Wir haben mit der “aufmüpfigen” Veganerin telefoniert, die jetzt doch eingebürgert wird

Titelbild von Nancy Holten zur Verfügung gestellt.

Die unbequemste Veganerin und Tierrechtlerin der Schweiz wird eingebürgert. Zweimal hat sich die gebürtige Holländerin Nancy Holten für den Schweizer Pass beworben und zweimal hat die Gemeindeversammlung von Gipf-Oberfrick ihr Gesuch abgelehnt. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Der Gemeinderat erklärte auf jeden Fall, dass es keine rechtlichen Gründe für die Ablehnung von Holtens Einbürgerungsgesuch gab. In den Lokalmedien wird sie gerne als “aufmüpfig” bezeichnet.

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Bei ihrem zweiten Einbürgerungsversuch wurde in dem 3500-Seelen-Dorf, in dem sie lebt, ihre Einbürgerung mit 59 zu 203 Stimmen abgelehnt. Holten setzt sich für den Tierschutz und gegen Lärmbelästigung ein. Darum startete sie eine Aktion gegen Kuhglocken, Zirkusse und reichte eine Lärmklage gegen das 6-Uhr-Morgengeläut der Kirche ein. Mit beidem stach sie scheinbar mitten ins Herz des Schweizer Heimatgefühls und schuf sich unter ihren Nachbarn und in den Sozialen Medien viele Feinde.

Holten liess sich von der Abweisung in ihrem Dorf aber nicht kleinkriegen. Sie reichte eine Beschwerde in Aarau ein und hat nun Recht bekommen. Der Regierungsrat hat entschieden, dass Nancy Holten Schweizerin werden darf. Wir haben sie angerufen, um über den Bescheid zu reden und uns zu erkundigen, ob sie jetzt eine Schweizer Fahne im Garten hisst.

VICE: Du bekommst heute den schriftlichen Bescheid für deine Einbürgerung. Hast du ihn schon in den Händen gehalten?
Nancy: Ja, vor einer halben Stunde ist der Brief gekommen und liegt einen Meter von mir entfernt, während wir zwei am Telefon sind. Jetzt wird es real. Gestern Abend habe ich schon den Anruf gekriegt, damit ich es nicht heute aus den Medien erfahre. Da habe ich einen Jubelschrei losgelassen!

Warum wolltest du überhaupt Schweizerin werden?
Ich habe vor ein paar Jahren meinen holländischen Pass erneuert und dachte, was mache ich da eigentlich? Ich ziehe nie nach Holland zurück, meine ganze Familie ist in der Schweiz und da war es ein logischer Schritt. Ausserdem bin ich politisch aktiv und möchte auch selber abstimmen. Ausserdem war es ein symbolischer Akt. Meine Familie ist jetzt vereint.

Musst du deine holländische Staatsbürgerschaft jetzt abgeben?
Nein, die behalte ich. Man kann einen anderen Pass immer brauchen und ich bin natürlich auch stolz auf Holland. Ich rede sogar mit meiner Katze Niederländisch. Dort liegen meine Wurzeln, aber die Schweiz ist meine Heimat.

Hast du auch schon negative Rückmeldungen bekommen?
Es gibt nicht nur Hater! Es kommen minütlich positive Kommentare auf Facebook dazu. Die Leute schreiben: Der Kampf hat sich gelohnt! Bravo! Nancy for President!

Hat es dich eigentlich verletzt, dass deine Gemeinde deinen Antrag zweimal abgelehnt hatte?
Es war sehr verletzend. Dieses Gefühl in der Gemeindeversammlung zu sitzen und den unterschwelligen Hass in den Blicken zu spüren. Das war hart und wünsche ich niemandem. Man darf es nicht an sich heranlassen und muss versuchen, es nicht persönlich zu nehmen.

Was hast du jetzt vor, da du eingebürgert bist?
Im Moment läuft so viel. In ein paar Wochen fange ich bei dem TV-Sender Schweiz 5 an, wo ich ein eigenes Format habe, das sich um Ernährung und Tierschutz dreht. Ich mache seit neuestem auch YouTube-Videos. Darum ich habe ich den Pass wohl zuerst nicht bekommen, weil ich meine Meinung öffentlich sage. Aber ich kann gar nicht anders und das ist der Grund, warum ich mit den Medien zusammenarbeite. Um Themen ins Gespräch zu bringen, die mir am Herzen liegen.

Gehst du in die Politik?
Jetzt habe ich gerade nicht so viel Zeit dazu. Ich weiss noch nicht, in welcher Partei ich mitmachen möchte. Ich habe viele Vorbilder bei der SP und bei den Grünen, zum Beispiel Susanne Hochuli. Ich mag die Werte der Grünen und das Soziale bei der SP.

Was verändert sich für dich, jetzt da du Schweizerin bist? Wird die Flagge im Garten gehisst?
Wer weiss! Dann müsste ich gleich eine kaufen gehen! Ich empfehle allen an ihren Traum zu glauben und ihn zu verfolgen.

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