Rin ist seit letztem Jahr Teil des Live From Earth-Kollektivs, in dem auch der Wiener Rapper Yung Hurn, sowie dessen Produzent Lex Lugner mitwirken. Im Rahmen unserer ersten Veranstaltung „Noisey Nights“, bei der die Jungs aus dem Süden ordentlich abgerissen haben, haben wir den Rapper aus dem Ländle für ein paar ruhige Minuten von dem Zirkus weglocken können, um ihm einige wichtige Fragen zu stellen. Ein Gespräch über Kommerzialisierung von Rap, über die Wichtigkeit von lokalen Wurzeln und warum Yung Hurn und Live From Earth Deutschrap wieder zu neuer Schönheit verholfen haben.
Noisey: Du bist einem größeren Publikum wohl erst seit Mitte/ Ende 2015 bekannt, hast dieses Jahr im März deine Debüt-EP Genesis rausgebracht. Erzähl doch mal bitte kurz, wie das mit der Musik bei dir eigentlich losging.
Rin: Ich hatte einen ziemlich klischeehaften Einstieg in die Musik. Alles fing betrunken im Park an. Wir waren da mit ein paar Jungs, plötzlich fing einer an zu freestylen. Allerdings war ich so schlecht darin, dass ich mir immer vorsorglich zwei Lines überlegt habe. Und die waren relativ lustig. Und dann sagte mir einer meiner Kumpels, schreib dir die Lines mal auf. Der war damals schon selbst als Rapper aktiv. Durch ihn kam ich dann in Berührung damit. Er nahm mich mit zu einem anderen Kumpel, bei dem wir dann die ersten Tracks zum Spaß aufnahmen. Alles sehr simpel.
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Kaum warst du als Rapper aktiv, sah man dich schon mit der Live from Earth-Gang zusammen arbeiten. Wie kam der Kontakt zu den Jungs von LFE aus Berlin zustande?
Meine Karriere, wenn man das so sagen will, ist eher hinter den Kulissen abgelaufen. Ich habe schon vor zwei Jahren angefangen Musik zu machen. Dann kam im Sommer 2015 mein Split-Video „Ljubav/ Beichtstuhl“ raus, das wohl noch immer das bekannteste Video von mir ist. Als Falk Schacht das damals in den sozialen Netzwerken gepostet hat, kam der Stein für mich ins Rollen. Ich war dann erst mal bei einem Produzenten in Chemnitz (Anm. der Red.: Breath), der mich kontaktiert hatte. Aber das hat musikalisch nicht so gut gepasst. Ich hatte keinen wirklichen Anspruch an die Musik, ich wollte nur etwas umsetzen, das mir Spaß macht und nicht unbedingt Geld bringt. Dann kam ich in Kontakt mit Yung Hurn.
Wie genau entstand eure Verbindung?
Wir haben uns zuerst über Soundcloud geschrieben. Zunächst sprachen wir ganz allgemein über eine Zusammenarbeit, aber er fragte dann bald, ob wir nicht sogar einen kompletten Song zusammen machen wollten. Abseits der Tatsache, dass Hurn und ich jetzt bei LFE im selben Team sind, ist er für mich einer der spannendsten deutschsprachigen Künstler überhaupt. Mich reizt niemand so sehr für ein gemeinsames Ding wie er.
Wirklich keiner außer Yung Hurn?
Der einzige, der mir sonst noch einfällt, wäre Haftbefehl. Also was deutschen HipHop angeht, sonst echt niemand so wirklich.
Also war es dann vor allem Hurn selbst, der dir die LFE-Macher vorstellte?
Indirekt. Max von LFE kam auf mich zu und fragte, ob ich nicht ein fester Teil der Crew werden wollte. Und ich hab ja gesagt. Dann ging alles sehr schnell.
Was macht für dich selbst den Reiz an eurer Musik, diesem etwas trashigen und spontan klingenden Autotune-Rap aus?
