Worum ging es bei König der Löwen nochmal? Ein böser Löwe mit dunkelbraunem Fell und schwarzer Mähne stürzt seinen lieben Bruder mit dem deutlich hellbrauneren Fell in den Tod, um sich selbst zum König zu krönen und mithilfe von blutgeilen Hyänen das Reich ins Chaos zu stürzen. Starker Tobak für ein Kind, aber auch für einen kettenrauchenden Erwachsenen, der sich kurz vorstellt, man würde die Geschichte mit Menschen real verfilmen, und ganz genau weiß, welche Charaktere wohl Nicht-Weiße spielen dürften.
Zum Glück für unsere kleinen Kinderköpfe wurde das Drama aber mit Musical-Einlagen aufgelockert, die uns davor bewahrten, für die nächsten zwei Wochen lethargisch sabbernd ins Leere zu starren. Dank „Der Ewige Kreis“, „Ich will jetzt endlich König sein“ und „Hakuna Matata“ war der Film wie fast alle Disney-Filme eine Offenbarung für unsere runden Augen und winzigen Ohren. Warum können wir wohl heute noch einigermaßen textsicher alle Songs mitsingen und bekommen dabei eine wohlige Gänsehaut? Weil wir Disney-Filme eben bis zum elterlichen Nervenzusammenbruch geguckt und uns völlig in der Welt verloren haben.
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Natürlich weiß auch eine Plattenfirma (Universal), dass so ziemlich jeder Mensch mit einem pochenden Herzen und einer halbwegs vorzeigbaren Kindheit die alten Disney-Filme liebt. Und vor allem die Songs. Deshalb wurden jetzt allerlei internationale Musiker wie Ariana Grande, Gwen Stefani, Fall Out Boy und Robbie Williams ins Studio geladen, um die ganzen Klassiker neu zu vertonen. Macht aus finanzieller Sicht natürlich viel Sinn. Das Ganze erscheint unter dem selbsterklärendem Namen We Love Disney, in der Deluxe-Version gibt es nochmal 14 Cover—von deutschsprachigen Musikern. Die sind schon im Dezember 2014 als I Love Disney erschien und mein Gott, sind wir froh, dass wir davon damals nichts mitbekommen haben! Wem die besondere Ehre gebührte, noch Songs von Andreas Bourani, Gabalier, Lena, Sarah Connor, Revolverheld—und so weiter die TopTen-Charts entlang. Das macht nun wirklich nur Sinn, wenn für dich das Geräusch von in der Luft umherwirbelnden lila Scheinen die schönste Melodie des Lebens ist.
Wollen wir wirklich hören, wie der „Bergmensch“ Andreas Gabalier „Probiers mal mit Gemütlichkeit“ singt? Und uns dabei vorstellen, wie der Volksrocker als Bär verkleidet durchs Dschungelbuch hüpft, während er ab und zu Sätze wie „Man hat es nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht“ frech in die Kamera grinst? In Disney-Filmen ist er mit einer solchen Einstellung ganz gut aufgehoben, aber nicht in unseren Erinnerungen, in denen er jetzt mit seinen Wanderstiefeln fest ins Gesicht des geliebten Balu tritt.
Und die Stampede der Sänger durch das wundervolle Disneyland geht weiter: Stefanie Heinzmanns Versions von „Can You Feel The Love Tonight“ ist ein echter Cockblocker für den künftigen Löwenkönig Simba. Zu diesem Song hatten er und Nala doch damals unschudigen Löwensex gehabt und wir haben das glücklich abgenickt. Jetzt blicken wir nur noch verschämt in eine andere Richtung. Zum Beispiel zum Schloss vom Biest. Da sitzt nämlich Andreas Bourani am Essenstisch, hat Kerzenständer und Teekanne gegen die Wand geschmissen und trällert jetzt mit geschlossenen Augen von Liebe—zwischen einem monströsen Entführer und seiner dem Stockholm-Syndrom erliegenden Entführten. Nix mehr mit wahrer Liebe, die nicht am Oberflächlichen abprallt, Bourani zerstört genüsslich schmachtend unser romantisiertes Bild vom Biest.
Aber nur ein Song auf dieser Gruselgeschichten-CD gibt unserer Kindheit nicht nur nachhallende Ohrfeigen, sondern berührt uns an Stellen, an denen kein Kind berührt werden möchte: Elaiza, das Musikerinnen-Trio, das 2014 beim ESC gerechtfertigt einen Platz einnahm, von dem sie die Bühne nur noch sehr schlecht sehen konnten, hat sich doch tatsächlich vorgenommen „Circle Of Life“ in ihrer nicht nachzuahmenden Art zu covern—also den Intro-Track von einem der größten Disney-Filme, der heute noch immer Millionen von Menschen bannt und ins bunte Afrika beamt. Die Eleganz, die Schwermut, die Epik—auf all das spucken Elaiza. Jetzt gibt es ein verficktes Akkordeon und billige Elektro-Drums, die im deutschen Klatsch-Tempo immer weiter Elton Johns Brille in dessen Augenhöhlen boxen.
Vielleicht hätte sich bei der Produktion des Samplers irgendwann mal jemand fragen sollen, worum es bei Disney-Filmen wirklich geht: um sehr viele Tränen, unschuldige Gefühle und eingängige Melodien, die ganz tief in uns drinnen etwas verändert haben. Man kann eben nicht einfach einen Song aus einem Film reißen und ihn einem Popstar zum Fraß vorwerfen, um das halb verdaute Endprodukt dann ernsthaft als würdige Neuinterpretation zu verkaufen. „Ich wär’ so gern wie du“ hat eben der Affenkönig Louie gesungen, der hat den Scheiß auch gelebt und wir haben es ihm abgenommen, Roger Cicero aber nicht. Und genau deswegen funktioniert auch einzig und allein Dendemanns Version des Mary Poppins-Zungenbrechers „Superkalifragilistikexpialigetisch“. Denn Mary wäre stolz, wie lässig Dende ihre Texte rotzt und natürlich hilft es auch, dass ihr Film nicht wirklich ein richtiger Disney-Film ist. Der spielt eher so in der Pippi Langstrumpf-Liga, da blutet unser Herz nicht.
Das Re-Release der Songs soll vielleicht dafür sorgen, dass zur Weihnachtszeit noch ein paar CDs verkauft werden. Wer das kaufen soll? Wir nicht. Müssen wir auch nicht, wir legen lieber nochmal die VHS ein und lieben.