Das schwarz-blaue Budget ist ein Sicherheitsrisiko für Frauen und Kinder

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Schwarz-blaue Geschichten

Das schwarz-blaue Budget ist ein Sicherheitsrisiko für Frauen und Kinder

Um Frauen und Kinder angemessen vor Gewalt schützen zu können, bräuchte es das 21-Fache von dem, was die Regierung für Gewaltprävention ausgeben möchte.

Immer wieder betonen Politiker_innen der schwarz-blauen Regierung, wie wichtig ihnen Sicherheit ist. In dieser Debatte dominieren die Themen Terror und Migration; immer wieder wird der vermeintliche Kampf für die Freiheit der Frauen für rassistische Hetze instrumentalisiert. Doch das größte Sicherheitsrisiko geht für Frauen vom eigenen (Ex-)Partner oder nahen Familienangehörigen aus.

Bei sexueller Gewalt weitet sich die Gefahrenzone auf alle Lebensbereiche aus, ob in der Partnerschaft, in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, am Arbeits- oder Ausbildungsplatz, an öffentlichen Orten oder bei Freizeitaktivitäten. Die Bedrohung, Opfer eines sexuellen Übergriffes zu werden, ist für Frauen grundsätzlich immer präsent. Gewalt gegen Frauen ist kein "importiertes" Problem, sondern Bestandteil der österreichischen Gesellschaft.

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Trotzdem wird diesen Themen kaum Beachtung geschenkt. Deutlich wird das auch im Mitte März präsentierten Doppelbudget für 2018/2019: Dort bleibt man beim minimalen Budget von ca. 10 Millionen Euro für Gewaltschutz und Gleichstellung. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es damit sogar noch weniger Mittel. Zum Vergleich: Dem Bundeskanzleramt werden Sondermittel von ungefähr 30 Millionen Euro für bisher nur vage definierte Zwecke zur Verfügung gestellt.

Rhetorisch stellt sich die Regierung immer wieder gegen Gewaltverbrechen. Gewaltschutz bedeutet aber mehr als nur die Einrichtung einer Taskforce zur Verschärfung des Strafrechts. Verbesserter Gewaltschutz benötigt zunächst einmal eine deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel.

Doch die Mittel bleiben gleich (die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich hat gezeigt, dass es noch schlimmer geht und die Mittel sogar gekürzt). Das macht es Frauenberatungseinrichtungen und Opferschutzorganisationen schwer, den aktuellen Status Quo zu halten: gleichbleibende Förderungen bedeuten faktisch, dass den entsprechenden Einrichtungen immer weniger Geld zur Verfügung steht – schließlich sind NGOs genauso wie Privatunternehmen von steigenden Lohn-, Administrationskosten und Inflation betroffen.

Aktuell müssen in Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich Frauen abgewiesen werden, weil es nicht genügend Plätze in den Frauenhäusern gibt.

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Auch die von Ministerin Bogner-Strauß wiederholt zugesicherten 100 Frauenhausplätze für gewaltbetroffene Frauen bis zum Jahr 2020 sind nicht das erhoffte politische Bekenntnis zu einem umfassenden Gewaltschutz und Geschlechtergerechtigkeit. Tatsächlich bräuchte es diese Plätze sofort.

Aktuell müssen in Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich Frauen abgewiesen werden, weil es nicht genügend Plätze in den Frauenhäusern gibt und gerade am Land fehlen entsprechende Einrichtungen. Die 100 Plätze können nur ein Anfang sein. In Hinblick auf die hohe Zahl von sexueller Gewalt betroffener Frauen und Mädchen ist es außerdem höchste Zeit für eine flächendeckende Versorgung mit spezifischen Beratungsstellen – derzeit gibt es nicht einmal eine pro Bundesland.

Es betrifft jedoch nicht nur Frauen: Kinder, die Zeug_innen und Opfer von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch geworden sind, benötigen genauso entsprechende Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen. Und auch für sie bedeutet das niedrige Budget, dass es nicht genügend Mittel etwa für spezialisierte Kinderschutzeinrichtungen gibt.

Gewalt ist teuer.

Seit 2014 gelten in Österreich die Bestimmungen der sogenannten Istanbul-Konvention. Das Europaratsabkommen, das 2011 in Istanbul unterzeichnet wurde, ist derzeit das umfassendste Rechtsmittel zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.

Die Istanbul-Konvention etabliert weitreichende Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Beratung und Hilfe, Rechtsschutz, sowie im Zivil- und Strafrecht. Auch die Zurverfügungstellung angemessener finanzieller Ressourcen für Gewaltschutz- und Prävention sind in der Konvention ausdrücklich vorgesehen. Österreichs Frauenorganisationen fordern schon seit Jahren, dass ihre Arbeit endlich finanziell abgesichert werden muss. Gewalt ist teuer.

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Wenn die Regierung nicht in Gleichstellungspolitik und Gewaltschutz investiert, betrifft uns das alle. Gewalt verursacht nämlich nicht nur Leid, sondern auch massive volkswirtschaftliche Kosten. Einer EU-Studie zufolge werden durch Gewalt und deren Folgen jährlich finanzielle Schäden in der Höhe von 226 Milliarden Euro verursacht. Somit lässt sich sogar ökonomisch argumentieren, warum Österreich mehr für Präventionsarbeit ausgeben soll – für die, denen das Argument nicht reicht, dass es hier um Menschen geht, denen Gewalt angetan wird.

Was ihr über Gewalt gegen Frauen wissen solltet

Um die Umsetzung der Istanbul Konvention voranzutreiben und damit den Gewaltschutz in Österreich zu verbessern, haben sich 2016 über 30 österreichische Opferschutz- und Beratungseinrichtungen unter dem Namen "Allianz 'Gewaltfrei leben'" zusammengeschlossen, der auch die Autorin selbst angehört.

Aus unserer Sicht müssten mindestens 210 Millionen Euro – also das 21-Fache des derzeitigen Budgets – veranschlagt werden, um angemessene Gewaltprävention leisten zu können. Das entspräche in etwa 25 Euro pro Österreicher_in für Prävention – eine leistbare Investition, wenn man bedenkt, dass wir aktuell jährlich 450 Euro pro Österreicher_in für die Folgekosten von Gewalt aufbringen.

Im vorgestellten Budget für den Bereich Frauenangelegenheiten und Gleichstellung plant die Regierung aber nicht einmal 1,20 Euro pro Österreicher_in in Gewaltschutz und Gleichstellungsmaßnahmen zu investieren.

"Gewalt gegen Frauen ist der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern"

Schon die Istanbul-Konvention hält fest: "Gewalt gegen Frauen ist der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann und zur Verhinderung der vollständigen Gleichstellung der Frau geführt haben". Gewalt ist ein geschlechtsspezifisches Problem: Ein Großteil der gewaltbetroffenen Personen ist weiblich – und auch in den meisten Fällen, in denen die Opfer männlich sind, sind die Täter Männer.

Wer Gewalt effektiv bekämpfen möchte, muss deshalb auch Initiativen, Vereine und Institutionen unterstützen, die sich für eine gerechte Aufteilung von Macht und Ressourcen zwischen den Geschlechtern einsetzen. Ein politisches Bekenntnis dazu findet sich bisher weder im Regierungsprogramm, noch im Budget-Entwurf. Wessen Sicherheit ist gemeint, wenn die Regierung den Begriff verwendet? Wessen Sicherheit ist gemeint, wenn die Regierung den Begriff verwendet? Frauen und Kinder sind darin scheinbar nicht mitgemeint; denn für sie bedeutet das Budget in seiner jetzigen Fassung ein Sicherheitsrisiko.

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