Wir haben mit dem Kameramann gesprochen, der in Erfurt von betrunkenen Neonazis angegriffen wurde

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Wir haben mit dem Kameramann gesprochen, der in Erfurt von betrunkenen Neonazis angegriffen wurde

"Ich hatte Angst, jeden Moment ne Eisenstange oder eine Bierflasche auf den Kopf zu bekommen."

Titelfoto: Nicht der entsprechende Kameramann | Imago | Michael Schick

Wir haben am Donnerstag darüber berichtet, wie ein Filmteam des MDR in Erfurt von betrunkenen Rechten angegriffen wurde. Zwei Jugendliche, die an derselben Stelle Opfer von Gewalt geworden waren, sollten vor der Kamera davon erzählen. Aber auch diesmal wurden sie angegriffen. Die MDR-Sendung Fakt postete am Mittwochabend ein Video auf Facebook, das den Übergriff zeigt.

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Im Video ist zu sehen, wie die Männer den Kameramann angreifen und den Dolmetscher als "scheiß Kanacken" beschimpfen. Der Name des Kameramanns ist VICE bekannt. Aber weil er um seine Sicherheit fürchtet, will er nicht, dass er mit Name oder Bild identifizierbar ist. Er hat uns erzählt, was am Montagabend in Erfurt tatsächlich los war.

VICE: Wie lief der Dreh ab?
Kameramann: Wir haben einen Bericht über Gewalt gegen Flüchtlingskinder gedreht und zwei Kinder getroffen, die Opfer eines solchen Angriffs wurden. Während wir dann einige Szenen nachstellten, wie die beiden auf dem Weg zu einem Supermarkt sind und dort dann angegriffen werden, erging es uns dann eigentlich genauso wie den Jungs damals. Im Hintergrund stand nämlich ungefähr ein halbes Dutzend Betrunkener.

Dann haben sie euch angegriffen?
Erstmal wurde gepöbelt: "Ey, scheiß Kameramann, mach die Kamera aus." Drei Mann sind auf mich losgegangen, mit Eisenstangen und Bierflaschen. Die zwei Flüchtlingskinder sind dann schnell weggerannt. Es fielen Sätze wie "Wenn ich auf der Kamera bin, schlag ich dir das Gesicht ein". Einer hat meine Jacke gepackt, der Andere versuchte, mir die Kamera aus der Hand zu reißen, und der Dritte schrie mir ins Gesicht.

Wann haben sie von dir abgelassen?
Erst als sie unseren syrischen Kollegen gesehen haben. Der stand zunächst mit dem Vater der beiden Kinder etwas abseits, und als es laut wurde, kam er näher. Unser Kollege hatte mit dem Vater ein, zwei Worte auf Arabisch gewechselt und sich damit zum Ziel der Angreifer gemacht. Ihm sind sie dann hinterher gerannt, bis er in den Supermarkt geflüchtet ist. Wir haben alle die Polizei gerufen und die ist dann auch recht schnell gekommen.

Ist sowas Alltag für dich?
Als Kameramann bin ich bei Drehs natürlich immer Ziel Nummer eins, weil man bei mir sofort erkennt, dass ich vom Fernsehen bin. Auf Demos werde ich regelmäßig angepöbelt und auch angespuckt. In letzter Zeit ist es wieder salonfähig geworden, Kameraleute zu beschimpfen. Immer wieder höre ich "Scheiß Medien" und "Lügenpresse". Einen physischen Angriff habe ich aber noch nie erlebt und diese Männer sind wirklich sehr weit gegangen. In diesem Ausmaß ist das auf keinen Fall Alltag.

Was ist dir durch den Kopf gegangen?
Ich habe mir erst nichts dabei gedacht, weil es, wie gesagt, recht normal ist, angepöbelt zu werden. Selbst als die auf uns zugerannt sind, habe ich noch keine Angst gehabt. Aber als sie dann plötzlich direkt an mir dran waren und mich bedroht haben, da hatte ich wirklich Angst. Ich hatte Angst, jeden Moment eine Eisenstange oder eine Bierflasche auf den Kopf zu bekommen.

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