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Österreich

Fragen, die die furzbedingte Zwischenlandung von Wien aufwirft

Weil ein älterer Passagier nicht aufhören wollte (!), zu furzen (!!), wurden vier (!!!) andere, nicht furzende (!!!!) Insassen während einer Zwischenlandung in Wien aus dem Flugzeug geschmissen. Wir haben Fragen.
Foto: CC0 Public Domain

Wisst ihr noch, damals, als jemand so dermaßen in eine British-Airways-Maschine geschissen hat, dass das Flugzeug de facto unbrauchbar wurde und umdrehen musste? Der Dünnpfiff, der eine 500-Millionen-Euro-Maschine vom Himmel holte? Wahrlich chlorreiche – Verzeihung – glorreiche Zeiten.

Oder wisst ihr noch, damals, als jemand auf einem Zeltfest in der Steiermark einen fahren hat lassen und deswegen 50 Euro Strafe zahlen musste? Die legendäre Pups-Causa von Frohnleiten hatte wirklich alles – eine Strafverfügung, in der von einem "Darmwind (Furz)" die Rede war, Polizisten, die wegen ebendiesem Darmwind die steirische Sicherheit gefährdet sahen, und eine sichtlich erfreute ORF-Reporterin, die den anschließenden Nachrichten-Beitrag mit einem Furz-Geräusch einleiten durfte.

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Jedenfalls: Stellt euch vor, jemand hätte diese beiden Geschichten zufällig irgendwo aufgeschnappt, unabhängig voneinander, ohne sie wirklich gründlich gelesen zu haben. Verständlich, denn dieser Jemand hat wahrscheinlich Besseres zu tun, als seine Mittagspausen mit Geschichten zu verbringen, die in ihrem Kern mehr oder weniger mit der unbeabsichtigten Ausscheidung von Kot zu tun haben.

Dieser Jemand ist womöglich ein überaus beschäftigter Geschäftsmann und hat beide Geschichten lediglich im Vorbeigehen mitbekommen. Vielleicht hat er sogar nur irgendwo "Darmwind-Debakel" oder "Flugzeug-Fäkal-Fiasko" gelesen, wer weiß das schon – beides übrigens 1A-Überschriften für oe24, gern geschehen.

Dieser Typ findet das berechtigterweise sauwitzig und will jetzt seinen Freunden davon erzählen, kriegt aber nicht mehr ganz zusammen, wo wirklich geschissen und wo gefurzt wurde – also vermischt er versehentlich beide Begebenheiten miteinander und kreiert damit ein Frankenstein'sches Monster, das sich zur schönsten Furz-Fabel des Jahres 2018 entwickelt.

So oder so ähnlich stellen wir uns die Geburtsstunde der Geschichte über die pupsbedingte Zwischenlandung in Wien Schwechat vor, die seit Kurzem die Runde macht. Manche Meldungen klingen anfangs einfach zu schön, um wahr zu sein. Diese Geschichte hingegen ist zu wahr, um schön zu sein.

Folgendes ist passiert: Wie De Telegraaf berichtet, musste vor Kurzem eine Transavia-Maschine auf einem Flug von Dubai nach Amsterdam einen Zwischenstopp in Wien einlegen, nachdem ein älterer Passagier sich weigerte, mit dem Furzen aufzuhören. Sein Popsch-Husten dürfte derartig heftig gerochen haben, dass zwei junge Männer sich lautstark über ihn beschwerten – und dafür vom Flugpersonal ermahnt wurden. Es kam zum Streit.

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Als die Situation zwischen den verärgerten Männern und dem Personal eskalierte, entschieden die Piloten sich für eine Zwischenlandung in Wien. Dort wurden die beiden Männer von der Polizei aus dem Flugzeug entfernt – gemeinsam mit zwei Studentinnen aus Rotterdam, die laut eigenen Aussagen erst gar nicht an dem Streit beteiligt waren.

"Wir waren nur zufällig in der gleichen Reihe, haben aber nichts getan", so die Frauen gegenüber De Telegraaf. Die beiden wollen nun gerichtlich gegen die Fluggesellschaft vorgehen. Ein im Flugzeug aufgenommenes Video mit dem Titel "Pilot make intermediate landing after fight breaks out when passenger refuses to stop FARTING" zeigt, wie die Polizei die vier Menschen in Wien abführt.

Ihr merkt: Das alles wirft einerseits Fragen auf, die wir wirklich, wirklich niemals stellen wollten. Andererseits wusste früher auch niemand, wie viel ein steirischer Darmseufzer kostet oder dass man ein Flugzeug tatsächlich kaputtkacken kann. Wie sangen einst die Kinder aus der Sesamstraße? "Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu seh'n – manchmal muss man fragen, um sie zu versteh'n." Also tun wir das. Ungern, aber wir tun's.

Warum wird der Furzmann selbst nicht zur Verantwortung gezogen?

Die Sache ist die: Diese ganze Geschichte gründet auf den Power-Pupsen eines einzigen Mannes, und er selbst – der furzende Fädenzieher, der intestinale Initiator – wird in diesem Blähungs-Märchen zur Nebensächlichkeit degradiert? Wie ist das überhaupt möglich? Warum wurden die beiden Typen, die sich gestört fühlten, von der Crew ermahnt, während der Furzmann selbst ab dieser Stelle völlig aus dem Bild verschwindet?

