Freiheitliche "Einzelfälle": Ein Ranking der schlechtesten Ausreden von FPÖ-Politikern

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Schwarz-blaue Geschichten

Freiheitliche "Einzelfälle": Ein Ranking der schlechtesten Ausreden von FPÖ-Politikern

Man wird doch wohl noch drei Bier bestellen dürfen.

Dieser Artikel ist Teil unserer laufenden Berichterstattung über die schwarz-blaue Regierung, die wir hier unter dem Namen "Schwarz-blaue Geschichten" gesammelt haben.

Es muss ein böser Fluch auf der FPÖ lasten. Warum sind es immer wieder ausgerechnet freiheitliche Politiker, die so fotografiert werden, dass ihr Winken wie ein Hitlergruß aussieht? Warum werden immer nur ihnen antisemitische Liederbücher untergeschoben? So manch skeptischer Beobachter mag hier ein Muster erkennen.

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Unfair, sagt die FPÖ. Vielmehr reihen sich unglücklichste Umstände aneinander: Versprecher, Missverständnisse, Bierbestellungen. Einzelfälle eben. Wir haben aus etlichen freiheitlichen Skandalen die Top 5 der absurdesten Ausreden gesammelt.

Platz 5: "Rassereinheit – Geistesfreiheit – Volkeseinheit"

Trompete kann ein undankbares Instrument sein. Üben bis man blau wird, nur um einmal im Jahr mit der Dorfkapelle um die Häuser zu ziehen. Immer umgeben von Dilettanten, niemals selbst in der ersten Reihe. Und dann muss man auch noch auf Begräbnissen von NS-Fliegersoldaten spielen. So geschehen 1983, als der FPÖ-Politiker Reinhard Rebhandl in Salzburg auf dem Begräbnis des Nationalsozialisten Hans-Ulrich Rudel den Zapfenstreich blies. Ein Jahr später spielte er auf dem Parteitag der NPD. Wenige Jahre später wurde die NDP aufgrund ihrer ideologischen Nähe zur NSDAP verboten. Heute ist Rebhandl FPÖ-Spitzenkandidat im Salzburger Tennengau.

Rebhandls Vater, Mitglied der Waffen-SS und NDP-Landessprecher, habe den jugendlichen Sohn zu diesen Events mitgeschleift, so die Erklärung des FPÖ-Politikers gegenüber den Salzburger Nachrichten. Er habe aber früh mit dem Vater gebrochen und sei heute ganz anderer Meinung. Mehr als 20 Jahre später kann zumindest der erste Teil dieser Begründung nicht mehr gelten: 2006 bezeichnete Rebhandl nach dem Tod seines Vaters dessen Verurteilung wegen Wiederbetätigung als "politische Verfolgung".

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2010 feierte der Gollinger Turnverein sein 100-jähriges Jubiläum. Wie das Profil berichtet, kommt dabei eine Fahne zum Einsatz mit der Aufschrift "Rassereinheit – Geistesfreiheit – Volkeseinheit". Reinhard Rebhandl war bis 2013 Obmann des ÖTB-Turnvereins. Seine Ausrede: Die Fahne war nicht aufgehängt worden. Sie sei nur dabei gewesen. Aber warum dann die alte Nazi-Fahne überhaupt zur Party mitnehmen? Rebhandl: "Es ist eine reine Traditionspflege gewesen, um die Dauer des Vereins zu untermauern." Ist klar.

Platz 4: Verkannte Armbewegungen

Der unnatürlichen Handbewegung wird im Fußball großes Gewicht beigemessen. Ist die Hand, wo sie nicht sein darf, kann das über Sieg oder Niederlage entscheiden und sogar dazu führen, dass der Spieler den Platz verlassen muss. Nicht immer sind diese Bewegungen mit freiem Auge sichtbar – und wenn doch, werden sie nicht immer bestraft. Als 2014 ein Foto auftauchte, das den Tullner FPÖ-Chef Andreas Bors bei einer Silvesterfeier 2006 mit erhobenem rechten Arm und flach ausgestreckter Hand zeigt, legten sich die Kommentatoren schnell fest. Das Urteil: Irreguläres Handspiel, Hitlergruß.

Der Protest ließ nicht lange auf sich warten: Er habe doch nur Rapid-Fanlieder angestimmt, beteuert Bors. Eine unnatürliche Handbewegung erkennt er dabei nicht: "Das ist manchmal so, manchmal sind auch beide Arme in der Höhe", erklärte Bors gegenüber dem Kurier. Zu einem Platzverweis kam es bei Bors nicht. Nachdem das (mutmaßliche) Hitlergruß-Foto erst 2014 auftauchte, wurden die Ermittlungen aufgrund der Verjährung einer möglichen Wiederbetätigung eingestellt.

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Andreas Bors ist immer noch bei der FPÖ Niederösterreich als Regionalreferent tätig und wurde von seiner Partei im November 2017 als Bundesrat vorgeschlagen. Auf das Mandat hat er aus Angst vor einer "Kampagne gegen die FPÖ" verzichtet. Inzwischen zeigt sich Bors reumütig und nennt sein Handspiel "unüberlegt".

Platz 3: "Gebt Gas, ihr alten Germanen!"

