Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) hat eine Broschüre mit dem Titel „12 Fragen zu Extremismus und Radikalisierung—Eine Orientierungshilfe für die Prävention” veröffentlicht. Wir haben mit Carla Amina Baghajati über diese 12 und noch ein paar weitere Fragen gesprochen.
Die gebürtige Deutsche wuchs in einer gemischtkonfessionellen christlichen Familie auf, ihr Vater war evangelisch, ihre Mutter katholisch. 1989 konvertierte sie zum Islam. Sie arbeitet im Bildungsbereich als Fachinspektorin für islamischen Religionsunterricht und ist ehrenamtlich als Medienreferentin der IGGiÖ tätig.
VICE: In der neuen Broschüre gehen Sie auf mehrere Faktoren ein, die Menschen für Rekrutierungsversuche von Extremisten empfänglich machen. Gibt es einen „Prototypen” des für Radikalisierung empfänglichen Menschen?Carla Baghajati: Generalisierungen sind sehr schwer. Darum haben wir an den Anfang der Broschüre den Gedanken der „zerbrechlichen Identität” gestellt. Wenn sich ein Mensch nicht in einem inneren Gleichgewicht befindet und dann auch noch anderen Faktoren wie Perspektivlosigkeit oder Ausgrenzungserfahrungen hinzukommen, ist er umso empfänglicher, wenn ihm jemand sagt „Wir haben nur auf dich gewartet! Du bist jetzt derjenige, den wir zum Helden aufbauen!”
Videos by VICE
Das heißt, wer diese Menschen sind, kann man nicht so einfach sagen?
Das muss nicht unbedingt jemand sein, den man als gescheitert im Beruf oder im Studium sieht, das können auch Personen mit einer ausgezeichneten Ausbildung sein. Man fragt sich manchmal, wie es sein kann, dass jemand mit einer guten Ausbildung so einen Sprung in der Persönlichkeit macht. Aber dieses Sich-herabgesetzt-fühlen und Nicht-angenommen-fühlen hat nichts mit dem Ausbildungsgrad zu tun. Die zerbrechliche Identität ist ausschlaggebend.
Warum wird eine Radikalisierung trotz vieler Warnsignale—wie dem Entfremden von Familie und Freunden oder einem umfassenden Persönlichkeitswandel—oft zu spät erkannt? Versagt hier das soziale Umfeld?
Ich glaube, dass die Wahrnehmung von Radikalisierung in der Community sehr gestiegen ist. Das merken wir an Anrufen oder E-Mails von Menschen, die sich Sorgen machen. Daher war es uns wichtig, nicht nur diese Warnsignale zu kommunizieren, sondern parallel dazu auch eine Reflexionsmöglichkeit für Außenstehende zu bieten. Man sollte nicht in Hysterie verfallen, nur weil sich jemand der Religion zuwendet.
Also vor allem nicht nach Generalverdacht vorgehen?
Wenn ein starker Generalverdacht gegen alles, was muslimisch ist, entsteht, ist das für die gesamte Community problematisch und kommt nur den Extremisten zu Gute. Denn dann fühlen sich junge Menschen, die völlig fern von extremistischem Gedankengut sind, sondern lediglich die Religion entdeckt haben und zum Beispiel anfangen regelmäßig zu beten, irgendwo ins Eck gestellt. Das ist Wasser auf Mühlen der Extremisten, weil sie ja ganz stark darauf setzen, den Menschen zu sagen „Ihr kommt bei uns aus der Opferrolle heraus. Ihr seid dann Macher und nicht mehr diejenigen, die von allen Seiten geprügelt und diskriminiert werden.” Also ist es auch in der Prävention ein sehr entscheidender Punkt, jungen Menschen Selbstbewusstsein mitzugeben und sie auf keinen Fall in eine Opferrolle abdriften zu lassen.