Bei uns wirkt alles relativ natürlich und unverkrampft. Das Magische an Yung Hurn ist, dass er unglaublich frei an diese Musik rangeht. So hat er dem deutschen HipHop wieder die Schönheit und Leichtfüßigkeit zurück gegeben, die dem Genre bis dato gefehlt haben. Wenn du dir Deutschrap ansiehst, ist doch alles immer nach demselben Muster aufgebaut. Künstler XY bringt ein Video raus, dazu gibt’s in der Beschreibung direkt den Amazon-Bestelllink zum Song oder dem Album. Am besten noch in einer teuren Box. Ganz stark sind auch noch irgendwelche Gadgets oder Merch, die der Box beiliegen. Dann erscheint nach Release noch ein Video, vielleicht zwei. Aber es ist immer derselbe Scheiß. Jeder macht das Gleiche.
Alles folgt einer relativ homogenen und durchdachten Business-Strategie.
Klar! Nach dem ersten Album, das vielleicht noch ziemlich Low Budget produziert war, kommt dann das aufwendig gedrehte Videomaterial, am besten noch mit Drohnen. Und da sehe ich persönlich den großen Reiz an unserer Musik. Wir sind einfach ein paar Jungs, die viel Liebe für Musik haben. Ich will gar nicht bestreiten, dass andere Rapper diesen Anspruch auch haben. Doch ich glaube, die gehen da zu professionell ran.
Man hört heraus, dass euch die Kommerzialisierung eurer Musik ziemlich am Arsch vorbei geht. Habt ihr denn gar keine Perspektive, mit der Musik auch ordentlich Kohle zu verdienen?
Ich würde mich nicht unbedingt dagegen sträuben, irgendwann Geld mit der Musik zu verdienen. Aber ich sträube mich gegen die Vorstellung, mich dafür verbiegen zu müssen. Und dagegen, an meiner Idee von Musik, so wie sie mir gefällt, etwas zu ändern. Deshalb habe ich schon einige Projekte ausgelassen, Angebote für Features nicht angenommen. Deshalb bin ich auch bei Live From Earth genau richtig. Hier kann ich die Kunst machen, die ich mir vorstelle. Wenn man es denn Kunst nennen will. Und falls am Ende dadurch kommerzieller Erfolg entsteht: cool! Aber ich setze mich bestimmt nicht mit den Jungs hin und sage „Lasst mal schnellere Beats machen, damit es besser klingt. Sonst kommen wir in Deutschland nicht gut an.“
Welche musikalischen Einflüsse innerhalb oder außerhalb von Deutschrap kannst du benennen, die deinen Sound inspirieren?
Ich höre gerne so richtig depressive, kaputte Musik. Ich finde, dass in der Musik Schmerz immer authentischer rüberkommt als Glück. Jeder Mensch auf der Welt kennt Schmerz. Aber nicht jeder kennt vermutlich pures Glück. Es gibt eine Menge Menschen, denen so etwas nie vergönnt war. Und so kommt mir schmerzvolle, leidende Musik immer viel realer vor als dieses happy Zeug.
Hast du da ein paar Beispiele?
Ein Freund von mir, er ist Russe, hat mir mal den russischen Sänger Wiktor Zoi gezeigt. Und als wir mal wieder zusammen getrunken und dessen Mucke gehört haben, hat mir mein Kumpel die Texte übersetzt. Und ich bin echt fast umgefallen. Das waren richtig extreme Geschichten aus dem Leben. Darüber, wie er sich besäuft vor Unglück und nicht nach Hause geht zu seiner Frau, die auf ihn wartet. Stattdessen ist er draußen mit den Jungs, um sich zu prügeln, weil er nicht anders kann. Weißt du, was ich meine? Das sind so richtige Männergeschichten. Teilweise höre ich auch kroatische Musik. Ich habe kroatische Wurzeln, daher der Zugang. Und ich mag alte kroatische Kriegslieder. Wenn Männer darüber singen, wie sehr sie ihre Frau vermissen. Solche Musik hat mich am meisten beeinflusst.
