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Was ist Deutsch?

Das Heimatministerium weiß selbst nicht, was Heimat heißen soll

Nein, hierbei handelt es sich nicht um einen schlechten Scherz.
Foto: imago | Sebastian Widmann

Heimat kann in Deutschland alles bedeuten: Die einen verbinden damit ein Land, das aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt hat. Die anderen denken an den Mauerfall. Heimat kann für bayerische Brezen und Döner stehen, für Alpen, Doppelhaushälften, Kopftücher und Kirchenglocken mit Hakenkreuzen, für Kreuzberg oder Castrop-Rauxel. Manchen Menschen ist Heimat so wichtig, dass sie dafür sogar ein eigenes Ministerium erschaffen wollen. Ein Problem ist, wenn diese Leute dann gar nicht so richtig wissen, was sie unter "Heimat" verstehen.

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Horst Seehofer (und seine übrige Männermannschaft) darf dieses ominöse Heimatministerium nun leiten. Die SPD und Union beschlossen im Koalitionsvertrag, das Innenministerium um die Ressorts Bau und Heimat zu ergänzen. "Heimat ist für die Menschen sehr wichtig, sie gibt ihnen Halt", sagte Seehofer Mitte März der Bild. Um im gleichen Interview zu betonen, dass der Islam aber ganz sicher nicht zu dieser Heimat à la Seehofer gehört.

Um nun endgültige Klarheit über die Frage zu bekommen, nach welchen Kriterien Seehofer Heimat definiert und wie sein Ministerium diese gestalten wolle, stellte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann mit ihrer Fraktion eine Anfrage an die Bundesregierung. Gut zwei Wochen später kam die Antwort des Innenministeriums.

Die "Abteilung Heimat" befinde sich derzeit im Aufbau, heißt es dort. "Vor diesem Hintergrund ist der Willensbildungsprozess zu den in den Fragen genannten Punkten noch nicht abgeschlossen." Übersetzt heißt das: Weil das Ministerium in seiner jetzigen Form gerade erst ins Leben gerufen wurde, hat man keinen Plan, was Heimat genau bedeutet.

Definiert sich Heimat durch Abgrenzung?

Die Tatsache, ein Heimatministerium zu schaffen, ohne zu wissen, was sich hinter dem Begriff Heimat verbirgt, oder was das Problem mit eben dieser Heimat ist, ist in etwa so, als würde die Deutsche Nationalmannschaft eine Scoutingabteilung gründen, um im nächsten Schritt erstmal zu definieren, was Scouting eigentlich heißt. Wenig überraschend kritisierte Grünen-Politikerin Haßelmann das Ministerium als "komplett unausgegorene Angelegenheit". Die Antwort nennt sie "entlarvend".

Auch wenn die Bundesregierung aktuell also nicht definieren kann, was Heimat heißt, lässt sich erahnen, in welche Richtung CSU-Politiker das Ministerium lenken wollen. Der CSU-Landesgruppenchef, Alexander Dobrindt, behauptete etwa, Wertvorstellungen wie Toleranz, Nächstenliebe und Freiheit "finden sich so in der islamischen Welt nicht wieder". Und Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident und CSU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl, ging noch einen Schritt weiter. Schüler mit Migrationshintergrund sollten in eigenen Klassen Deutsch lernen, schlug er vor. Wer sich hier bewähren und gute Leistungen zeigen würde, könnte im zweiten Schritt auch zum normalen Unterricht mit deutschen Kindern zugelassen werden.

Womöglich sieht der "Willensbildungsprozess", von dem die Bundesregierung in ihrer Antwort schreibt, also vor, Heimat durch Ausgrenzung von anderen zu definieren. In jedem Fall gilt bis dahin: Home is where the Horst is.

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