Beinahe die gesamte Berichterstattung rund um den Fall erwähnt die perfiden, weil offenbar bewussten Furz-Attacken des Passagiers infolgedessen mit ungefähr zwei einleitenden Worten – und lässt ihn danach einfach links liegen, als wäre dieser Mann nicht derjenige, der dieses ganze Schlamassel zu verantworten hätte.

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Ernsthaft, jeder anderen Figur wird in dieser Geschichte mehr Aufmerksamkeit zugeschrieben, als der einen Person, die diese Sache überhaupt erst losgetreten hat. Der verdammte Sprecher der Fluggesellschaft spielt eine größere Rolle als der Furzmann selbst! Wie konnte das passieren? Warum wird der Täter gänzlich aus dem Narrativ exkludiert? Wollen wir dem wahren Schurken dieser Causa wirklich erlauben, einen Taylor Swift zu schieben? Kann bitte irgendjemand den Furzmann ausfindig machen, und ihm die eine wichtige Frage stellen, die uns allen auf der Zunge, den Nägeln, der Seele und an Stellen, über die wir lieber nicht sprechen wollen, brennt?

Warum zur Hölle wollte der Typ nicht aufhören, zu furzen?

Es ist eine Sache, nicht aufhören zu können. Eine äußerst unangenehme Sache, für die es viele mögliche Gründe gibt – Laktoseintoleranz, Antibiotika, Allergien, Reizdarmsyndrom, Nachos mit zu viel Käsesoße. Im Durschnitt lassen wir 10 bis 20 Winde täglich gehen – das ist also nur menschlich und nichts, das wir längerfristig aufhalten können, geschweige denn sollten. Wie sagt meine Lieblingstante immer? Alles, was keine Miete zahlt, muss raus. Wenn du furzen musst, bitte, furz. Aber denk an deine Mitmenschen und tu es, sofern möglich, wenn du alleine bist. Oder einfach draußen. Nicht in Autos. Nicht in der U-Bahn. Generell nicht in geschlossenen Räumen. Und schon gar nicht, wenn diese geschlossenen Räume beheizt sind UND SICH IN 10 KILOMETERN HÖHE BEFINDEN, ohne Option darauf, sie zu verlassen.

Was uns zur Frage bringt: Welcher kranke Bastard will nicht aufhören, zu furzen? Schlimmer noch: Welcher kranke Bastard will nicht aufhören, zu furzen, wenn er darum gebeten wird? Ich stelle mir das Gespräch vor:

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"Bitte, hören sie auf, zu pupsen, wir ertragen den Gestank nicht mehr."
"Nein!"

Was für ein Psychopath muss man sein? Ob die Wortwahl über die vermeintliche Verweigerung des Mannes dem Titel des Videos aus dem Flugzeug-Inneren entspringt, oder ob ein Fehler vorliegt, sei an dieser Stelle mal dahingestellt.

Es gibt aber im Grunde genommen nur zwei Erklärungen für die angebliche Verneinung des Wind-Stopps: Entweder der Furzmann ist ein sadistisches Arschloch, oder er litt in Wirklichkeit unter unkontrollierbaren Blähungen, welche ihm aber so peinlich waren, dass er stattdessen lieber behauptete, sie wären beabsichtigt. Ein bisschen so wie Donald Trump, der sagt, "Covfefe" wäre kein Versehen und auf jeden Fall geplant gewesen.

Ob der Typ bewusst ein Furz-Fest veranstaltete oder nicht – das ist nicht das erste Mal, das wir so eine Meldung lesen.

Warum passiert das immer und immer wieder?

Freunde, wacht endlich auf! Flugzeug-Furze sind ein Problem und wir müssen endlich lernen damit umzugehen! Seht euch nur die Schlagzeilen der vergangenen Jahre an: "Furzgeruch legte US-Flugzeug lahm: Ein unangenehmes Lüftchen trieb Crewmitgliedern Tränen in die Augen", "Flugzeug wegen Blähungen einer Passagierin umgeleitet" und sogar "Jenny McCarthy: Peinliche Furz-Panne im Flugzeug!" – Flugzeuge sind wahrscheinlich der unpassendste Ort, um die Verdauungshupe zu betätigen. Und trotzdem scheint es nirgendwo anders derartig häufig zu passieren!

Glücklicherweise lässt sich dieses Phänomen einfach erklären: Das erhöhte Bedürfnis, über den Wolken einen Schas zu lassen, liegt ganz einfach am Luftdruck. Je höher ein Flugzeug steigt, desto mehr dehnen sich Gase in unserem Darm aus – und steigern damit den Pupsdrang. Unter Mitarbeitern von Fluggesellschaften ist dieser Blähbauch auch als "Boeing Belly" bekannt.

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Und weiter: Experten raten dringend dazu, Flugzeug-Flatulenzen freien Lauf zu lassen, da unterdrückte Leibwinde zu Verdauungsstörungen, Sodbrennen und anderen gesundheitlichen Schäden führen können. Was eine weitere, letzte Frage aufwirft:

War unser Furzmann vielleicht einer dieser Experten?

"Just let it go" ist die Conclusio, zu der eine neuseeländische Studie über Furzen im Flieger kommt. Ohne Scheiß (hoffentlich). Wenn dem wirklich so ist, und das Ablassen von Kackegas im Flugzeug tatsächlich die Gesundheit fördert, dann war der Furzmann, der die Zwischenlandung in diesem Fall verursachte, vielleicht weder ein Arschloch, noch peinlich berührt – sondern lediglich ein Mensch, der weiß, was gut für seinen Körper ist. Und meine Tante sollte am Ende mal wieder Recht behalten. (Es war übrigens NICHT meine Tante.)

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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