Aber hat aber bei jenen Fällen, wo junge Menschen aus Österreich nach Syrien gingen, das soziale Umfeld versagt? Oder gibt es auch unter islamistischen Extremisten eine Art Konspirativität, um eine Radikalisierung geheim zuhalten? Da gibt es nicht nur eine Antwort. Es kann schon sein, dass jemand, der mehr Lebenserfahrung als ein 15-Jähriger hat, versteht, dass er Probleme bekommen wird, wenn er seine extreme Einstellung zu sehr nach außen trägt. Es kann aber genauso passieren—und das ist wirklich etwas Erschreckendes—, dass dieser Wandel so rapide passiert, dass das soziale Umfeld gar nicht schnell genug schalten kann, um das aufzufangen. Wenn eine Gehirnwäsche erst einmal eingesetzt hat, ist es ungeheuer schwer, dagegen anzugehen. Darum ist es auch so wichtig, dass diese Warnsignale so früh wie möglich verstanden werden und ich mit der Person mit vollem Respekt umgehen kann. Es ist notwendig, diese Menschen dazu zu bringen, sich zu öffnen. Denn dann kann man sie davor bewahren, tiefer reinzuschlittern.
Wichtig ist es auch, Themen zu diskutieren, die nicht unmittelbar mit Extremismus zusammenhängen. Etwa über die Vielfalt unserer Gesellschaft, oder wie es jetzt nach den Anschlägen von Paris weitergeht, wo man überall der Slogan „Gemeinsam gegen den Terror” hört. Wer ist dieses „Gemeinsam”? Wenn wir muslimisch sind, gehören wir da dazu? Wie stehen wir dazu, dass wir eine bunte Gesellschaft haben? Wie ist das wenn ich als Muslima auf den Weihnachtsmarkt gehe? Ich geh dort gerne hin, rieche die Gerüche gerne, ich fühle mich wohl dort. Solche Gespräche sind wichtig, um dem Sog des sich Abkapselns entgegen zu wirken.
Laut Ihnen ist bei Extremisten auffällig, dass sie einem Führerprinzip treu sind und die Treue zur Gruppe immer wieder unter Beweis stellen müssen. Trifft das auch auf die sogenannten „Lonely Wolves“ zu?
Absolut. Denn die Virtualität des Internets und der sozialen Medien fördert die Schaffung einer Fantasiewelt, oder besser gesagt einer virtuellen Gruppe. Und weil man sich nur virtuell mit anderen Menschen oder den Texten die man liest beziehungsweise den Videos, die man schaut, auseinandersetzt, ist das auch eine Einladung, alles da hineinzuprojizieren, was man nur hineinprojizieren kann. Die Ideologie ist also dann im Menschen noch stärker vorhanden, weil sie nicht durch eine sich mit mir im Raum befindende, reale Personen hinterfragt wird.
Ist es dadurch schwieriger, den Leuten Hilfe anzubieten und Prävention zu leisten?
Hm. Ich merke wirklich, dass die Wachsamkeit in der Community enorm gestiegen ist. Zum Beispiel in Schulen, wo uns im Religionsunterricht Schüler erzählen, dass sie jemanden kennen, der plötzlich viel Zeit im Internet verbringt und sich diese und jene Seite angeschaut hat. Diese Person ist dann aber ja nicht automatisch extremistisch. Der ist vielleicht ein junger Bursche oder ein junges Mädchen, der oder die sich dafür einfach interessiert. Dann aber Möglichkeiten aufzuzeigen—vor allem denen, die sich sorgen machen, den gleichaltrigen—, wie sie ihre Bekannten auf andere Seiten bringen und mit ihnen durchaus auch theologisch argumentieren können, das ist wichtig. Hier sehen wir auch Erfolge.
Würden Sie extremistischen Islamismus als eine Art Jugendbewegung beschreiben, mit der provoziert werden soll?
Das ist keine leichte Frage. Auch hier gibt es verschiedene Tendenzen. Wir haben zum Beispiel noch gar nicht darüber geredet, dass auch nichtmuslimische Jugendliche sich für extremistischen Islamismus begeistern und einfangen lassen. Gerade unter Mädchen kennen wir einige Geschichten, wo der Wechsel von In-die-Disco-gehen und Minirock tragen auf Ganzkörperschleier fast von einer Woche auf die andere stattgefunden hat. Das mag durchaus auch ein Spiel mit der Provokation sein.
