Das Studentenleben ist herrlich. Gestern hast du noch schnell Jovana auf der Maturafeier deine Liebe gestanden und ihr dann auf die neuen Sneaker gekotzt und heute bist du schon richtig erwachsen. Zumindest fühlt sich kein Erziehungsberechtigter mehr für dich verantwortlich und du darfst mit anderen Halbstarken in eine Wohnung ziehen und dich mal so richtig austoben.
Andererseits wird fast nichts, was du in den nächsten Jahren tust, echte Konsequenzen haben. Das Studium ist also eine großartige Zeit, um sich gründlich auszuprobieren: Du kannst Pizza in der Pfanne braten (crazy!) oder Freeganer werden; ein halbes Jahr lang einen rosa Pullover um die Schultern tragen und so tun, als sei das normal; du kannst dir die Nippel piercen lassen oder zu einem Infoabend der Freiheitlichen Studenten gehen (beides schmerzhaft).
Videos by VICE
Aber vor allem: Du hast ein eigenes Zimmer, in dem du endlich nach Herzenslust rumvögeln kannst. Jeder weiß, dass Studenten eigentlich fast gar nichts tun, außer sich bei schlechtem Wein stundenlang gegenseitig mit pseudo-tiefem Gerede zu langweilen und dann immer wieder hemmungslosen Sex miteinander zu haben. Aber stimmt das wirklich? Ist das Studium immer noch die Zeit der freien Liebe, bevor die Gesellschaft einen endgültig in ein enges Korsett aus Monogamie und regelmäßiger Körperhygiene zwängt?
Um das herauszufinden, haben wir ein paar Studenten in Tübingen, der vielleicht klassischsten Studentenstadt Deutschlands, befragt.
ALI, 21
VICE: Besuchst du in deinem Fachbereich viele Partys?
Ali: Ich bin jetzt im ersten Semester hier Medizinstudent und habe eine Menge Freunde aus meinem Heimatland Dubai. Wir feiern gerne, aber Medizin ist superschwer und wir haben nicht wirklich viel Zeit.
Findest du es da leicht, Partnerinnen oder Partner zu finden?
Das kommt mehr auf deine Persönlichkeit an als auf dein Studium. Wenn du nur unter deinen Freunden bleibst und nicht kommunikativ bist, dann hilft dir die Uni auch nicht. 50 Prozent der Leute in diesem Studiengang bewegen sich nur zwischen ihrem Zuhause und der Bibliothek, die kommen natürlich nicht so rum.
Du klingst so, als würdest du gut rumkommen.
Echt? Ich kann dir jetzt leider keine Zahlen nennen, mit wie vielen Leuten ich schon was hatte.
Mist. Hast du dafür ein paar gute Geschichten auf Lager?
In Bonn habe ich die Sprache gelernt, bevor ich nach Tübingen kam, dort kann man viel besser feiern als hier. Etwas wirklich Verrücktes ist mir aber in Darmstadt im Club passiert, nicht auf Studierendenpartys. Da hatte ich was mit zwei Spanierinnen gleichzeitig. Das war völlig verrückt. [Lacht]
Hast du in deiner Uni-Zeit irgendwas über Sex gelernt?
Es kommt mehr auf den Ort an als darauf, ob du studierst. Und Bonn und Darmstadt sind viel cooler als Tübingen.
KAREN, 20
VICE: Wie lange studierst du schon?
Karen: Ich komme ins fünfte Semester.
Wie viele Partner hattest du insgesamt während deines Studiums?
Das waren drei.
Wie hast du die getroffen?
Sowohl an der Uni als auch auf der Arbeit oder irgendwo in meiner Freizeit. Die Unileute habe ich aber auch vor allem auf WG-Partys und später in Bars kennengelernt. Hobbys machen es einem aber wesentlich leichter, zum Beispiel, wenn du mit Leuten Musik machst. Da hast du gemeinsame Interesse, über die du reden kannst.
Wie hältst du es mit Sex in der WG?
Alle haben immer mal unterschiedliche Leute mitgebracht, aber untereinander haben wir nicht rumgeschlafen. Ich kenne solche Geschichten von Freunden und bei denen war es hinterher nur seltsam. Betrunken am einen Abend gehts noch, am nächsten Morgen kann man überhaupt nicht miteinander sprechen, dann wird es zum WG-Witz. [Lacht]
Immerhin nehmen sie es mit Humor.
Neulich hat mir ein Freund eine sehr bizarre Geschichte erzählt. Er war betrunken und konnte sich an nicht mehr viel erinnern—nur daran, dass er auf einmal voller Blut war. Offenbar ist er mit einem Mädchen, das er nicht wirklich kannte, nach Hause gegangen und sie hat ihm in den Schwanz gebissen. Ich habe Fotos von der vollgebluteten Jeans gesehen. Furchterregend.
LUCY, 25
VICE: Wie viele Partner hattest du während deiner Studienzeit?
Lucy: Insgesamt vier. Die habe ich aber meistens nicht an der Uni getroffen, sondern in einer Kneipe oder über Freunde.
Freunde aus dem Studium oder von zu Hause?
Über meine Mitbewohner. WG-Partys sind dafür eine ganz gute Gelegenheit, einfach dank des Alkoholeinflusses. Und man macht in der Studienzeit ja auch nicht wenig Party.
Hat dir das Studium auch etwas Neues über Sex beigebracht?
