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Was die geistige Stimulation angeht: Sloterdijks philosophisch-anthropologische Thesen sind gewagt, aber ziemlich unterhaltsam. Die Protagonisten ziehen Religion, Mystik und Naturphilosophie heran, um den weiblichen Orgasmus als die Wurzel des geistigen Fortschritts des Menschen zu feiern. (Und auf jeden Fall als etwas viel Mystischeres, Komplizierteres als das männliche Kommen.) Manchmal schlägt das Ganze allerdings zu sehr in die gleiche Kerbe wie Männermagazine: Der weibliche Höhepunkt—und die Frau mit dazu—wird als ein geheimnisvolles, unbegreifliches Ding behandelt.Zumal sich die Sexualität der Damen ein paar Seiten später keineswegs als komplex herausstellt, sondern so feinfühlig ist wie ein Hardcore-Porno. In einer Szene hat die Protagonistin Beatrice zu Freygel Gruppensex mit vier Möbelpackern: "Meine Öffnungen waren fortwährend mehrfach belegt, falls Du verstehst, was ich meine. Als einer der Kerle sich in mein Gesicht entlud, begriff ich, ohne einen Einwand zu erheben, er war zu ungeduldig, um auf einen freien Platz unten zu warten."Fazit: Als Wichsvorlage ist der Roman ziemlich ungeeignet. Dafür sind Sloterdijks philosophische Ausführungen zum Orgasmus zwar abgedreht, aber nicht uninteressant. Es ist fast schade, dass das wissenschaftliche Projekt gegen Ende des Romans von der Deutschen Forschungsgemeinschaft abgelehnt wird. Somit können sich die Sechs auf ihren intimen E-Mail-Verkehr konzentrieren, der bei einigen Protagonisten in realen Verkehr untereinander übergeht. Die Frage nach dem weiblichen Orgasmus bleibt ungelöst. Stattdessen drängt sich eine andere Frage auf: Warum sind es immer ältere Herren, die weibliche Sexualität erklären? Tom Wolfe, Philip Roth, Henry Miller. Eine Frau, die einen Roman über die Sexualität der älteren Herren schreibt, das wäre mal was Neues. Wahrscheinlich wäre da aber wenig Mystisches dabei. Sie haben ja leider schon alles selbst gesagt.Warum sind es immer älteren Herren, die weibliche Sexualität erklären?