gern in der Zukunft sehen?
Ich glaube, für die nahe Zukunft wäre etwas wie ein kleiner Tampon oder eine Menstruationstasse gut. Das wurde ja auch ursprünglich vorgeschlagen. Aber der rote Tropfen ist schon eine tolle Sache, um überhaupt mal anzuerkennen, dass die Hälfte der Weltbevölkerung menstruiert.

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