In den 1970ern konnte man mit dem Minirock noch schockieren—das geht heute nicht mehr. Aber Schwarz in Schwarz zu gehen und sein Gesicht zu verschleiern, das flasht. Wir müssen aber auch darüber reden, dass es bei den Mädchen viel um Körperlichkeit geht. Gerade zu Beginn der Pubertät spüren sie, dass sie eine Wirkung auf das andere Geschlecht haben, können das aber noch nicht richtig einordnen. Wenn ein Mädchen noch zwischen Kind sein und Fau sein schwankt und nicht einschätzen kann, wie man mit dem anderen Geschlecht richtig umgeht, kann das Verschleiern etwas absolut faszinierendes sein. Das wäre vielleicht ein zusätzlicher Gesichtspunkt, neben dem provozieren Wollen.
In Ihrer Broschüre beschreiben Sie die Umdeutung von gewissen Ausdrücken und Symbolen durch Extremisten am Beispiele des Dschihads. Warum kommt man gegen diese scheinbare Deutungshoheit der Extremisten nicht an?
Eine mögliche Antwort ist, dass diese Begriffe hier im Westen tatsächlich so gedacht wurden, wie die Extremisten sie gebrauchen. Es gibt eine 20 Jahre alte, aber immer noch aktuelle wissenschaftliche Schulbuchanalyse von Frau Professor Susanne Heine zur Darstellung des Islams im österreichischen Schulbuch. Sie geht dabei auch Jahrzehnte zurück und man sieht, dass Dschihad konstant mit „Heiliger Krieg” übertragen wurde. Vor ein paar Jahren hat mich eine katholische Kollegin außerdem auf ein Buch aufmerksam gemacht, in dem eine Illustration des Dschihads abgebildet war, die einen Reiter auf einem Pferd mit Sebel zeigte. Dieses Bild des Islams, der die Welt erobern will und uns bedroht, das ist gerade im österreichischen kollektiven Bewusstsein—Stichwort Türkenkriege—ganz stark verankert. Dagegen müsste man angehen.
Gibt es noch andere mögliche Antworten?
Ja, eine weitere Antwort bezieht sich auf die innermuslimische Seite. Wenn wir im Unterricht ein Brainstorming zum Thema Dschihad machen, kommen zum Teil auch diese Begriffe des „Heiligen Krieges” und so weiter. Wenn man dann aber darüber redet, kommt ganz schnell eine andere Sichtweise auf. Wenn aber ein Umfeld den Dschihad ständig—und das war im letzten Herbst medial wirklich dramatisch—als bewaffneten Kampf gegen die Ungläubigen darstellt, setzt sich das in den Köpfen fest. Da ist es wirklich schwer dagegen anzugehen—man muss dieses Bild natürlich trotzdem bekämpfen, mit sehr viel Engagement. Über diese Begriffe zu reflektieren und sich dadurch einen besseren Zugang zu dieser ganzen Thematik zu verschaffen, erscheint mir sinnvoll. Natürlich muss man da auch innermuslimisch kritisch rangehen. Allerdings ist es eine sehr klare Sache, dass die Definition von Dschihad, die auch in der Broschüre steht—also jene vom großen Dschihad als der Anstrengung gegen die eigene Triebseele und Bequemlichkeit und vom kleinen Dschihad als dem Verteidigungsfall, den man aber nicht selbst definieren kann, sondern für den es eine legitimierte, staatliche Führung bedarf—die gängigste ist.
Woher kommt die deutsche Übersetzung von Dschihad als „Heiliger Krieg”?
Ich nehme sehr stark an, dass das mit der eigenen europäischen Geschichte der Kreuzzüge zu tun hat. Der Begriff „Heiliger Krieg” stammt von Papst Urban dem Zweiten, der gesagt hat: „Geht ins Heilige Land und wenn ihr dabei sterben solltet, kommt ihr direkt in den Himmel”. Das ist ein Punkt, an dem ich sehr stark merke, wie wir interreligiös und interkulturell wunderbare Anknüpfungspunkte hätten, um unsere Geschichten gemeinsam zu reflektieren.
Sie sagen, dass Extremisten eine Gewissensmanipulation betreiben und Jugendlichen zum Beispiel mit dem Begriff des „Höllenfeuers” Angst eingejagt wird. Glauben Sie, dass junge, aufgeklärte Menschen auch heute noch an Vorstellungen wie das Paradies und die Hölle glauben?