Ich habe die Vorstellung mitbekommen, dass Mädels nie One-Night-Stands hätten, aber das stimmt nicht. Andersherum wollen auch Jungs nicht immer was Kurzes, sondern verlieben sich direkt. Diese Rollen, die man den Leuten zuschreibt, stimmen mit der Realität einfach nicht überein und sind oft sogar hinderlich.
Da wir hier von gefestigten Bildern sprechen: Was ist mit WGs und der Weisheit “Man schläft nicht da, wo man kackt”?
Ich selbst bin nicht von Verhältnissen innerhalb einer WG betroffen, aber ich habe schon von mehreren mitbekommen, dass “Do not fuck the company” nicht gegolten hat. Bei mehreren hat es funktioniert, bei einer aber gar nicht—die ist schließlich auch daran zerbrochen. Einmal kam ich bei einem meiner Mitbewohner ins Zimmer und habe ihn beim Masturbieren erwischt. Das war aber nur kurz erschreckend, dann sehr lustig.
VALERIE, 25
VICE: Mit wie vielen Leuten hast du in deinem Studium geschlafen?
Valerie: Das müssten fünf gewesen sein.
Wo habt ihr euch getroffen? Zu Hause, an der Uni?
Vier davon habe ich in meiner Heimat getroffen, den letzten—meinen jetzigen Freund—in einem Club hier in der Stadt.
Davon war also nur einer aus deiner Unistadt. Wo ist es leichter, Partner zu finden?
Das kommt immer darauf an, was du dir erhoffst. Für eine Nacht ist es auf einer Studentenparty definitiv leichter. Die Studenten sind einfach willenlos. [Lacht]
Aus welcher Fachrichtung kommen diese Willenlosen?
Aus der Philologie. Das ist aber, glaube ich, nicht fachbezogen, sondern hat etwas mit der Lebenseinstellung der meisten Studierenden zu tun. Das ist wohl das, was man heute als “Generation Nicht-Beziehung” bezeichnen würde: lieber was Schnelles als eine feste Beziehung.
Hast du WG-Erfahrungen, was Sex betrifft?
Wir waren da relativ locker. Eine Mitbewohnerin war auf Tinder sehr aktiv. Einmal war ein Typ in der Wohnung, der nicht wollte, dass wir ihn sehen. Ich musste sogar die Küchentür zumachen, damit er unerkannt aufs Klo gehen konnte.
Untereinander ging nichts?
Mitbekommen habe ich viel, aber nachfragen wollte ich nicht. Das meiste habe ich sowieso gehört. [Lacht]
Was würdest du als dein skurrilstes Sexerlebnis im Studium bezeichnen?
Ich selbst hatte, glaube ich, keine wirklich “skurrilen” Erlebnisse, aber ich habe mal aus dem Nebenzimmer Jodelrufe beim Sex gehört. [Lacht] Was da in meinem Kopfkino abging, war skurril.
PHILIPP, 27
VICE: Mit wie vielen Leuten hattest du in deinem Studium Sex?
Philipp: Einer. Ne, Moment, zwei. Eine davon war meine langjährige Freundin, mit der ich schon vor dem Studium zusammen war. Dann waren wir zwischendurch kurz getrennt und ich hatte noch was mit einem anderen Mädchen.
War das eine Kommilitonin?
Nein, das war einfach eine Bekannte. Ich hab’s im Studium nicht darauf angelegt, Partnerinnen zu finden, also weiß ich nicht, ob das an der Uni schwieriger oder einfacher gewesen wäre.
Würdest du das Studentenleben mehr oder weniger polygam einschätzen als zum Beispiel das Berufsleben?
Ich denke, man geht mehr aus, solange man keinen Job hat, und dabei ergeben sich natürlich mehr Möglichkeiten. Aber am Wochenende gehen ja auch Berufstätige oder Zivis feiern und können es drauf anlegen.
ANNA, 28
VICE: Wie lange studierst du schon?
Anna: Neun Semester. Ich stehe jetzt kurz vor dem Juraexamen.
Mit wie vielen Leuten hattest du in dieser Zeit Sex?
Zwei. Die habe ich jeweils auf einer Party kennengelernt.
Sind Studentenpartys gut für so was?
Das waren WG-Partys, da kennt man auch schon Leute.
Waren das eher spontane oder eher längerfristige Geschichten?
Es sind zwei Langzeitbeziehungen daraus geworden.
Wie sah das Sexleben in WGs bei dir aus?
Ich glaube, jemanden mit nach Hause zu bringen, ist nur dann störend, wenn nackte Leute durch die Gegend laufen. Ansonsten nehmen wir halt Rücksicht. Du möchtest nicht jeden fremden Menschen nackt sehen, vor allem nicht beim Frühstück.
Das interessiert mich jetzt aber genauer.
Wenn jemand aus dem Zimmer kommt und sich völlig nackt ein Brötchen schmiert, brauche ich das nicht.
Wie offen sind deine Kommilitonen, was Sex angeht?
Ich finde, die haben ein bisschen einen Stock im Arsch und sind relativ verklemmt. Dafür tragen sie alles direkt weiter und wenn zwischen zwei Leuten aus dem Seminar was läuft, weiß es sofort das ganze Semester. Innerhalb des Seminars weiß jeder, wer mit wem—oder wer nicht mit wem, aber sie vermuten es und so geht das dann weiter. Unter Juristen hast du auch sehr schnell einen schlechten Ruf, wenn du mit jemand Neuem nach Hause gehst. Da urteilen Leute sehr schnell und recht konservativ, dabei wollen wir doch alle nur bumsen.