Herwig Götschober, Vorsitzender der Burschenschaft Bruna Sudetia, ist zurück im Kabinett von Verkehrsminister Norbert Hofer. Die NS-Liederbücher wurden zwar in seiner Bude gefunden, aber sie gehören ihm nicht. Die Kisten mit den Vergasungs-Fantasien hat halt jemand vergessen. Gut, dass das aufgeklärt ist.

Platz 2: "Wehrmacht, stille Nacht"

Screenshot via FPÖ Fails

Wer kennt das nicht: Nach zu vielen Vanillekipferl und ein paar Stamperln Inländer-Rum will man ganz unschuldig ein paar Feiertagsgrüße verschicken, rutscht kurz auf der Maus aus und schon steht ein Video zu Nazi-Propaganda auf eigenen der Facebook-Seite. So oder so ähnlich könnte es bei Bernhard Blochberger passiert sein.

Wie der Watchblog FPÖ Fails berichtete, hatte der FPÖ-Gemeinderat aus Niederösterreich in der Weihnachtszeit 2017 ein Bild aus einer nationalsozialistischen Frauenzeitschrift gepostet. Anschließend noch den Link zu einem Video mit dem Titel "Wehrmacht, stille Nacht". Auf Nachfrage vom Standard, was denn da los gewesen und wieso er in so vielen rechtsextremen Facebook-Gruppen Mitglied sei, zündete Blochberger ein wahres Feuerwerk an originellen Erklärungsversuchen:

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Das Bild habe er auf Facebook gefunden und als Weihnachtsgruß geteilt. Der Nazi-Hintergrund sei ihm nicht bewusst gewesen. Und schon gar nicht, dass im Original ein Hakenkreuz über der Abbildung zu sehen sei. Man müsse aber auch nicht versuchen, in allem etwas Negatives zu finden, so Blochberger. Den Link zum Wehrmachts-Video hat er wieder gelöscht. Das Posting sei ein Versehen gewesen, wie er versicherte. Er habe sich nur verdrückt.

Zu Gruppen wie "Deutschland ist meine Heimat", "Volksaufstand", "Das Deutsche Reich muss deutsch bleiben" und "Stalingrad Front" sei er von den Gruppenbetreibern hinzugefügt worden und es sei unhöflich, einer Einladung nicht zu folgen. Mit dem Nationalsozialismus habe der Krumbacher Gemeinderat aber gar nichts am Hut. Seine Begründung: Er sei damals noch nicht auf der Welt gewesen.

Platz 1: Der große Durst des Vizekanzlers

Es ist eine altbekannte Geschichte: Anfang 2007 taucht ein Foto aus den 1980ern auf, das Heinz-Christian Strache mit drei ausgestreckten Fingern zeigt. In Nazi-Kreisen hat sich der sogenannte Kühnen-Gruß als Ersatz zum verbotenen Hitler-Gruß etabliert. Anfangs erklärt Strache noch, es handle sich um eine Geste des Südtiroler Freiheitskampfes. Später meint er, er habe nur drei Bier bestellt. Warum nimmt dieser alte Hut Platz 1 auf unserer Liste ein? Der Mann ist inzwischen Vizekanzler der Republik Österreich.

Das Durchkommen mit abstrusen Ausreden ist dafür mit ein Grund. Es ist dieselbe Dreistigkeit, mit der Bors behauptet, mit ausgestrecktem rechten Arm Rapid-Lieder zu singen. Dieselbe Dreistigkeit, mit der Blochberger behauptet, sich zu verklicken, wenn er Wehrmachtspropaganda verbreitet. Dieselbe Dreistigkeit, mit der Götschober und Landbauer behaupten, nicht zu wissen, was in den Liederbüchern ihrer Burschenschaften steht und dieselbe Dreistigkeit, mit der Rebhandl behauptet, eine Nazi-Fahne zwar mit auf eine Veranstaltung zu nehmen, sie aber nicht ausgerollt und anschließend wieder weggepackt zu haben.

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Aus Wehrsportübungen werden Paintball-Spiele. Aus Aufmärschen mit der als "neonazistisch" eingestuften Wiking-Jugend werden Jugendtorheiten.

Etliche Skandale prallten an Strache ab. Aus Wehrsportübungen werden Paintball-Spiele. Aus Aufmärschen mit der als "neonazistisch" eingestuften Wiking-Jugend werden Jugendtorheiten. Das ständige Herauswinden hat Wirkung gezeigt: In der zweiten Aprilwoche, wenn Van der Bellen und Kurz im Ausland sind, ist der durstige Burschenschafter hier der Chef.

Heute ist Strache um ein geläutertes Auftreten bemüht. Vor allem seit Bekanntwerden der NS-Liederbuch-Affäre rund um Udo Landbauer wird Antisemitismus immer wieder öffentlich zurückgewiesen – auch, wenn das vielen FPÖ-Anhängern nicht gefällt. Echte Konsequenzen bleiben aus. Sowohl von Seiten der FPÖ, also auch von Seiten des Koalitionspartners.

Götschober, Bors, Blochberger und Rebhandl sind nach wie vor für die FPÖ aktiv und Salzburgs FPÖ-Spitzenkandidatin Marlene Svazek verteidigt Rebhandl und diffamiert das Mauthausen Komitee als "linken Agitationsverein". Ein solcher Angriff auf eine Institution, die sich dem Vermächtnis von KZ-Häftlingen verschrieben hat, wäre in manch anderen Ländern gleichbedeutend mit dem politischem Aus. In Österreich reicht oft eine halbwegs originelle Erklärung.

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