Absolut. Eines der Lieblingsthemen im Religionsunterricht ist das Jenseits und die Frage, was nach dem Tod passiert. Es ist so, dass die Religionslehrer die Aufgabe haben, Auslegungen von theologischen Texten aufzuzeigen, die weg von einer wortwörtlichen Auslegung des Koran gehen. Also auch weg von einer starken Bildlichkeit, dahingehend zu zeigen, dass es um Metaphern geht. Im Grunde übersteigt es unser Vorstellungsvermögen, was wirklich nach dem Tod passiert. Im islamischen Glauben—genauso wie im christlichen—endet mit dem Tod nicht einfach alles. Wir müssen uns als Menschen für unsere Taten verantworten. Nach dem Tod gibt es so etwas wie die absolute Gerechtigkeit, die man im Hier und Jetzt immer nur als ein entferntes Ideal hat. Gerade jetzt in diesen Tagen, denke ich, dass wir sehr stark merken wie wir immer wieder scheitern, an der idealen Gerechtigkeit.
Begehen Extremisten nicht die schlimmste Form der Blasphemie, indem sie sich über die Unantastbarkeit des Lebens hinwegsetzen?
Natürlich. Das haben wir als IGGiÖ auch nach den Anschlägen von Paris sehr deutlich kommuniziert. Immer wieder. Zu dem Mord gesellt sich eine Gotteslästerung und hier gibt es auch verschiedenste Möglichkeiten, das theologisch nachzuweisen. Als ich von Paris erfuhr, ist es mir wirklich kalt den Rücken hinunter gelaufen und es hat mir alles zusammengezogen. Wir saßen zu fünft vorm Fernseher, die ganze Familie,und haben relativ früh mitbekommen, dass da etwas Schreckliches passiert. Zuerst lief da nur so ein Insert, dann kamen schon die ersten News-Sendungen. Dann gingen die SMS und Facebook-Nachrichten hin und her und alle hofften, dass es keine Muslime waren. Meine 17-jährige Tochter sagte: „Mama mach dich nicht fertig! Heute ist Freitag der 13., das waren bestimmt die Satanisten.” Und dann kam der Moment, als jemand sagte, man habe „Allahu Akbar” gehört. Das war ein Moment, wo wir alle die Luft angehalten haben und fertig waren. Einfach restlos fertig.
Warum genau?
Vor allem deshalb, weil dieses Allahu Akbar übersetzt „Gott ist größer” bedeutet. Es ist also ein Komparativ, der daran erinnern soll, dass Gott immer über mir steht, bei allem, was ich mache. Das soll mich jetzt nicht klein halten, im Gegenteil. Im Glauben kann man auch viel Selbstbewusstsein finden. Aber es soll mich wissen lassen, wo meine Grenzen sind. Bei Gott liegt das Absolute und nicht beim Menschen. Einen Mord zu begehen und dabei Allahu Akbar zu schreien, das ist eine fürchterliche Gotteslästerung.
Kommen wir noch kurz zum Begriff der Sharia und ihrer Auslegung. Legitimieren gewisse Verse des Koran oder der Sunna, die zur Interpretation der Sharia herangezogen werden, drastische körperliche Strafen etwa bei Ehebruch oder Homosexualität?
Das ist eine Frage, die darauf hinweist, wie viel Redebedarf wir auch im innermuslimischen Diskurs haben. Es gibt Menschen, die sich tatsächlich davor fürchten, dass wenn sie sich von diesem und jenen wegbewegen, sie womöglich ihren Glauben verlieren. Man denkt: „Ich muss oder will fromm sein, also muss ich das gut finden.” Hier können wir als IGGiÖ nur sagen: Seid kritisch. Es ist wichtig, immer wieder dagegen zu protestieren, wenn solche Strafen im Raum stehen. Die letzte Aussendung dazu war im Fall von Raif Badawi, wo wir unsere Ablehnung gegenüber der Strafe sehr klar argumentiert haben. Ich wünsche mir mündige Muslime, die ihre Möglichkeiten—die mit dem Internet ja sehr breit sind—nutzen und immer wieder kritisch nachstoßen und auch vermitteln, dass man nicht auf der einen Seite jammern kann, dass das Image des Islams so schlecht sei und auf der anderen Seite Dinge unkommentiert passieren lassen kann, über die man sich nur aufregen muss und die ganz einfach nicht gehen. Gerade zur Menschenrechtsthematik darf man nicht schweigen.