Hast du denn das Gefühl, dass auch in deiner Musik mehr Schmerz dominiert, weil du allgemein mehr Schmerz als Glück in der Welt beobachtest?
Ich kann zumindest keine echten Gefühle in Songs verpacken, in denen alles nach Glück klingt. Derzeit fühle ich mich nicht in der Lage so happy Songs zu machen. Vielleicht ändert sich das irgendwann. Aber ich habe auch wie gesagt zu wenig gute und real klingende happy Musik gehört bisher. Mir sind die Klischees meistens zu dick aufgetragen, mit denen fröhliche Musik spielt.
Was für eine Perspektive siehst du für dich denn dann in der Musik?
Puh… Ich mache einfach Musik, solange sie mir Spaß bringt. So wie es läuft, läuft’s. Jede lustige Geschichte, die sich durch die Musik in meinem Leben ergibt, nehme ich mit. Aber mein Lebensfokus liegt jetzt nicht nur auf der Musik.
Würdest du für die Musik Richtung Berlin ziehen? Dein Kumpel Hurn ist ja ziemlich oft hier wegen Auftritten und das LFE-Kollektiv hat hier ja auch seine Base.
Niemals würde ich für die Musik wegziehen. Ich liebe meine Heimatstadt. An der Stelle Shoutout an Bietigheim-Bissingen 74231. Ich liebe meine Jungs dort. Alles was um mich herum gerade passiert, ist cool. Aber das, was mir meine Wurzeln gegeben haben, die Erfahrungen, die ich mit meinen Freunden aus der Heimat teile, das ist viel wichtiger als alles andere. So blöd es vielleicht klingt, aber diese Jungs sind wie meine Brüder. Die waren für mich da von Tag Eins an. Egal ob ich arm oder reich war, ob’s um Mucke ging oder ob ich gerade ein guter oder ein schlechter Mensch war. Ich habe seit gut 15 Jahren denselben Freundeskreis. Wir entwickeln uns gerade alle enorm weiter und diese Freundschaften sind mir wirklich das Wertvollste, das ich habe.
Nehmen wir mal an, LFE und du als Rin, der Rapper, nicht der Bietigheimer Homeboy, würden auf einmal einen riesigen kommerziellen Durchbruch erleben, wie würde sich das auf deine Einstellung zur Musik auswirken?
Bestimmt kann man sich in diesem Fall überlegen, ob man auf den Zug mit aufspringen will, der dann anrollt. Ob man zu so einer großen öffentlichen Person werden will, wie Cro oder Casper es geworden sind. Mein Problem wäre nicht unbedingt die Arbeit, die man in so eine Rolle investieren muss. Es wäre vielmehr die Frage, ob man so viel Aufmerksamkeit und Berühmtheit überhaupt möchte. Ich hätte keinen Bock drauf, nirgends mehr entspannt hingehen zu können, ohne dass dich alle erkennen.
Wie ist das bei euch denn bislang?
Eigentlich ist das noch alles ganz entspannt. Wir sind mehr so in einer bestimmten Szene bekannt. Wenn wir mit Yung Hurn rumlaufen, kommen ja auch nicht ständig irgendwelche Leute, die uns ansprechen. Aber bei einem Sido oder Bushido läuft das sicher anders ab.
Welchen Platz würdest du euch denn innerhalb des deutschsprachigen Rap-Kosmos geben?
Plump gesagt sind wir schon das Fresheste und Neueste, das es hier gerade gibt. Uns interessiert nicht, was die anderen von uns halten, was die einschlägigen Rap-Magazine über uns schreiben. Es ist aber letztlich egal, ob die finden, dass wir das Fresheste sind oder der größte Müll. Das kann jeder für sich entscheiden.
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