Wir haben Jörg Kachelmann gefragt, warum der Sommer so scheiße ist

Berlin im Juli: Platzregen, Gewitter, ein rotzegrauer Abendhimmel, mit viel Glück mal eine sonnige Stunde dazwischen. Aus Süddeutschland kommen derweil Bilder von tropischen Sommertagen und gutaussehenden Menschen, die am See liegen und sich bräunen.

Was ist mit dem Sommer in Deutschland los? Zeit, mit jemanden zu reden, der Ahnung hat. Zeit für Jörg Kachelmann.

Videos by VICE

Er ist der wohl bekannteste Meteorologe Deutschlands und betreibt die Seite kachelmannwetter. Über das Wetter zu reden, ist zwar gut für Smalltalk, in Interviews aber eher öde. Und weil man sich mit Jörg Kachelmann einfach prima unterhalten kann, reden wir mit ihm auch gleich über Drogen, Festivals und Sexismus – und über die Verrückten, die an Chemtrails glauben.

VICE: Warum spielt der Sommer verrückt?
Jörg Kachelmann: Tut er nicht.

Aber warum kann meine Freundin in Heidelberg gerade im Bikini herumlaufen, während ich in Berlin in Pfützen ertrinke?
Das ist ein normaler Sommer in Deutschland. Wir Älteren wissen das noch, aber vielen jungen Menschen ist das nicht mehr klar. Das ist sehr bedauerlich.

Was meinen Sie?
Bei unter 30-Jährigen heißt ein Sommer wie dieser “verrückt”. Aber irgendjemand muss jungen Menschen sagen, dass Deutschland nicht am Mittelmeer liegt. Und dass es einen Grund hat, warum an der Nord- und Ostsee Strandkörbe stehen, nicht aber in Rimini.

Der Sommer ist also gar nicht so scheiße, wie wir denken?
Wir erleben 2017 bisher einen überdurchschnittlich warmen und sonnigen Sommer, aber das kollektive Bewusstsein wähnt sich im Gegenteil. Viele Leute scheinen im Ernst zu glauben, wir wären nicht nur Papst gewesen, sondern seien jetzt auch noch Mallorca. Wir haben einen Bildungsnotstand in Sachen Wetter.

Klingt ein wenig extrem.
Leider nicht, dieser Bildungsnotstand führt zu Aberglauben aller Art. Dass Ebbe und Flut Einfluss aufs Wetter haben, Windräder, der Mond. Dass Flüsse und Kanäle Wetterscheiden seien. Alles Blödsinn.

Schon mal was von Clickbait gehört?
Das notgeile Klick-Schlampentum ist ein großes Elend unserer Zeit, auch schon bei Wettergeschichten, furchtbar. Es sind so viele Geschichten geworden, wo andauernd ein Tornado droht. Noch vor zehn Jahren hat der deutsche Journalist abgelehnt, dass es das hier überhaupt gibt. Und ein normaler Sommer ist neuerdings ein “Schaukelsommer”. Es ist zum Mäusemelken.

Sind die Chemtrails vielleicht Schuld?
Es gibt keine Chemtrails. Eine Verschwörungstheorie von Nazis für Bescheuerte.

Warum müssen wir uns dann immer noch damit herumschlagen?
Weil hierzulande Nazis solche Verschwörungstheorien dazu nutzen, um Boden im grünen Sturzbetroffenen-Milieu [Anm. d. Red.: Jörg Kachelmann bestand auf diese Formulierung] gutzumachen. Etwas braune Esoterik, der allgemeine Glaube an Hokuspokus, dazu noch Antiamerikanismus und Antisemitismus. Dumme gibt es auch ein paar – und fertig ist der Bodensatz der Gesellschaft, der an Chemtrails glaubt.

Zurück zum Wetter: Welche Droge hilft denn gegen graue Wolken und Regen?
Ein echtes Leben. Dann ist das Wetter egal.

Und in welche deutsche Stadt sollte ich ziehen, wenn ich gutes Wetter will?
Wenn es um Wärme geht: nach Heidelberg oder ins Stadtzentrum von Köln. Städte sind allerdings generell ungesund. Nach ein paar Jahrzehnten sieht die Lunge aus wie die eines starken Rauchers. Dafür hat man einen Sushi-Lieferdienst.

Für welchen Monat sollte ich mir Festivaltickets holen?
Ich würde für alle Monate Festivaltickets besorgen, die man bekommen kann. Wirklich: Das Wetter ist egal.

Welche Festival haben Sie denn schon besucht?
Bisher keines. Mist!

Finden Sie es nicht ein bisschen sexistisch, dass Wirbelstürme immer weibliche Namen haben?
Ich habe vor längerer Zeit durchgesetzt, dass auch Frauen ein Hoch und Männer ein Tief sein können – und bin von Alice Schwarzer und Emma gelobt worden.

Wenn Sie ein Wetter wären, welches wäre das?
Ich mag Schneestürme.

Wie wird das Wetter denn nun eigentlich in den nächsten Tagen in Deutschland?
Vorübergehend kühler. Danach schon wieder wärmer.

Folge Frederik auf Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.