Würden Sie die selbe Antwort zur Stellung der Frau im Islam geben?
Nein. Da habe ich noch viel mehr zu sagen. Sie haben mich ja darauf angesprochen, dass in der Broschüre steht, dass der Prophet Muhammad entschieden für Frauenrechte eintrat. Dieses Thema hat mich so umgetrieben, dass ich dazu ein ganzes Buch geschrieben habe. Man kann nicht sagen, die Religion ist eh gut und Schuld ist die Tradition, wenn immer noch Frauenfeindlichkeit da ist. Das ist mir viel zu einfach. Mir müssen uns kritisch anschauen, wo hat die religiöse Auslegung schädliche Traditionen gestützt. Da gibt es sehr viel zu sagen. Es geht los damit, dass man vergessen hat, dass der Prophet in einer Zeit gelebt hat, in der Frauenrechte noch überhaupt nicht existiert haben. Da war also jedes Bisschen, das er gemacht hat, schon revolutionär.
Was bedeutet das für die Gegenwart?
Jetzt wäre es wichtig, diesen revolutionären Geist zu behalten und es nicht einfach beim Nachahmen zu belassen. Wir haben heute andere Umstände, also muss ich den Geist von damals auf heute übertragen können. Kontextualisierung ist extrem wichtig. Außerdem gehen mir Auslegungen, die mit einem Schutzgedanken argumentieren, fürchterlich auf die Nerven. Schutz schlägt ganz schnell in Bevormundung um.
Außerdem haben wir ein Problem mit der Essentialisierung von körperlichen Unterschieden. Eine Frau hat ihre Tage, eine Frau wird schwanger, also ist sie das schwache Geschlecht, also müssen wir sie schonen. Das hatten wir auch hier im Westen lange genug. Und wenn dann Frauen auch noch über Komplimente wie „Sie ist die Königin zu Hause” oder „Sie ist die Perle in der Schatzkiste” vermittelt wird, sie sollen das Machen den Männern überlassen, finde ich das unerträglich. Das gehört wirklich raus aus den theologischen Büchern. Das sind rein männliche Sichtweisen und rührt daher, dass die Frauen zu einer bestimmten Zeit systematisch aus den theologischen Auslegungen rausgedrängt wurden.
Abschließend: Habe Sie Verständnis dafür, dass sich Menschen in Europa zunehmend vom extremistischen Islamismus fürchten und vielleicht anders auf äußere Merkmale von gläubigen Muslimen reagieren als etwa vor den Anschlägen in Europa in diesem Jahr?
Ja. Ich kann es nachvollziehen und ich muss es nachvollziehen können. Denn wenn ich mir wünsche, dass man mit mehr Empathie an manche Themen rangeht, dann ist das immer etwas beidseitiges. Dann muss ich mich auch in die Mehrheitsgesellschaft reinversetzen können. Allerdings heißt nachvollziehen können nicht gleich akzeptieren müssen. Ich denke, hier brauchen wir einen Dialog. Es dürfen nicht alle Muslime in Geiselhaft genommen werden für etwas, das einige wenige tun. Das wäre ungerecht und würden den Extremisten in die Hände spielen. Und es wäre auch einer Gesellschaft, zu der auch ich gehöre und die gerade jetzt sagt, dass sie stolz auf ihre Werte ist, unwürdig. Denn ein Wert unserer Gesellschaft ist die Religionsfreiheit. Außerdem brauchen wir einen Rückgriff in die jüngere Geschichte.
Was wäre Ihr Zukunftswunsch an die muslimische Gemeinschaft?
Ich würde mir wünschen, dass Muslime und Juden sichmehr austauschen. Denn was ist den Juden hier in Europa widerfahren? Sie waren total assimiliert und es war sowas von egal, denn sie sind trotzdem im KZ gelandet. Ich bin für die Sichtbarkeit des Islams auch in Österreich. Denn Sichtbarkeit schafft Transparenz und damit muss man sich auch als Muslim gewissen Dingen stellen und sich gewisse Fragen gefallen lassen. Leben und leben lassen ist die Devise.
Paul auf Twitter: @Gewitterland